Frage an Bijan Djir-Sarai von Mechtild Prof. Dr. B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Djir-Sarai,
Wie stehen Sie zu den Argumenten der "Rettungsschirm"-Gegner, insbesondere derjenigen, die die unvorstellbaren Summen für verantwortungslos halten und den Wortbruch gegenüber der Einführung des Euro beklagen? Es ist ja absehbar, dass derartige Summen niemals mehr zurückgezahlt werden können, da kann nicht mehr ernstlich von den "Vorteilen" des Euro für Deutschland gesprochen werden. Wäre es nicht ehrlich und an der Zeit, das Projekt, das einst "mit heißer Nadel" gestrickt und von interessierten Kreisen angepriesen und gegen den Willen vieler Bürger durchgesetzt wurde, für gescheitert zu erklären?
Mit freundlichen Grüßen einer besorgten Neusserin.
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Bierbach,
vielen Dank für ihre Anfrage hier auf AbgeordnetenWatch.de zum "Euro-Rettungsschirm". Sie haben Recht, wenn sie anmerken, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden. In diesen Tagen, in denen wir uns einstigen Fehler bewusst werden, müssen wir jedoch in die Zukunft blicken und über konstruktive Lösungsmechanismen debattieren und entscheiden.
Die Abstimmungen im Bundestag zum Thema Euro verlangten von mir gewiss die schwierigsten Entscheidungen als Bundestagsabgeordneter. Aufgrund der Wichtigkeit des Themas und der Sensibilität der Debatte handeln wir alle in großer Unsicherheit bei diesem Thema. Jede Entscheidung hat Konsequenzen, viele von ihnen können wir noch nicht absehen. Dennoch können Sie sicher sein, dass ich mich aufgrund besten Wissens und Gewissen für den EFES ausgesprochen habe.
Für meine Entscheidungen sind drei Dinge wichtig:
- Ich bin fest davon überzeugt, dass es keine billige Lösung mehr gibt. Den Rettungsschirm einfach abzulehnen, ist im Endeffekt die teuerste Lösung.
- Der Deutsche Bundestag gibt keine maßgeblichen Entscheidungen aus der Hand. Schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich die Koalition auf starkes Betreiben der FDP darauf geeinigt, dass die Bundesregierung neuen Hilfen nur dann in der EU zustimmen darf, wenn eine ausdrückliche Zustimmung des Deutschen Bundestages vorliegt. Es gibt also keinerlei Automatismus.
- Wir müssen erkennen, dass wir nicht allein in Europa sind. Deutschland hatte am Anfang für seinen Stabilitätskurs kaum Verbündete in Europa. Das ändert sich gerade. So hat etwa Spanien kürzlich eine Schuldenbremse in seine Verfassung aufgenommen, ein vor wenigen Monaten noch völlig undenkbarer Vorgang. Dass heißt aber auch, wir Deutsche müssen Kompromisse machen und können unsere Ziele nicht zu 100% durchsetzen. Wir Abgeordnete müssen jetzt entscheiden, ob die Kompromisse noch vertretbar sind, und ich bin zu der Ansicht gekommen, sie sind es.
Den Argumenten der "Rettungsschirm"-Gegner, wie Sie sie nennen, halte ich entgegen, dass es meiner Meinung nach keine realistische Alternative gibt. Sollte, was ich auf keinen Fall will, die Koalition an einem Nein der FDP zum ESM scheitern, dann würden in naher Zukunft Parteien über die Euro-Rettung entscheiden, die durch die Forderung nach Euro-Bonds nun wirklich jeden Zusammenhang von Krediten und eigener Haftung zerstören. Das kann nicht im Sinne der FDP sein.
Die FDP hat in Sachen Euro-Rettung wesentliche Erfolge erzielt: Wir haben dafür gesorgt, dass bei der Griechenland-Rettung der IWF an Bord ist, der sich jetzt wirklich um die Einhaltung der Kriterien kümmert. Wir haben eine so starke Beteiligung des Bundestages beim EFSF durchgesetzt, wie noch nie in einem entsprechenden Vertragswerk. Wir haben der Kanzlerin in Europa den Rücken gestärkt, die deutsche Stabilitätskultur in Europa nicht zur Disposition zu stellen. Ich bin dagegen, diese Erfolge zu verspielen. Deshalb habe ich dem EFSF zugestimmt. Aber wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die Stabilisierung des Euro ein längerer Prozess ist. Wir können nicht erwarten, dass nach einer einzelnen politischen Entscheidung in diesem oder im nächsten Jahr sofort alles gut ist.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen die Gründe und Argumente für meine Entscheidung darlegen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Bijan Djir-Sarai