Frage an Bettina Stark-Watzinger von Johannes M. bezüglich Senioren
Sehr geehrte Frau Stark-Watzinger,
wieso wird in der Diskussion um Altersarmut immer nur über die Bedrohung von Arbeitnehmern diskutiert? Es gibt viele Selbständige und Gewerbetreibende, die trotz langer Arbeitszeiten einen so geringen Gewinn erwirtschaften, dass sie ebenfalls zu wenig privat vorsorgen können. Ihre Situation ist mit Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor vergleichbar. In der Diskussion werden aber nur Konzepte zur gesetzlichen Rentenversicherung und betrieblichen Altersversorgung erwähnt, nicht aber Konzepte zur Altersabsicherung, die unabhängig davon greifen, wie man sein bisheriges Einkommen erzielt hat. Wie sieht Ihr Konzept aus, diese Art der Altersarmut zu vermeiden?
Teilweise ist die Situation von Selbständigen sogar schlimmer, weil sie wegen fehlender gesetzliche Rentenversicherungspflicht privat vorsorgen und dabei bei Rentenversicherungsverträge getäuscht wurden, bei denen private Versicherungskonzerne ganz legal die tatsächlichen Kosten der Verträge verschweigen dürfen. Wieso werden Versicherungsunternehmer nicht gezwungen anzugeben, wie hoch der Versicherungsanteil und wie hoch der Sparanteil der monatlichen Prämie wirklich ist. Nur so kann man ausrechnen, mit welchem Altersvermögen man nach Ablauf der Sparphase realistisch rechnen kann und einen Rentenvertrag mit einem reinen Fondssparvertrag vergleichen. Ohne dieser Verpflichtung zahlt man monatliche Beiträge in ein schwarzes Loch in der Annahmen es würde genügend übrig bleiben. Setzen Sie sich dafür ein, die Transparenz durch eine Gesetzesänderung zu erhöhen?
Mit freundlichen Grüßen
J. M.
65439 Flörsheim/Main
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Mail und Ihr Interesse an der Rentenpolitik der Freien Demokraten. Die Frage der Alterssicherung ist ein zentrales Thema für unsere Gesellschaft. Sie sprechen in Ihrer Mail ein Thema an, dass tatsächlich der besonderen Betrachtung bedarf, da es sich um die Selbständigen handelt.
Kurz gefasst lautet unsere generelle Position:
Wir wollen die Altersvorsorge nach einem Baukastenprinzip organisieren, damit jeder sich seine Elemente im Laufe seines individuellen Erwerbslebens selbst zusammenstellen kann. Wir setzen auf Vielfalt bestehend aus gesetzlicher Rente, betrieblicher und privater Vorsorge, die wir nicht abschaffen dürfen, sondern besser machen müssen – zum Beispiel durch mehr Verbraucherfreundlichkeit und Vergleichbarkeit der Produkte. Zudem sollte ergänzende Altersvorsorge auf eine breitere Basis gestellt werden. Dazu sollte die Möglichkeit ausgeweitet werden, auch in Aktien, Infrastruktur und Start-ups zu investieren. So könnte die Mitte der Gesellschaft auch stärker an den Chancen von Globalisierung und Digitalisierung teilhaben.
Das ganze System muss transparenter werden. Denn: Über 50 Prozent der Menschen sind nicht in der Lage, ihr Einkommen im Alter richtig einzuschätzen. Deswegen schlägt die FDP ein Online-Vorsorgekonto als datenschutzsicheres Angebot für jeden Bürger vor, das übersichtlich darlegt, welche Ansprüche bereits erworben wurden und wo eventuell nachgebessert werden muss.
Mit Blick auf die Selbständigen:
Schließlich wollen wir, dass die Menschen zwischen Tätigkeiten, Arbeitgebern und Beschäftigungsformen wechseln können, ohne dadurch Nachteile für ihre Alterssicherung zu erleiden: Wer etwa zwischen Anstellung und Selbstständigkeit wechseln will, darf nicht benachteiligt werden, sondern muss zum Beispiel seine Riester-Förderung behalten können. Diese soll daher künftig ganz einfach allen zur Verfügung stehen. Wir Freie Demokraten wollen die berufsständischen Versorgungswerke und die Möglichkeit zur Gründung weiterer Versorgungswerke dauerhaft erhalten. Zunehmend sind ehemalige Selbstständige auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen, für die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufkommen müssen. Um dieser Gefahr vorzubeugen, sollen Selbstständige künftig für eine Basisabsicherung im Alter vorsorgen. Dies soll zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen. Alle Selbstständigen, die nicht Pflichtmitglied in einem berufsspezifischen Alterssicherungssystem sind, sollen dabei die Freiheit haben, ihre Vorsorgeform selbst zu wählen. Zusätzlich zu dieser Wahlfreiheit wollen wir weitreichende Übergangsvorschriften und Karenzzeiten bei jeder Gründung schaffen.
Sie äußern in Ihrer Frage auch, dass die Versicherungskonzerne die tatsächlichen Kosten verschweigen dürfen. Hier hat sich seit der Reform des Versicherungsvertragsrechts (2008) einiges getan. Die Lebensversicherer müssen die kalkulatorischen Kosten bereits bei Angebotserstellung angeben. Die tatsächlichen Kosten liegen im Regelfall unter diesen Ansätzen, werden aber nicht auf Einzelvertragsebene ermittelt. Inzwischen müssen die Versicherer nach gesetzlicher Vorgabe auch die Effektivkostenquote angeben. Das ist die durchschnittliche Minderung der Rendite auf die Sparanteile durch die gesamte Kostenbelastung im Vertragsverlauf. Damit hat man ein gutes Instrument, um mit Alternativen vergleichen zu können.
Der Sparanteil ist auf Grund des Produktcharakters meist nicht fix, sondern kann sich im Zeitverlauf ändern (in der Regel erhöhen). Das ist für den Verbraucher in der Regel nicht leicht nachzuvollziehen. Entscheidend ist, dass die Versicherer bei Angebotserstellung die garantierten Leistungen und die möglichen Gesamtleistungen (inkl. Überschüssen) angeben müssen. Diese Informationen werden im Vertragsverlauf aktualisiert und jährlich mitgeteilt. Fakt ist aber, dass aufgrund der Kapitalmarktentwicklung die Überschussbeteiligungen unterliegen.
Von einem „schwarzen Loch“ würde ich also bei der Darstellung der Produkte nicht sprechen. Die Komplexität des Themas zeigt, dass hier Verbesserungspotenzial liegt – wir fordern daher das transparente Altersvorsorgekonto.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Stark-Watzinger