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Bernhard Kaster
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Frage von Cornelius S. •

Frage an Bernhard Kaster von Cornelius S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kaster,

wie Ihren auf "abgeordnetenwatch.de" veröffentlichten Antworten auf Bürgeranfragen zu entnehmen ist, lehnen Sie öffentliche Stellungnahmen in diesem Forum grundsätzlich ab. Dieses Verfahren ist für private Anliegen oder Angelegenheiten, die z. B. Vorgänge in Ihrem Wahlkreis betreffen, durchaus sinnvoll; auch Ihr Hinweis auf die gute Erreichbarkeit von Abgeordneten klingt einleuchtend.

Dennoch möchte ich meine Frage über dieses Forum und in öffentlicher Form stellen, da das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, dem Sie zugestimmt haben, Kernbereiche des Privatlebens und der Gesellschaft betrifft. Zum einen stellt es einen weiteren Eingriff in die Privatsphäre dar, indem beispielsweise Vertrauensverhältnisse zu Ärzten gestört werden. Überdies besteht die Gefahr einer de facto-Einschränkung journalistischer Arbeit; die Vereinbarkeit mit Postgeheimnis und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung erscheint fraglich.

Daher lautet meine Frage an Sie: Warum haben Sie der o. g. Gesetzesvorlage in dieser Form zugestimmt? Dass Sie Ihr Abstimmungsverhalten mit Ihrem Gewissen vereinbaren können, muss ich voraussetzen; interessant sind vielmehr die sachlichen Gründe, die Sie überzeugt haben.

Mit freundlichen Grüßen

Cornelius Sturm

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Sturm,

zunächst danke ich Ihnen für Ihre gleichfalls kritische Haltung gegenüber diesem Forum „abgeordnetenwatch.de“. Sehr gerne hätte ich Ihnen persönlich geantwortet, leider verhindert das Forum die Übermittlung der eMail-Adresse an die jeweils angefragten Bundestagsabgeordneten.

Meine, von Ihnen ebenfalls kritisierte, Zustimmung zur Vorratsdatenspeicherung betrifft -wie viele gesetzgeberische Entscheidungen- wichtige Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Aus diesem Grund werden die Argumente hierzu ganz offen und transparent in grundsätzlich öffentlichen Sitzungen des Deutschen Bundestages debattiert. Über den Sender „Phönix“ können die meisten Debatten und alle Argumente von jedem sehr leicht nachvollzogen werden, zudem werden alle Debatten über die Internetseite www.bundestag.de live übertragen. Dort sind auch die Plenarprotokolle zum Nachlesen erhältlich. Darüber hinaus ist es mir gerade in so wichtigen Bereichen ein besonderes Anliegen, persönliche Anfragen –wie Sie diese nun gestellt haben– persönlich und individuell zu beantworten. Das ich dies nun auf diesem öffentlichen Wege mache, soll eine seltene Ausnahme bleiben.

Sehen Sie es mir nach, wenn ich in dieser Antwort auf Argumente verweisen muss, die bereits in der Debatte im Bundestag zur Sprache gekommen sind und dort in keinster Weise entkräftet werden konnten.

Gerade im Bereich der Telekommunikationsüberwachung bewegen wir uns in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Diese Pflicht fordert unser Grundgesetz ebenfalls ein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann. Grundrechtsschutz der Bürger und die Strafverfolgungsinteresse der Bürger gegenüber Straftätern müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden.

Weil beide angesprochenen Aspekte ihre Grundlage in der Verfassung haben, folgt daraus, dass Ermittlungsinstrumente nicht weiter beschränkt werden dürfen, als dies verfassungsrechtlich geboten ist. Dort wo es jedoch verfassungsrechtlich geboten ist, Ermittlungsinstrumente einzuschränken, muss der Anspruch auf die Verfolgung von Straftätern zurückstehen.

In der Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung ist dieser Ausgleich der beiden wichtigen Forderungen unserer Verfassung nach meiner Auffassung ideal gelungen. Es wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten (Verkehrsdaten) zu Abrechnungszwecken speichern dürfen. Gesprächsinhalte dürfen insoweit nicht gespeichert werden. Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen schon jetzt nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht (§§ 100g u. h StPO).

Eine solche Auskunftspflicht ist an sehr strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen geknüpft. Es muss vorher ein konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, durch die Staatsanwaltschaft dargelegt werden. Eine vage Vermutung reicht hier nicht. Es darf außerdem keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung des fraglichen Verbrechens geben und die Strafverfolgungsbehörden dürfen die Auskunft auch nicht selbst einfordern, vielmehr müssen sie vorher einen unabhängigen Richter überzeugen und auf dessen Beschluss warten.

Es ist leicht erkennbar, dass durch diese Regelungen nicht leichtfertig in unser aller Grundrechte eingegriffen werden kann. Doch bei schweren Straftaten muss jeder wissen: Die Gesellschaft hat über seine Strafverfolgungsbehörden die Mittel, solche Straftäter zu überführen. Das Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen.

Mit der stetigen Zunahme sogenannter „Flatratetarife“, bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich ist, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Bereits deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen. Die bisherigen sehr hohen Schutzvorkehrungen sind dabei uneingeschränkt beibehalten worden.

Nicht zuletzt diese Erwägungen haben die Bundesregierung bewogen, der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zuzustimmen

Dem Deutschen Bundestag war übrigens bewusst, dass das hierfür gewählte Instrument der Richtlinie möglicherweise nicht ganz frei von kompetenzrechtlichen Risiken ist (BT- Drs. 16/545, Punkt I. 13 der Beschlussempfehlung). Er hat sich dennoch dafür ausgesprochen, weil es sich insoweit um einen Kompromiss der EU-Mitgliedstaaten gehandelt hat (das Instrument des Rahmenbeschlusses war innerhalb der EU-Mitgliedstaaten nicht mehrheitsfähig) und es jedenfalls gelungen ist, in der Richtlinie Regelungen mit Augenmaß (z. B. keine Speicherung von Gesprächsinhalten, Beschränkung der Speicherungsfrist auf 6 Monate, Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten) zu erreichen. Nur deshalb, weil die Bundesregierung diesen Weg der Richtlinie mitgetragen hat, hatte sie die Möglichkeit, diese Anforderungen im Text der Richtlinie zu verankern.

Mit dem Gesetz werden die oben genannten Vorgaben, mit denen sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung getragen wird, eingehalten: Von den Telekommunikationsunternehmen dürfen nur die Verkehrsdaten gespeichert werden. Die Speicherungsfrist ist auf sechs Monate begrenzt. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft über diese Daten ist nach wie vor an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen geknüpft. Eine Verwendung dieser Daten ist nur zu Zwecken der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit möglich, wenn dies gesetzlich unter Beachtung der Verwendungsbeschränkungen im Telekommunikationsgesetz festgelegt ist.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Kaster