Frage an Bettina Hagedorn von Klaus M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Hagedorn,
die Grünen haben im Bundestag den Antrag Drucksache 19/7769 v. 13.02.2019 gestellt, für Verbesserungen für die psychosoziale Betreuung der Organempfänger und ihrer Angehörigen.
Eine Organübertragung von sterbenden auf todkranke Menschen, führt, wenn der Patient die Operation überlebt, zu einer Zwangseinnahme von Medikamenten, die gesunde Organe angreifen. Sie sind äusserst gesundheitsschädlich, bis hin zum Todeswunsch https://www.sueddeutsche.de/bayern/organspende-ueberleben-1.4262402
Wie stehen Sie zu diesem Antrag?
Die andere Seite ist der Explantierte (Zergliederte) und dessen Angehörige. Würden Sie diesen Antrag auf die Angehörigen des Explantierten erweitern?
Besonders problematisch ist die Situation, wenn Kinder explantiert werden sollen.
Nach einer vollständigen Verwertung von Organen und Geweben, kann der Explantierte keine Schmerzen mehr haben, aber dessen Angehörige.
Eine Mutter, deren Kind Organe und Gewebe entnommen wurden, zeigt gravierenste Schäden auf, die sie erlitten hat, bei dem Gedanken, dass ein nahestehender Mensch mit Messern und Knochensägen zerteilt (vgl. Fleischindustrie) und in ganz Europa verschickt wurde https://gesundheitsberater.de/organspende-nie-wieder-organtransplantation-aus-der-sicht-einer-betroffenen/ Diese Menschen benötigen händeringend lebenslang psychosoziale Betreuung.
Selbst renommierteste Top-Explanteure sagen „Die Vorgeschichte für die Spende ist ja eine Katastrophe für die Beteiligten“ https://www.tagesspiegel.de/berlin/diskussion-um-organspenden-transplantation-funktioniert-nur-mit-spendern/23015154.html
Wäre es aus diesem Grund nicht dringenst geboten, weiteres Leid zu verhindern und Zergliederungen von lebenden Menschen (Gehirntod) für unter 18-Jährige zu verbieten?
Wie hoch schätzen Sie als verantwortliche Bundestagsabgeordnete die Kosten für die lebenslange psychosoziale Betreuung der Angehörigen der Ex-/Transplantierten, die ja weit über den Tod des Tranplantierten reicht?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de vom 22. September 2019 zur psycho-sozialen Betreuung von Angehörigen bei Organspenden. Ich möchte eindeutig klarstellen, dass ich eine gute Betreuung von Organspendern und -empfängern sowie deren Angehörigen für elementar wichtig halte. Ich selbst trage seit fast vierzig Jahren einen Organspende-Ausweis bei mir und habe meine Angehörigen auch in meiner Patientenverfügung und Vor-sorgevollmacht veranlasst, dass ich meine Organe spenden möchte. Mir ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen zu Lebzeiten persönlich und verbindlich festlegen, was ihr selbst-bestimmter Wille ist, falls sie sterben müssen. Aus meiner Sicht hilft eine solche persönliche Festlegung dann auch den Angehörigen, diese Entscheidung zu akzeptieren und zu vollziehen, wie es in einer Vorsorgevollmacht in der Regel dann ausgestaltet ist. Ich möchte mit meiner Festlegung meinen drei Söhnen den Zwiespalt einer eigenen – möglicherweise unten ihnen zu Konflikten führenden – Entscheidung abnehmen. Dies ist nach meiner festen Über-zeugung ein wesentlicher und persönlicher Beitrag zur Entlastung von psychischem Stress der Angehörigen und zur Vermeidung ihrer psychosozialen Behandlung.
Das Gesetz, auf das Ihre Frage abzielt, hat auf Vorschlag des Bundesgesundheitsministers das Transplantationsgesetz geändert und ist nach ausführlicher parlamentarischer Beratung am 14. Februar 2019 bereits in finaler 2./3. Lesung vom Bundestag beschlossen worden - übrigens MIT den Stimmen nicht nur von SPD und CDU/CSU, sondern auch mit den Stimmen der FDP, der Linken und übrigens auch der Grünen. Mit anderen Worten: die einzige Fraktion im Bundestag, die dagegen gestimmt hat, war die AfD. Das Gesetz trat am 01. April 2019 in Kraft.
