Frage an Bernhard Kaster von Dirk K. bezüglich Wirtschaft
Wie ist Ihr Abstimmverhalten bei der Errichtung des sog. Euro-Rettungsschirms?
Wenn immer mehr Entscheidungen nach Brüssel abgegeben werden, welche Daseinsberechtigung haben Sie dann noch?
Wenn Sie oder ihre Kollegen für diesen Rettungsschirm stimmen, sehe ich mich gezwungen aus Protest ganz Rechts zu wählen, auch wenn es absolut gegen meine überzeugung ist.
Sehr geehrter Herr Keiser,
Ich danke Ihnen für Ihr Schreiben zum Europäischen Rettungsschirm. Vor dem Hintergrund der letzten Wochen und Monate kann ich Ihre Sorgen nachvollziehen. Die vergangenen und kommenden Wochen waren und werden für mich und meine Kolleginnen und Kollegen sehr schwierig. Uns allen ist bewusst, dass wir zum wiederholten Mal in kürzester Zeit mehrere Entscheidung von immenser Bedeutung treffen mussten und treffen müssen. Vor diesem Hintergrund möchte ich klar sagen, dass wir in der christlich-liberalen Koalition uns dafür einsetzten, dass die Souveränität aller EU-Staaten - und damit auch Deutschlands - weiterhin gewahrt bleibt. Das Deutsche Parlament ist und bleibt weiterhin die zentrale legislative Entscheidungsinstanz. Dies war und bleibt mir persönlich und auch den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Herzensangelegenheit, für die wir uns auch weiterhin im Deutschen Bundestag und auf europäischer Ebene einsetzen werden.
Die unionsgeführte Bundesregierung hat dieses Ziel mit ihrem konsequenten Handeln der letzten Wochen und Monaten nochmals wichtige Signale für eine wegweisende Europapolitik gesetzt. Dies haben wir besonders bei dem Gipfel der Europäischen Union im Juli, mit dem Beschluss zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), dem Plan einer europäischen Wirtschaftsregierung sowie der Vorlage des vom Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform befundenen Gesetzesentwurfs zur „Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus“ beziehungsweise dem sogenannten, von Ihnen kritisch angesprochenen, europäischen Rettungsschirm, der den Ansteckungsgefahren und negativen wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa frühzeitig entgegenwirken soll, deutlich gemacht. Die Umsetzung dieser Ziele wird so auszugestalten sein, dass die Souveränität aller EU-Staaten und damit auch Deutschlands weiterhin gewahrt bleibt.
Die Voraussetzungen hierfür - dies zeigt auch das besagte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 07. September diesen Jahres - haben wir in der unionsgeführten Bundesregierung bereits gelegt. Entgegen Ihrer Sorge, die parlamentarischen Beteiligungsrechte würden durch die zunehmende europäische Integration beschnitten, stärkt das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil die Kompetenzen des Bundestages. Es bekräftig die Notwendigkeit der von der christlich-liberalen Koalition forcierten Ausweitung der Befugnisse der EFSF und die Schaffung eines dauerhaften Europäischen Rettungsschirms zur Verstärkung der parlamentarischen Mitwirkungs- und Kontrollrechte. Bereits vor dieser Entscheidung sind wir in der christlich-liberalen Koalition hinsichtlich der Beteiligungsrechte tätig geworden und haben uns auf weitgehende abgestufte Mitwirkungsrechte des Bundestags bei der Änderung des „Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ (StabMechÄndG) verständigt. Diese geplante stufenweise Beteiligung des Bundestags geht - dies möchte ich an dieser Stelle betonen - sogar über die Vorgaben des Gerichts hinaus. Die rechtlichen Vorgaben des Gerichts beziehen wir selbstredend in unsere aktuellen Beratungen ein.
Zu einer wegweisenden Europapolitik gehört - im Rahmen dieser Beteiligungs- und Kontrollrechte - die Stabilität der gemeinsamen Währung Euro. Sie ist im ureigensten Interesse Deutschlands und damit zum Wohle des Deutschen Volkes, da von der Stabilität des Euro insbesondere Deutschland als Exportnation profitiert hat. Dies hatte und hat positive Effekte auf unsere Beschäftigungs- und Wachstumssituation. Ein Auseinanderbrechen der Eurozone muss deshalb ebenso vermieden werden wie ein unkontrollierter Ausfall eines Staates.
Vor diesem Hintergrund haben und werden wir diese Problematik weiterhin intensiv beraten. Im Zuge der zuletzt verabschiedeten Griechenlandhilfen, hat die christlich-liberale Koalition die Bundesregierung zugleich bei ihren weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene, zu strikter Konditionalität bei weiteren Hilfsmaßnahmen aufgefordert. Zudem sollen auch private Gläubiger griechischer Verbindlichkeiten ihren Beitrag leisten. Auch können nicht einfach so neue Milliardengarantien mit deutschen Steuergeldern abgesichert werden.
Mit Hilfe der Erweiterung des europäischen Rettungsschirms zur „Ertüchtigung der Europäischen Finanzmarktstabilisierungsfazilität“ (EFSF) - der ich ausdrücklich zustimme - und dem Ziel einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftsregierung wurde diesen Forderungen entsprochen. Damit sollen derartige Fehlentwicklungen und Finanzkrisen in der Eurozone in Zukunft frühzeitig erkannt und abgewendet werden. Akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder aber müssen im Lichte der jüngsten Entwicklungen kurzfristig von ihren Partner unterstützt werden. Ein sonst möglicher Flächenbrand hätte unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte. Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die zielgerichtete Krisenhilfe sein. Und genau dafür brauchen wir einen verlässlichen und transparenten Europäischen Stabilitätsmechanismus. Mit der angestrebten Flexibilisierung durch die Erweiterung des EFSF werden zusätzliche Instrumente eingeführt. Bei Krediten und Bürgschaften für Staaten in der Euro-Zone steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Mittelpunkt. Die Haushalte der Länder sollen demnach angepasst und Defizite zurückgeführt werden. Die Hilfen gibt es auch weiterhin nur bei einer Gefährdung der Finanzstabilität der Eurozone insgesamt und nur im Gegenzug für ein striktes finanz- und wirtschaftspolitisches Reformprogramm. Belastungen für die Steuerzahler sind dabei zwar nicht komplett auszuschließen, ich glaube dennoch, dass das Risiko auf das notwendige Mindestmaß beschränkt bleibt und langfristig auch den Bürgerinnen und Bürger zu Gute kommt.
Gerade wir in der Region Trier-Luxemburg wissen um den Wert Europas und des Euros. Es geht um nicht mehr nur um unsere Währung. Die notwendigen Maßnahmen sind keineswegs als Gefahr für die Souveränität Deutschlands zu sehen. Ein starkes Europa stärkt nachhaltig die Souveränität und Handlungsfähigkeit unseres Landes. Vor diesem Hintergrund werde ich dem vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform eingestuften und den Grundsätzen parlamentarischer Beteiligung, Solidarität und Eigenverantwortung entsprechenden Gesetz zum europäischen Rettungsschirm zustimmen.
In der Hoffnung, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen und Ihnen die Notwendigkeit dieser Entscheidung hinreichend dargelegt zu haben, verbleibe ich
mit guten Wünschen und freundlichen Grüßen
Bernhard Kaster, MdB