Frage an Bettina Hoffmann von Werner M. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
in den Medien häufen sich die Reportagen zum Thema „ChemCycling / Pyrolyse .
Echtes Recycling für Mischkunststoffe, welche heute oftmals in Schwellenländern zu einem sehr großen Teil verbrannt oder einfach in der Natur (auch im Meer) entsorgt werden, unter dem Deckmantel Recycling.
Ich habe mich ausgiebig darüber informiert, dieses Verfahren funktioniert tatsächlich und es wurden auch schon neue Produkte mit 100% recyceltem Material hergestellt.
An der TU Dresden, Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft, wurde genau zu diesem Thema geforscht, mit dem Ergebnis, dass diese Form des Kunststoffrecycling, also die Umwandlung von Plastik (Mischkunststoffe) in Rohstoffe für einen richtigen Ansatz zur nachhaltigen Verwendung von Kunststoffabfällen führt und gleichzeitig Ressourcen geschont werden.
Meine Frage, wie unterstützt Ihre Partei diese wirklich gute Idee und was tun Sie dafür.
Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
W. M.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wie Sie in Ihrer Anfrage richtigerweise ausführen, zeigt die aktuelle Berichterstattung über den Export von Kunststoffabfällen aus Deutschland in Staaten wie Malaysia einmal mehr, dass wir in Deutschland noch weit von einer echten Kreislaufwirtschaft entfernt sind. Häufig werden die exportierten Kunststoffabfälle keinem hochwertigen Recycling zugeführt, sondern werden verbrannt oder landen auf ungesicherten Deponien und können so in die Umwelt gelangen. Dennoch fließen die Abfallexporte teilweise in die deutsche Recyclingquote als recycelte Kunststoffabfälle mit ein, obwohl häufig kein Nachweis über die tatsächliche Verwertung besteht. Es ist davon auszugehen, dass in Deutschland nicht einmal 20 Prozent der Kunststoffabfälle tatsächlich recycelt werden.
Auf den ersten Blick scheint chemisches Recycling ein interessanter Ansatz, um die Recyclingquote zu erhöhen und damit mehr Wertstoffe im Kreislauf zu führen. Tatsächlich sind wir davon in Deutschland und Europa noch weit entfernt. Wir haben in den vergangenen Monaten viele Gespräche mit der chemischen Industrie zu diesem Thema geführt und es wurde klar, dass noch mindestens zehn Jahre vergehen werden, bis die Verfahren marktreif sind. Das von Ihnen angesprochene Forschungsprojekt der TU Dresden ist nur ein Beispiel, wie man in dem Bereich weiter vorankommen will.
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen sucht nach ökologisch nachhaltigen und kurzfristig umsetzbaren Lösungen, um die Kreislaufwirtschaft in Deutschland konsequent zu stärken. Ein erster notwendiger Schritt ist es, einen ambitionierten und verlässlichen Rechtsrahmen für hochwertiges werkstoffliches Recycling zu schaffen. Einige Vorreiter zeigen bereits heute, dass hochwertiges Recycling in modernen Anlagen möglich ist. Diese Bemühungen wollen wir weiter stärken, hin zu einer echten Kreislaufführung von Produkten.
Beim werkstofflichen Recycling bleibt der Kunststoff als Ausgangsstoff erhalten. Es ist dadurch weniger energieintensiv und dem chemischen Recycling aus ökologischer und ökonomischer Sicht vorzuziehen. Ein hochwertiges werkstoffliches Recycling setzt allerdings sortenreine Stoffströme und recyclingfreundliches Design voraus. Deshalb fordern wir Grüne im Bundestag, dass bis 2030 alle Kunststoffprodukte so gestaltet sein müssen, dass sie kosteneffizient werkstofflich recycelt werden können.
Würden die gesetzgeberischen Weichen jetzt so gestellt, dass neben dem werkstofflichen auch ein chemisches Recycling gleichberechtigt zugelassen wäre, blieben die Optimierungspotenziale des werkstofflichen Recyclings ungenutzt. Statt eine Hintertür für ein einfaches Weiter-so mit umweltschädlichen und nicht-recycelbaren Verpackungen zu öffnen, wollen wir einen echten Wandel hin zu weniger Verpackungen, recyclingfreundlichem Produktdesign und Einsatz von recycelten Kunststoffen.
Chemisches Recycling kann aus unserer Sicht keine Alternative zum werkstofflichen Recycling darstellen. Allenfalls für einzelne Restfraktionen, die keinem werkstofflichen Recycling mehr zugeführt werden können, können chemische Verfahren sinnvoll sein, bevor wertvolle Rohstoffe in Müllverbrennungsanlagen vernichtet werden. Wir werden auch weiterhin im Austausch mit Industrie und Universitäten bleiben, um zu diskutieren, wie für diese Abfallfraktionen eine ökologisch sinnvolle Integration des chemischen Recyclings in das Kreislaufwirtschaftssystem gestaltet werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bettina Hoffmann