Mit dieser Gesetzesänderung haben wir seitdem vor allem die Rahmenbedingungen für Organspenden verbessert, mit dem Ziel, die Anzahl der Organspenden zu erhöhen. Das finde ich richtig, denn als ein Grund für die anhaltend niedrige Anzahl von Organspendern werden unter anderem strukturelle Defizite in den Entnahmekrankenhäusern verantwortlich gemacht.
Eine zentrale Position bei der Organspende nimmt in diesen Krankenhäusern der Transplantationsbeauftragte ein. Dieser hat die Aufgabe „das intensivmedizinische Personal über den gesamten Prozess einer potentiellen Organspende fachlich zu unterstützen. Er stellt eine qualitativ hochwertige Betreuung der Angehörigen und der beteiligten Teams über den gesamten Verlauf unabhängig von der Entscheidung sicher und ist ein integraler Bestandteil des ärztlichen Teams bei dieser besonderen Behandlung von Patienten am Lebensende“ (Bundesärztekammer 2015).
In dem wir den Transplantationsbeauftragten stärken, verbessern wir also auch direkt die Betreuung der Angehörigen: Zum einen gibt es nun verbindliche Vorgaben für die Freistellung der Transplantationsbeauftragten in den Entnahmekrankenhäusern. Deren Freistellung von ihren sonstigen Aufgaben wird zukünftig vollständig finanziell von den gesetzlichen Kranken-versicherungen erstattet. Und zum anderen soll die Position und Stellung des Beauftragten ausgebaut werden. In Zukunft wird der Transplantationsbeauftragte Zugang zu den Intensiv-stationen erhalten, alle erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotenzials erhalten und ist hinzuzuziehen, wenn Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen.
Eine weitere Neuregelung in dem Gesetz besteht darin, dass es nun endlich eine klare rechtliche Grundlage für den Austausch von anonymisierten Schreiben zwischen Organempfängern und den nächsten Angehörigen der Organspender gibt. Vielen Betroffenen ist dies ein persönliches Anliegen, das wir mit diesem Gesetz ermöglichen und unterstützen.
In Ihrem Schreiben verweisen Sie auf den Entschließungsantrag 19/7769 der Grünen, der als Reaktion auf den beschriebenen Gesetzesentwurf der Großen Koalition gefasst wurde. Dieser Antrag befasst sich hauptsächlich mit der Finanzierung der Organentnahme und NICHT mit der Betreuung der Angehörigen. Lediglich in der Antragsbegründung werden „Strukturverbesserungen“ gefordert. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen deutlich machen konnte, dass das Gesetz der Großen Koalition, dem die Grünen ja ausdrücklich zugestimmt haben, den betroffenen Angehörigen weitaus konkreter hilft, als es der eigene Antrag der Grünen formuliert hatte.
Das Thema der Organspende nimmt in der Gesundheitspolitik der Großen Koalition viel Raum ein, im Koalitionsvertrag steht dazu: „Wir wollen die Zahl der Organspenden in Deutschland erhöhen. Dazu werden wir eine verbindliche Freistellungsregelung für Transplantationsbeauftragte schaffen und diese finanzieren. Die Organentnahme wird höher vergütet“ (S. 100).
Ein zweites Gesetz zum Thema Organspende ist hingegen noch nicht entschieden und wird im Parlament als Gewissenentscheidung frei und ohne jede Fraktionsdisziplin diskutiert und letztendlich beschlossen: dabei wird es um die zentrale Frage gehen, wie ein Mensch Organ-spender wird – ob über die Widerspruchs- oder Entscheidungslösung. Verkürzt gesagt geht es hier um die Frage, ob jeder Mensch „automatisch“ Organspender ist, wenn er dem nicht aktiv widersprochen hat, oder ob er sich aktiv dafür entscheiden muss, wenn er als Organspender prinzipiell zur Verfügung stehen möchte.
Die öffentlich viel beachtete „Orientierungsdebatte“ zu diesem schwer wiegenden Thema fand am 28. November 2018 im Deutschen Bundestag statt und können Sie – wie alle Debatten des Parlamentes – auf www.bundestag.de in der Mediathek nachverfolgen. Am 26. Juni 2019 hat der Bundestag die beiden alternativen Gesetzentwürfe in 1. Lesung diskutiert – auch hier kann ich nur empfehlen, die Debatte in der Mediathek anzuschauen. Dann erkennt man leicht, wie ernst alle Abgeordneten solche großen gesellschaftlichen und ethischen Diskussionen und Entscheidungen nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Hagedorn
Quelle Bundesärztekammer 2015 (zuletzt aufgerufen am 30.09.2019): http://bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Fortbildung/Curr-Transplantationsbeauftragter-Arzt.pdf