Frage an Bernhard Richter von Reinhard K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Richter,
was ist die Position der ÖDP hinsichtlich der Zukunft der Europäischen Union und der weiteren Handhabung der Finanzkrise in diesem Rahmen und inwieweit unterscheidet sich die Position der ÖDP hier von der der "Grünen"?
Für die Antwort jetzt schon vielen Dank!
Reinhard Konzen
Sehr geehrter Herr Konzen,
schönen Dank für Ihr Interesse an unseren poltischen Vorstellungen zur EU, was bei der Bundestagswahl so wichtig ist wie bei der Europawahl selbst.
Grundsätzlich sind wir für ein geeintes Europa,wir möchten aber die Rahmenbedingungen in demokratischer Richtung deutlich verbessern. Es mangelt Europa für uns als „demokratische“ Partei (Ö*D*P) in den drei Hauptinstitutionen Kommission, Ministerrat und Parlament an demokratischer Legitimation. Die beiden ersten werden bislang von den nationalen Parlamenten besetzt und unterliegen weitgehend keiner direkten demokratischen Kontrolle. Außerdem erhalten alle etablierten Parteien Spenden aus der Wirtschaft, in der zahlreiche Abgeordnete bezahlte Funktionen haben, was zu Konflikten führt zwischen Gemeinwohl und Wirtschaftsinteressen. Das EU-Parlament wird nach verschiedenen Wahlsystemen mit verschiedener Stimmgewichtung gewählt, EU-Richtlinien und EU-Verordnungen kommen nicht vom Parlament, sondern von dem von den Ländern bestückten Ministerrat und das Parlament kann keine Gesetzesinitiativen einbringen, noch nicht einmal den gesamten Haushalt kontrollieren. Dazu brauchen wir eine europäische demokratische Verfassung, die durch Volksabstimmung in allen Ländern und nicht durch deren Parlamente verabschiedet werden muss.
Außerdem wollen wir ein EU-Parlament mit zwei Kammern: ein von allen Bürgern gewähltes Europäische Parlament und einen europäischen Bundesrat, bestehend aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten. Die Mitglieder der Exekutive sind von beiden Kammern zu wählen und das Parlament muss diese Exekutive effizient kontrollieren können und das volle Haushaltsrecht erhalten.
Soweit meine grundsätzlichen Aussagen hinsichtlich der Zukunft der Europäischen Union aus ÖDP- Sicht. Sollten Sie noch weitere Fragen haben, müssten Sie hier nachhaken.
Die Finanzkrise ist ein Extrakapitel und hängt auch mit dieser mangelhaften demokratischen Struktur der EU zusammen - und natürlich vor allem mit unserem Bankenwesen insgesamt. Der erste Schritt zur Kontrolle bei der geplanten EU- Bankenunion samt ihrer Bankenaufsicht durch die EZB ist unserer Meinung nach scheindemokratisch, denn diese EZB-Aufsicht ist nicht unabhängig, da sie alle systemrelevanten Banken retten und nicht insolvent gehen lassen soll. Als zweiter Schritt ist die Zahlung an gefährdete Banken vorgesehen und zwar aus ESM (Europäischer Stabilitäts-Mechanismus) Mitteln. Deutschland allein haftet für den ESM mit 189 Milliarden Euro, das ist der halbe Bundeshaushalt. Der ESM wiederum unterliegt keinerlei demokratischer Kontrolle, die Mitglieder werden nach Gutdünken der Regierungen benannt. Selbst bei groben Verfehlungen oder Fehlentscheidungen kann weder ein EU-Parlament noch ein nationales Parlament noch irgendein Gericht dagegen einschreiten. Diese Mängel müssen behoben werden. Wir fordern außerdem, dass es möglich sein muss, auch System relevante Banken abzuwickeln nach transparenten und fairen Regeln, wenn sie sich „verzocken“, aber dann auf Kosten ihrer Aktionäre und Spekulanten (Gläubiger), nicht der kleinen Sparer.
Um Finanzkrisen vorzubeugen, fordern wir schon seit Jahren die Einführung der Tobinsteuer, heute auch Finanztransaktionssteuer genannt. Die dank moderner Technik blitzschnell um den Globus geisternden spekulativen Finanzströme in Milliardenhöhe müssen durch höhere Transaktionskosten stabilisiert werden. Dazu gehört als nur kleines Beispiel auch das Spekulieren auf Nahrungsmittel.
Es gäbe noch viel zu sagen, aber ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen einigermaßen darstellen konnte, wie wir von der ÖDP uns in groben Zügen das zukünftige Europa und die finanzwirtschaftliche Entwicklung vorstellen.
Wie es bei den Grünen aussieht, kann ich leider nicht sagen. Dort bitte nachhaken.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Richter