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Bettina Kudla
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Frage von Helmut W. •

Frage an Bettina Kudla von Helmut W. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Kudia,

in der heutigen FAZ habe ich den Protestaufruf der Ökonomen gelesen ( Offener Brief) . Mit großer Bange sehe ich unserer Zukunft Deutschland entgegen. Was tuen unsere Abgeordneten im Bundestag dazu. Ich stelle mir die Frage wer soll für die Schulden in Zukunft aufkommen und wie blöd werden die Bürger hingestellt. Was ist Ihre Meinung - wir haben Sie doch gewählt und müßten doch unsere Bedenken im Bundestag verträten.

In der Hoffnung eine Antwort zu erhalten verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Helmut Wiebach

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wiebach,

die Eurothematik werden wir nur lösen können, wenn wir uns ernsthaft mit den Argumenten der Kritiker auseinander setzen.

Die Interessen der Bürger und der Schutz der Einkommen und des Vermögens der Bürger ist für mich oberstes Ziel.

Näheres entnehmen Sie bitte dem Leitartikel meines Newsletters.

" die wohl wichtigste Entscheidung in dieser Legislaturperiode steht am 29. Juni 2012 mit der Beschlussfassung über den Fiskalpakt und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) an. Und dabei hatte es bereits schon die letzte Sitzungswoche in Berlin in sich. Nachdem tagelang in der Presse ein regelrechter „Hype“ wegen Spanien entstanden war, teilte uns die Bundesregierung mit, dass man aus dem Europäischen Rettungsschirm EFSF oder ggf. auch aus dem noch zu beschließenden ESM 100 Milliarden Euro an spanische Banken ausreichen wolle. Die Art, wie mit den Rechten des Parlamentes umgesprungen wurde, ist äußerst problematisch. Eine schriftliche Information an die Abgeordneten erfolgte, mit Ausnahme einer Erklärung der „Euro-Gruppe“, nicht – es geht ja auch nur um 100 Milliarden Euro. Man hat den Eindruck, als wäre jede vernünftige Relation verloren gegangen. So sind für die Stützung ausländischer Banken hunderte Milliarden vorhanden, es ist dem Bund jedoch nicht möglich, sich mit 500.000 Euro am Jubiläum der Völkerschlacht 2013 zu beteiligen, ebenso wenig ist Geld für die so wichtige Elektrifizierung der Bahnstrecke Leipzig-Chemnitz vorhanden.
Bisher liegt noch kein Antrag der spanischen Regierung auf Stützung vor. Man muss jedoch festhalten, dass die Rettungsschirme ursprünglich nicht für große Länder wie Spanien (viertgrößte Volkswirtschaft der Eurogruppe) gedacht waren. Bestenfalls sollten hier präventive Instrumente wie z. B. die Stützung von Banken genutzt werden. Diese vier Instrumente zur Stabilisierung des Marktes (Bankenhilfe, Ankäufe von Anleihen auf dem Primär– oder Sekundärmarkt und direkte Darlehensvergabe) kamen erst nach Beschlussfassung des EFSF als sog. Guidlines, also eine Anwendungsverordnung des EFSF, ins Gespräch. Bereits damals stellte sich die Frage, ob mit der Anwendung der Guidelines nicht die eigentliche Intention des EFSF, so wie er beschlossen worden war, grundlegend verändert wurde.

Neu ist auch, dass es sich bei den in Rede stehenden Banken nicht um systemrelevante Banken handelt. Das macht die Sache noch brisanter. Bisher wurden Rettungsschirme nur dadurch gerechtfertigt, dass das System als Ganzes, also der Euro als unsere gemeinschaftliche Währung, gefährdet sei. Jetzt wird behauptet, ein gleichzeitiger Zusammenbruch mehrerer Banken in Spanien sei bereits systemrelevant. Hilfen aus den Rettungsschirmen sollten nur ein letztes Mittel, also eine Ultima Ratio, sein. Man gewinnt den Eindruck, Ultima Ratio ist jetzt immer. Und genau das wäre die Transferunion.
Trotz dieser Problematik legte der Bundestag vergangene Woche sein Augenmerk lieber auf das Betreuungsgeld. Das absichtliche Verlassen des Plenums seitens der Opposition letzten Freitag führte zur Beschlussunfähigkeit und zum Abbruch der Bundestagssitzung. Man kann zum Betreuungsgeld stehen wie man will, aber diejenigen Abgeordneten, die bei diesem Spiel der Opposition mitgemacht haben, sollten sich schon den Vorwurf gefallen lassen, dass sie auf ein bewusstes Ablenkungsmanöver der Opposition hereingefallen sind. Die sächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten waren fast vollzählig vertreten. Festzuhalten ist jedenfalls, dass man mit dem deutschen Anteil von 27 Milliarden (von 100 Milliarden insgesamt) möglicher Hilfe für spanische Banken viele gute Projekte wie z.B. das Betreuungsgeld (ca. 1,5 Milliarden pro Jahr) für unsere Bevölkerung durchführen könnte. Darüber hätte man debattieren müssen.

Es wird der Eindruck erweckt, als sei die jetzige Bundesregierung Schuld an den Problemen. Dabei hat die damalige rot-grüne Bundesregierung langfristig die Weichen in Europa falsch gestellt; dies insbesondere durch das Aufweichen der Stabilitätskriterien im Jahr 2003. Aber auch europäische Institutionen haben versagt. Die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) haben damals neben der rot-grünen Bundesregierung, gegen die Stimmen der CDU, die Aufnahme der südeuropäischen Länder in den Euro befürwortet.

Die jetzigen Probleme sind in dieser Form noch nie da gewesen. Um so größer ist die Gefahr falscher Entscheidungen. Das zentrale Risiko der anstehenden Beschlüsse liegt in der Einhaltung der Obergrenze des Rettungsschirms ESM von immerhin 700 Milliarden Euro. Deutschland haftet für diese Summen mit 27 Prozent. Die Haftung kann sich allerdings erhöhen, wenn andere Länder selbst unter den Rettungsschirm flüchten und somit als Partner ausfallen.
Die Skepsis gegenüber der Entwicklung in Europa und den anstehenden Bundestagsbeschlüssen wächst. Die Bedenken verstärken sich, dass nichts besser wird, wenn Deutschland Kompetenzen nach Brüssel abgibt. Der Fiskalpakt sieht eine solche Kompetenzenabgabe vor. So soll die Haushaltssituation in anderen Ländern durch Eingriffsmöglichkeiten der europäischen Institutionen gesteuert werden können. Es stellt sich die Frage, ob andere Staaten den Fiskalpakt nur deswegen umsetzen wollen, weil dies eine Voraussetzung dafür ist, dass man Gelder aus dem ESM bekommt. Hier gilt: Der beste Arzt nützt nichts, wenn der Patient nicht den Willen hat und eigene Anstrengungen unternimmt, gesund zu werden.
Die Opposition im Bundestag (SPD, Grüne und Linke) will, dass Deutschland für die Schulden anderer Länder von vornherein haftet. Was das für die Einkommen und Ersparnisse der Bürger bedeutet, scheint diesen drei Parteien überhaupt nicht bewusst zu sein. Deshalb kann man eine solche Forderung nur als Irrsinn bezeichnen.

Insgesamt halte ich die Entwicklung für höchst problematisch. Der massive Abfluss von privatem Kapital aus den südeuropäischen Ländern ist Ausdruck eines immensen Vertrauensverlustes. Die anderen europäischen Staaten können hier keinesfalls über die Rettungsschirme ausgleichend einspringen. Die privaten Geldgeber ziehen sich aus den südeuropäischen Banken zurück und die anderen europäischen Staaten sollen diesen Rückzug finanzieren. Dies ist unrealistisch.

Im Grunde ist das Thema Bankenhilfe auch Ausdruck der Problematik der so genannten Target-Salden. Target-Salden bedeuten nichts anderes, als dass sich vor allem südeuropäische Banken bei der Europäischen Zentralbank Geld leihen, um Kredite für die Privatwirtschaft zu finanzieren. Die Banken nehmen das Geld bei der EZB auf, da sie von den Anlegern kaum mehr Geld bekommen oder diese ihr Geld abheben. Die Höhe der Target-Salden ist mittlerweile auf über 500 Milliarden Euro angestiegen. Sie überschreitet damit bei weitem die „übliche“ Geldleihe bei der EZB. Deutschland haftet über die Deutsche Bundesbank mit 27 Prozent für das Ausfallrisiko dieser Kredite. Neben den Rettungsschirmen hat sich also in fast gleicher Höhe ein zusätzliches Risiko aufgebaut. „Kauf auf Pump in Südeuropa“ bedeutet in vielen Fällen nichts anderes als „Kauf auf Target“. Dies sind unter anderem die Gründe, warum der Austritt eines Staates aus der Eurozone nicht einfach bewältigt werden kann. Bei einem Ausscheiden Griechenlands müsste allein die Deutsche Bundesbank einen Anteil von 28 Milliarden Euro an Target und Anleihebeständen abschreiben. Das heißt, der Bund müsste (unabhängig von den Rettungsschirmen) Geld in die Bundesbank nachschießen. Die Bundesregierung muss ein Konzept zum Abbau der Target-Salden entwickeln. Allein mittelfristig auf den Abbau der Leistungsbilanzdefizite in den Südländern zu setzen, wird der Problemlage nicht gerecht.

Insgesamt halte ich eine Kurskorrektur der Bundesregierung in Sachen Europa-Politik dringend für erforderlich. Unsere Regierung darf es nicht zulassen, dass Finanzierungsprobleme der Privatwirtschaft der südeuropäischen Länder in unsere deutschen Wohnzimmer schwappen und unsere Bürger in Haftung nehmen.
Im aktuellen Berliner Brief finden Sie auch Informationen zur Energiepolitik, zum Reformationsjubiläum und zur deutschen Forschungslandschaft. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre sowie gute, erfolgreiche und auch erholsame Sommermonate!
Mit herzlichen Grüßen

Wichtige Informationen zu den bevorstehenden Beschlüssen zur Stabilität unserer Währung gibt es auf meiner Homepage www.bettinakudla.de und in meinem Wahlkreisbüro:
Faktensammlung zu Fiskalvertrag und Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) des Bundesministerium der Finanzen.
Wie funktionieren automatische Sanktionen? Diese und elf andere Fragen zum Fiskalvertrag beantwortet Ihnen eine Broschüre der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Gesetzesentwurf zur Einrichtung des ESM (Drs. 17/9045) und weitere Informationen zur Stabilität, Steuerung und Koordinierung in der Wirtschafts- und Währungsunion.
16 Thesen zur Situation der Europäischen Währungsunion, Bogenberger Erklärung der Freundesgesellschaft des ifo Instituts und des Vorstands des ifo Instituts.
In der „Allianz gegen den ESM“ fordern zehn CDU/CSU- und FDP-Abgeordnete, der Bund der Steuerzahler und weitere einen Richtungswechsel in der europäischen Krisenpolitik. Die Antwort von Dr. Michael Meister MdB, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Fraktion lautet: „Wir benötigen eine Allianz für den Euro –alles andere führt in die Irre!“ Die Erklärung von Dr. Peter Gauweiler MdB zur Einvernehmenserklärung des Deutschen Bundestages bezüglich der Einrichtung des ESM.
Der Münchner Strafrechtler Prof. Dr. Bernd Schünemann beschäftigt sich intensiv mit den Risiken der Target-2-Operationen der Deutschen Bundesbank."

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Kudla MdB