Frage an Bernward Müller von Sebastian H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Müller,
die CDU regiert nun seit 1990 in Thüringen. DIe Einstellungssituation der Referendare hat sich seitdem nur verschärft. Im Kreise der Referendare zu denen ich mich auch zähle ist schon längst klar, dass die meisten von uns keine Anstellung in Thüringen bekommen werden.
Mir ist völlig klar, dass Thüringen im Moment einen Lehrerüberhang besitzt und durch das Urteil zum Floating- Modell für Beamte und Angestellte sich die Neueinstellungen weiter verzögern werden.
Auch die Landesregierung hätte mitbekommen müssen, dass das Werben um die besten jungen Lehrer/innen in Deutschland längst begonnen hat. Thüringen bildet kostenlos Studenten und Referendare für andere Bundesländer aus und lässt diese dann in finanzstarke Bundesländer abwandern. Die paar Millionen die sie heute beim Einstellungsstopp sparen, verlieren sie 10fach durch die Abwanderung von jungen Lehreren/Lehrerinnen, die sicher nicht wieder kommen werden.
Warum ist die Personalplanung so kurzfristig am aktuellen Bedarf ausgerichtet und nicht weitsichtig?
Wieviele Referendare hat Thüringen im letzen Jahr ausgebildet und davon in den Schuldienst übernommen?
Ich bitte um eine ehrliche Antwort!
Mit freundlichen Grüßen
S. Hagen
Sehr geehrter Herr Hagen,
Ihre Frage nach der angespannten Einstellungssituation bewegt derzeit viele angehende Pädagogen in Thüringen. Die Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat liegen mir sehr am Herzen, schließlich war ich selbst im Schuldienst tätig. Mich lässt die derzeitige Situation keineswegs kalt. Leider kann ich nur darauf verweisen, dass wir die derzeit tatsächlich herrschende Durststrecke überwinden werden. Aber es gibt einen Lichtblick: Die Zahl der Neueinstellungen in den nächsten Jahren werden wir auf 500 Referendare pro Jahr steigern.
Durch die von Ihnen angesprochene Vollzeitverbeamtung und die Anpassung des Floating-Modells verzeichnen wir derzeit einen Überhang von ca. 400 Stellen. Es wäre den Steuerzahlern im Freistaat nicht zuzumuten, für weitere Neueinstellungen ohne Bedarf derzeit gerade zu stehen. Zumal Thüringen laut der Bundesstatistik „Internationale Bildungsindikatoren im Ländervergleich“ 2008 bundesweit einen Spitzenplatz bei Schüler-Lehrer-Relation und Klassengröße aufweisen kann. Demnach kommen im Sekundarbereich I elf Schüler auf einen Lehrer, deutschlandweit liegt die Schüler-Lehrer-Relation hier bei 16:1. Die durchschnittliche Klassengröße im Sekundarbereich I beträgt laut Studie im Freistaat 20 Schüler (OECD-Wert: 24). Wir sind in diesem Bereich also bestens aufgestellt und haben dazu derzeit einen Stellenüberhang.
Wie Sie sehen, ist es weder möglich noch nötig, derzeit Referendare in den Thüringer Schuldienst zu übernehmen. Meine subjektive Perspektive ist freilich nicht immer ganz so rational – daher tut es mir persönlich Leid, dass wir nicht allen unseren Absolventen in diesem und im letzten Jahr eine Perspektive in ihrem Heimatland Thüringen bieten konnten. Ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt immerhin, nämlich dass zumindest jede Absolventin und jeder Absolvent in einem anderen Bundesland eine Anstellung finden kann – das ist bei anderen Studiengängen keineswegs die Regel. Und auch in Thüringen soll und wird es nicht dabei bleiben, dass wir unsere Referendare gehen lassen müssen. Im Wahlprogramm der Thüringer CDU ist das Ziel fest verankert, den Einstellungskorridor für Lehramtsanwärter von derzeitigen jährlich 100 Stellen binnen zwei Jahren auf 500 Stellen zu steigern. So wollen wir jungen Lehramtsabsolventen wieder die gewohnte „gute Perspektive“ im Freistaat Thüringen bieten, auf die die meisten von ihnen im Moment leider verzichten müssen.
Gerne beantworte ich auch den zweiten Teil Ihrer Frage zu den genauen Zahlen der Absolventen und Neueinstellungen im Thüringer Schuldienst in den letzten Jahren. Hier wird ebenfalls deutlich, dass wir nicht einen Sparkurs mit Augenbinde fahren, sondern wachen Blickes den Personaleinsatz planen und den Gegebenheiten anpassen. Kumuliert über alle Schularten ergibt sich folgendes Bild
Jahr ................... Absolventen Vorbereitungsdienst ............. Neueinstellungen
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2000 .....................................147 ........................................................ 347
2001 ..................................... 111 ........................................................ 226
2002 .................................... 147........................................................ 255
2003 .................................... 146........................................................ 206
2004 .................................... 145........................................................ 324
2005 .................................... 146........................................................ 439
2006 ..................................... 201........................................................ 362
2007 .................................... 176........................................................ 215
2008 ..................................... 345 Sondersituation (siehe Text vorne) 5
2009: zum Schuljahr 2009/10 können 340 Lehramtsanwärter und 111 neue Lehrkräfte eingestellt werden.
Um die Thematik der derzeitigen Einstellungspolitik tiefer zu durchdringen lohnt es auch, die Frage von Herrn Zeil inkl. Antwort durchzulesen. Dort ist erklärt, warum derzeit nicht alle Referendare in den Thüringer Schuldienst übernommen werden können.
Beste Grüße!
Bernward Müller