Frage an Bernhard Kaster von Marc L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Kaster,
Herr Heitland befragte Sie am Anfang diesen Jahres zur Reaktion der Bundesregierung auf die politische Situation in Ungarn. Leider antworteten Sie bislang nicht.
Mittlerweile verabschiedeten die Herrschenden in Ungarn (aus Respekt vor ihrem Berufsstand werde ich im folgenden nicht von einer Regierung sprechen) eine neue Verfassung, die Staatspräsident Orbán die Befugnis erteilt das Parlament selbst dann aufzulösen, wenn er an einer Wiederwahl scheitern sollte.
Die Staatsform "Republik" wird aus der Verfassung gestrichen, Beobachter vermuten künftige Einschränkungen der Menschenrechte zum Beispiel auf den Gebieten der freien Religionswahl sowie der sexuellen Orientierung.
Diese Entwicklung in dem Land, dessen Präsident momentan den EU Ratsvorsitz inne hat, stimmt mich sehr nachdenklich, das Ausbleiben jeglichen Kommentars von Seiten der anderen Mitgliedsstaaten, insbesondere Deutschlands, empfinde ich als einen großen Skandal und Respektlosigkeit nicht nur gegenüber der Menschen in Ungarn sondern auch der Opfer früherer Unrechtsstaaten, deren Genese oft ähnlich ihren Lauf nahm.
Wie stehen Sie persönlich zu den Entwicklungen in Ungarn (spezifisch: Mediengesetz, Verfassungsänderung 2011), was können Sie tun um zumindest eine deutliche Reaktion der Bundesregierung zu unterstützen und warum blieb diese bislang aus?
Ich bin doch sehr verwundert darüber, wie man EU-Skeptischen Bürgern eine zu geringe Reflexion ihrer Position vorwerfen kann, wenn man gleichzeitig ein derartiges Desinteresse an allen Entwicklungen die über den Statusquoismus der eigenen Wirtschaftssituation hinaus geht vorlebt.
mit freundlichen Grüßen,
M. Latz
P.S. Auch wenn meine Frage in keinster Weise "ihren" Themen im Bundestag entspricht würde ich mich über eine Antwort im Namen Ihrer Fraktion sehr freuen.
Sehr geehrter Herr Latz,
vielen Dank für Ihre Email bezüglich der politischen Situation in Ungarn. Ich möchte Ihnen versichern, dass wir in der unionsgeführten Bundesregierung die kontroverse Debatte um die neue ungarische Verfassung angesichts der verfassungsändernden Zwei-Drittel-Mehrheit der gegenwärtigen ungarischen Regierungspartei, die sie in der zurück liegenden Parlamentswahlen errungen hat, mit großer Aufmerksamkeit verfolgen. Dabei suchen wir das Gespräch mit Ungarn, als gleichberechtigten, europäischen Partner.
Der Schutz der Menschenrechte, die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit sind Grundlagen deutscher Außenpolitik. Dabei handeln wir gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union. Der Respekt vor diesen Prinzipien ist Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Die Pressefreiheit gehört - da stimme ich Ihnen selbstverständlich uneingeschränkt zu - zu den Grundrechten eines jeden Menschen und entspricht dem deutschen und eben europäischen Wertekanon. Damit sie funktioniert, müssen Pressegesetze regeln, welche Grenzen zum Schutz vor der Verletzung von Rechten anderer, eingehalten werden. In Ungarn hat es in der Vergangenheit schwerste Menschenrechtsverletzungen durch die Medien gegeben. Darauf hat - dies sage ich vollkommen wertfrei - die ungarische Regierung reagiert.
Die Umsetzung dieses Ziels in Form des Mediengesetzes und die Verfassungsänderung in Ungarn werden jedoch, auch von der unionsgeführten Bundesregierung, kritisch gesehen.
Wir befürworten ausdrücklich die von der Europäischen Kommission - als zuständiges Gremium - diesbezüglich durchgeführten Prüfungen nach EU-Recht. Nach dem Abschluss der juristischen Analyse seitens der Europäischen Kommission - wie der Berichterstattung zu entnehmen war - ist auch der ungarische Ministerpräsident zu notwendigen Änderungen bereit. Ich möchte auch aus diesem Grund die von der Unionsfraktion vertretene Ansicht in dieser Sache bekräftigen: Wir sollten auf die ungarische Demokratie und seine Repräsentanten vertrauen und zunächst die Ergebnisse dieser Prüfung und die folgende ungarische Reaktion abwarten.
Ich hoffe Ihnen damit meine Sichtweise zum Thema hinreichend dargelegt zu haben und verbleibe
mit guten Wünschen und freundlichen Grüßen,
Bernhard Kaster, MdB