Frage an Bettina Hagedorn von Johanna L. bezüglich Wirtschaft
Liebe Frau Hagedorn,
wie werden Sie im Bundestag zur Frage der Autokaufprämien abstimmen?
Für mich ist diese Idee ein "geht gar nicht". Die Corona-Pandemie braucht andere, umweltfreundliche Lösungen. Corona hat viele Kranke und viele Tote gefordert, wobei wir hier in Deutschland - und ganz besonders in Ostholstein - bisher noch sehr glimpflich davongekommen sind. Der Klimawandel wird, wenn wir ihn nicht stoppen, noch viel härter zuschlagen. Auch dabei schneiden wir voraussichtlich besser ab, als südlichere und ärmere Länder. Nichtsdestotrotz sind wir - und vielleicht ganz besonders wir - herausgefordert, alles uns Mögliche zu tun, um den Klimawandel zu stoppen. Dazu gehört, dass der Autoverkehr verringert gehört, statt ihn noch stärker in Fahrt zu bringen. Außerdem scheint mir diese Prämie unsoziel zu sein. Sie nützt eh nur den Wohlhabenden. Die anderen können sich auch mit Prämie kein neues Auto leisten.
Sinnvoller wären z.B. Kaufprämien für E-Bikes, Maßnahmen für einen zeitgemäßen Ausbau von Radwegenetzen in den Städten, aber auch auf dem Land, Ausbau und Anreize des öffentlichen Verkehrs (natürlich auch auf klimafreundliche Art und Weise), autofreie Innenstädte... Das würde auch zu mehr Gesundheit der Bevölkerung beitragen. Als Radfahrerin spreche ich da aus eigener Erfahrung.
Es macht keinen Sinn, den Autoverkehr zu stärken, statt ihn zu reduzieren und von ökologischen Varianten zu ersetzen, wo immer das möglich ist.
Es geht um unser alles Überleben und das unserer Kinder und Enkel.
Die Natur und das Klima lassen nicht mit sich verhandeln.
Ja, es ist erforderlich, dass die Wirtschaft wieder auflebt. Das ist auch möglich, vielleicht sogar erst recht möglich, auf klimafreundliche Art und Weise.
Ich setze auf Sie und auf einen einsichtigen Bundestag, der vernünftig, im Sinne von Klimaschutz, entscheidet; der sich nicht von Lobbyisten steuern lässt.
Danke, dass Sie an diesem Platz sind.
Mit herzlichem Gruß
J. L.
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihr Schreiben auf abgeordnetenwatch.de vom 03. Juni 2020, in dem Sie mich nach meinem Abstimmungsverhalten im Bundestag zur Autokauf-Prämie befragen, weil Sie ganz offensichtlich wie selbstverständlich unterstellt haben, dass im zu verhandelnden Konjunkturpaket der Bundesregierung eine solche Abwrackprämie bzw. Autokaufprämie definitiv enthalten sein würde.
Als das Paket am 3. Juni spät abends von Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Finanzminister Olaf Scholz nach 21 Stunden (!) Verhandlungsmarathon im Umfang von insgesamt 130 Milliarden Euro (davon 120 Milliarden Euro allein vom Bund finanziert!) öffentlich vorgestellt wurde, war schnell klar, dass sich die SPD in vielen Punkten durchsetzen konnte – u.a. auch mit der Verhinderung einer Auto-Abwrackprämie, obwohl diese zunächst sowohl von der CSU wie auch vom CDU-Wirtschaftsflügel vehement gefordert worden war. Ich bin sehr froh, dass uns Sozialdemokraten dieser Verhandlungserfolg trotz des massiven Lobbyismus im Sinne der Automobilbranche in Deutschland im Vorwege des Koalitionsgipfels gelungen ist.
Bereits mit dem Klimaschutzprogramm 2030 haben wir 2019 VOR Corona viele Maßnahmen für nachhaltige Mobilität auf den Weg gebracht. Mit den Beschlüssen zum Konjunkturpaket schalten wir jetzt noch „einen Gang hoch“, damit die aktuelle Situation von den Kommunen und Ländern für eine mutige und nachhaltige Verkehrswende genutzt wird. Der „Lockdown“ hat gerade im Verkehr für einschneidende Veränderungen gesorgt und ermöglicht jetzt eine tiefgreifende Modernisierung des Verkehrssystems und der Verkehrsmittel. Dabei geht es nicht nur um die Reduzierung der Pkw-Anzahl und die Förderung einer Umstellung auf Elektromotoren, sondern auch um die Erweiterung von Alternativen zum privaten Autobesitz. Dazu braucht es ein besseres Angebot im ÖPNV, der als integriertes Tür-zu-Tür-Angebot (wie der „Bürgerbus“ in einigen Teilen Ostholsteins) an jedem Ort und zu jeder Zeit auf digitalen Plattformen attraktiver wird. Klar ist, dass diese Mobilitätswende mit dem Schwerpunkt „Öffentlicher Personennahverkehr“ (ÖPNV) bei Regionalbahnen und Bussen die Aufgabe von Kreisen, Kommunen und der Länder ist. Der Bund hat bei diesem Thema in unserem föderalen System keine eigene Zuständigkeit. Gleichwohl unterstützt der Bund insbesondere mit seinem Klimapaket und jetzt mit dem Konjunkturpaket diese klimafreundliche Mobilitätswende durch massive finanzielle Unterstützung der Länder und Kommunen maßgeblich. Wichtig ist: Die Maßnahmen sollen der Umwelt, der Wirtschaft, Arbeitnehmern und Unternehmen gleichermaßen sowie vor allem auch den Familien zugutekommen:
• Durch die Umweltprämie wird der Austausch von Auto mit Verbrennungsmotoren durch klima- und umweltfreundlichere Elektrofahrzeuge gefördert. Hier investiert der Bund 2,2 Mrd. Euro, um den Austausch zu emissionsfreien Fahrzeugen zu beschleunigen und verdoppelt daher seinen Anteil am Umweltbonus. Das bedeutet zum Beispiel, dass bis zu einem Nettolistenpreis des E-Fahrzeugs von 40.000 Euro die Förderung des Bundes von 3.000 auf 6.000 Euro steigt. Diese Maßnahme ist befristet bis 31.12.2021.
