Frage an Bettina Hoffmann von Heike R. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
ich gebe zu, beim derzeitigen Stand der Technik halte ich die angestrebete E-Mobilität für verwerflich und vorsätzlich rücksichtslos gegenüber den Menschen.
Auch die Grünen treiben diesbezüglich Merkel vor sich her, immer mit dem "Totschlagargument", wir müssen CO2 reduzieren. Wenn man dies ehrlich meinen würde, müsste die Wasserstofftechnologie als derzeit einzig nachhaltige Lösung gefördert werden.
Den Elektroautos gehört die Zukunft, das hört man immer öfter. Eine Zukunft, die vielen Menschen in Chile verbaut wird, weil dort das Lithium für die Akkus abgebaut wird.
Weshalb fragt eigentlich kein Grüner, wo die Rohstoffe für die Batterien herkommen? Wie diese gewonnen werden? Was wir damit irreversibel Menschen und Natur antun? Ist es nicht perfide, unsere Klimapolitik zu Lasten Anderer und der vorsätzlichen Zerstörung deren Lebensraumes durchzusetzen?
Wobei nicht nur Chiles Umwelt zerstört wird.
Auf nachhaltigen Abbau zu setzen ist doch ein lächerliches, wenn nicht sogar verlogenes Lippenbekenntnis, dem der Profit entgegen steht. Dies ist doch allen klar, weshalb den Grünen eigentlich nicht?
Wenn es um Textilien aus Bangladesh geht, die von Kindern unter erbärmlichsten Umständen gefertigt werden, sind die Grünen doch auch interessiert. Warum nicht, wenn es um diejenigen geht, die den Preis für unsere verkorkste Klimapolitik zahlen?
Quelle: https://www.mobilegeeks.de/news/chile-zahlt-einen-hohen-preis-fuer-unser-aller-elektromobilitaet/
Eine letzte Frage noch, ich bitte dabei um eine klare und eindeutige Antwort, bitte keine Plattitüde oder "Geschwafel":
Was soll ich den Menschen in Chile sagen, weshalb für unsere Klimaziele deren Lebensraum und Umwelt zerstört wird? Bitte geben Sie mir dazu eine Antwort, die plausibel ist und von den dortigen Opfern unserer Klimapolitik auch verstanden wird. Und zwar von den einfachen Menschen, den Betroffenen, nicht von irgendwelchen akademischen Eliten.
Mit freundlichem Gruß
Dr. med. H. R.
Sehr geehrte Frau Dr. R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Der Verkehr ist für ein Fünftel der Treibhausgasemissionen verantwortlich – zuletzt ist der CO2-Ausstoß der Verkehrssektors sogar angestiegen. Auch für die gesundheitsgefährdende Luftbelastung in vielen Innenstädten ist der Autoverkehr maßgeblich verantwortlich. Wir Grüne fordern daher bis 2030 den Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor. Im Pkw-Bereich bevorzugen wir unter den alternativen Antrieben die Elektromobilität, da hier die Modellvielfalt stark wächst und der Strom direkt und ohne Umwandlungsverluste genutzt werden kann. Der Stromeinsatz für den Wasserstoffantrieb ist rund zwei- bis dreimal größer als für das batterieelektrische Fahren. Verschiedene Modellrechnungen des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) zeigen zudem, dass batterieelektrische Fahrzeuge über die gesamte Lebensdauer eine bessere Klimabilanz aufweisen als Pkw mit Verbrennungsmotor.
Um die Klimaziele zu erreichen braucht es aber eine grundlegende Verkehrswende: Weniger motorisierter Individualverkehr, Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, konsequente Förderung des Umweltverbunds aus ÖPNV, Fahrrad- und Fußverkehr. Verkehrswende heißt nicht, die aktuell 47 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor durch 47 Millionen batterieelektrische Pkw zu ersetzen.
Ziel einer grünen Verkehrswende ist es, mehr Mobilität bei weniger Verkehr - und somit auch mit weniger Fahrzeugen - zu ermöglichen. Nur so kann es gelingen, auch den Ressourcenfußabdruck der Mobilität zu senken. Gerade mit Blick auf Rohstoffe wie Lithium und Kobalt, deren Abbau häufig mit Menschenrechtsverletzungen und zum Teil irreversiblen Umweltschäden verbunden ist, ist das eine riesige Herausforderung. Wir Grüne stellen uns dieser Herausforderung. Ende Oktober haben wir in einem Fachgespräch im Bundestag zusammen mit Expertinnen aus Wissenschaft, Verbänden und Industrie über Maßnahmen und Instrumente diskutiert, wie der Rohstoffbedarf der Elektromobilität und die schädlichen Folgen des Rohstoffabbaus verringert werden können (https://www.gruene-bundestag.de/themen/mobilitaet/rohstoffbilanz-der-elektromobilitaet-verbessern ).
Notwendig sind beispielsweise ein verbindlicher Menschenrechtsschutz und unternehmerische Sorgfaltspflichten entlang der internationalen Lieferketten. Statt weiterhin auf die Ausbeutung von natürlichen Rohstofflagerstätten zu setzen, wollen wir das Recycling konsequent fördern. In unseren Smartphones, Tablets und anderen Elektrogeräten lagern schon jetzt große Mengen wichtiger Rohstoffe - diese "anthropogenen" Rohstofflager wollen wir konsequent erschließen. Die Technik für hochwertiges Recycling von Batterien und Elektrogeräten steht heute bereits zur Verfügung, allerdings werden viel zu wenig Altgeräte überhaupt für ein hochwertiges Recycling erfasst. Über die Hälfte aller Elektroaltgeräte in Deutschland wird illegal entsorgt oder exportiert. Alleine aus diesen Geräten ließe sich jedes Jahr Kobalt für drei bis vier Millionen Elektrofahrzeuge zurückgewinnen.
Um den Bedarf an Primärrohstoffen für Elektromobilität, Smartphones und Tablets oder andere Elektrogeräte zu senken, brauchen wir geschlossene Wertstoffkreisläufe. Das schont das Klima, verringert den Ressourcenfußabdruck der Produkte und hilft, die ökologischen und sozialen Folgen unseres Konsums in den Abbauländern und insbesondere für die lokalen Gemeinschaften vor Ort zu senken.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bettina Hoffmann