• Weitere 2,5 Milliarden Euro gehen in den Ausbau der Ladesäulen-Infrastruktur, die Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der Elektromobilität und in die Batteriezellfertigung. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist die notwendige Voraussetzung zur Verbreitung der E-Mobilität. Weitere wichtige Bestandteile sind ein einheitliches Bezahlsystem für Ladesäulen, Ladepunkte an allen Tankstellen und der bessere Zugang zu öffentlichen Ladesäulen zum Beispiel bei Kitas, Krankenhäusern, Stadtteilzentren, Sportplätzen.
• Wir fördern außerdem die, die für die Menschen gemeinwohlorientiert – gerade auch im ländlichen Raum - unterwegs sind: für Soziale Dienste wird ein auf die Jahre 2020 und 2021 befristetes Flottenaustauschprogramm „Sozial & Mobil“ aufgelegt, um Elektromobilität im öffentlichen Bereich zu fördern und gemeinnützige Träger bei der Flottenumrüstung zu unterstützen. Außerdem wird das befristete Flottenaustauschprogramm für Handwerker und kleine und mittlere Unternehmen für Elektronutzfahrzeuge bis 7,5 t zeitnah umgesetzt.
• Die Kfz-Steuer für Pkw wird stärker an CO2-Emissionen ausgerichtet: Ab 2021 müssen Besitzer für klimaschädliche Autos mehr Geld zahlen – diejenigen sauberer Autos weniger. Zudem wird die bereits geltende zehnjährige Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für reine Elektrofahrzeuge bis zum 31.12.2025 gewährt und bis 31.12.2030 verlängert.
• Für den Umstieg auf E-Mobilität im Nahverkehr wird die Förderung mit 1,2 Mrd. Euro für Busse mit klimafreundlichen Antrieben aufgestockt- für private und kommunale Betreiber gleichermaßen. Weiterhin erhält die Deutsche Bahn weitere 5 Mrd. Euro Eigenkapital vom Bund, da sie in der Coronakrise deutliche Einbußen verkraften musste, damit die Takte dichter und das Schienennetz besser werden können. Daneben soll ebenfalls die Schifffahrt als klimafreundliches Verkehrsmittel für 1 Mrd. Euro modernisiert und digitalisiert werden.
• Die Bundesregierung wird kurzfristig die „Nationale Wasserstoffstrategie“ vorlegen, womit der Grundstein für neue Exporttechnologien gelegt und in die Energieversorgung von morgen investiert wird – Wasserstofftechnologie „made in Germany“. Konkret sollen bis 2030 5 GW und möglichst bis 2035 10 GW Elektrolysekapazitäten aufgebaut werden. Wir wollen die Produktion „grünen“ Wasserstoffs stärker als bisher fördern und werden Unternehmen bei der Entwicklung und klimafreundlichen Prozessumstellung unterstützen.
Dieses Konjunkturpaket zeigt ganz klar: Die SPD versteht den Klimawandel nicht nur als Bedrohung, sondern dessen Bewältigung gleichzeitig als eine Chance in den wichtigsten Wettbewerbsfeldern für deutsche Unternehmen. Deutschland und Europa haben gerade jetzt die Chance, in den kommenden Jahren die Technologien für klimaneutrales Wirtschaften zu liefern. Dazu müssen wir die bereits begonnene Transformation unserer Wirtschaft noch verstärken und beschleunigen - das gilt insbesondere für die Automobilindustrie.
Ich verstehe Ihre Sorge, dass Aspekte im Konjunkturpaket auf gar keinen Fall „unsozial“ wirken oder überwiegend den Wohlhabenden nützen dürfen. Darauf haben wir Sozialdemokraten mit unserem „Chef-Verhandler“ Olaf Scholz ganz besonders geachtet. Die befristete Senkung der Umsatzsteuer von 19 auf 16% bzw. von 7 auf 5% wird die Verbraucher z.B. um rund 20 Milliarden Euro entlasten, wodurch gerade Menschen mit geringen Einkommen erreicht werden. Aber auch die einmalige Auszahlung eines „Kinderbonus“ von 300 Euro pro Kind (auszahlbar automatisch mit dem Kindergeld!) wird dafür sorgen, dass Familien mit Kindern etwas mehr Geld im Portemonnaie haben – auch jene Eltern erhalten diesen Bonus, die Arbeitslosengeld II beziehen.
Fakt ist: Die Maßnahmen zur konjunkturellen Belebung müssen jetzt rasch dort ankommen, wo sie am meisten gebraucht werden und wo sie die beste konjunkturelle Wirkung entfalten können. Dabei liegt der Fokus darauf, Arbeitsplätze zu sichern, niedrige und normale Einkommen zu unterstützen und dadurch den Alltag vieler Bürger zu erleichtern. Gleichzeitig wollen wir die Nachfrage erhöhen und damit auch dafür sorgen, dass z.B. kleine Einzelhändler und Restaurants in der Krise „die Kurve kriegen“. Mit diesen milliardenschweren Ausgaben wollen wir aber auch die richtigen Anreize setzen, damit unser Land gestärkt aus der Krise hervorgeht und für die Zukunftsaufgaben wie den Klimawandel und die Digitalisierung gut gerüstet ist.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn