Frage an Bernd Scheelen von Simon S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Scheelen,
ich habe einige Frage zum Thema Energie und der Problematik natürlicher Monopole bei Strom- und Gasnetzen, die ich in dieser Form auch Politiker anderer Parteien gestellt habe, um mir einen Überblick über die verschiedenen Positionen zu verschaffen.
Ich bin kein Freund von Verstaatlichungen oder Enteignungen und halte den Markt für die sinnvollste und effektivste Wirtschaftsform, auch in dem Bereich des Energiesektors.
Angesichts jedoch der Tatsache der praktischen Unmöglichkeit von Wettbewerb bei natürlichen Monopolen wie Versorgungsnetzen (nicht in Bezug auf das durchgeleitete Produkt wie Strom oder Gas, bei dem Wettbewerb sehr wohl möglich ist):
Was ist ihre Meinung zu einer Enteignung der Versorgungsnetze (nicht unbedingt in die Hände des Staates, es wäre z.B. auch die Überführung in die Hände einer e.G. möglich, an der die am Netz angeschlossenen Haushalte/Gewerbebetriebe Genossenschaftsanteile erwerben könnten, denkbar, so dass eine Kontrolle durch die Betroffenen und eine Trennung zum Staat und Politikern besteht, sowie private Investitionen in die Netze weiterhin möglich wären)?
Wenn sie dafür wären oder sich entscheiden müssten, würden sie eher eine direkte Verstaatlichung oder eine Überführung in Gemeinwirtschaft mit Hilfe privatrechtliche Formen (z.B. e.G.) bevorzugen?
Wenn sie für eine Überführung in Formen der Gemeinwirtschaft (Art. 15 GG) wären, wie würden sie das Problem der Finanzierung sehen?
Wäre es aus ihrer Sicht denkbar das die Einahmen aus den enteigneten Netzen die Kosten (Zinsen) für evt. Staatsschulden (niedrige Zinsen dank hoher Bonität des Staates) übertreffen?
Zu guter letzt noch eine Frage, die etwas über die Problematik der natürlichen Monopole hinaus geht: Wie ist ihre Position zu einer Sozialisierung der gesamten oder fast gesamten Energiebranche?
Ich danke ihnen im Voraus herzlich für die Beantwortung meiner Fragen zur Problematik der Monopolstellung der Netzbetreiber.
Mit herzliche Grüßen
Ihr
Simon Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
ich bin nicht grundsätzlich für eine Verstaatlichung von Versorgungsnetzen. Für mich steht im Vordergrund, dass bei der Nutzung und Bereitstellung dieser Netze das Gemeinwohl an erster Stelle kommt.
Die Versorgung mit existenziellen Gütern, wie Strom oder Wasser, muss im Vordergrund stehen und erst danach darf meiner Meinung nach der Profit eine Rolle spielen. Ich denke nicht, dass dies ausschließlich der Staat gewährleisten kann. Für mich liegt es durchaus im Rahmen des Möglichen, dass die Netze - wie von Ihnen angedacht - in die Hände einer Gesellschaft überführt werden könnten, an der die Nutzer Anteile erwerben könnten.Unerlässlich ist meiner Ansicht nach aber, dass es sich hierbei eindeutig um gemeinwohlorientierte Hände handelt. Eine wie auch immer gestaltete privatrechtliche Betreibergesellschaft ist darauf angewiesen Gewinne zu erwirtschaften, um die Netze halten zu können - bei Verlusten ist dies langfristig nicht möglich. Der Staat hat diesbezüglich andere Möglichkeiten und Spielräume, wäre also als Betreiber solcher Versorgungsnetze unabhängiger von der "Notwendigkeit" eines wirtschaftlichen Profits.
Zu Ihrer Frage, welche Position ich zu einer Sozialisierung der gesamten oder fast gesamten Energiebranche einnehme: Ich bin gegen eine Vergesellschaftung der gesamten Energiebranche, solange der Markt funktioniert und das richtige Maß zwischen Angebot und Nachfrage, Wettbewerb und nachvollziehbaren Preisen gefunden wird. Wie die jüngsten Pressemeldungen zeigen, ist das Bundeskartellamt durchaus in der Lage regulierend einzugreifen und so den Auswüchsen der Preistreiberei der großen Konzerne entgegen zu wirken.
Ihre Frage ob ich es für denkbar hielte, dass die Einnahmen aus den enteigneten Netzen die Kosten für evt. Staatsschulden übertreffen könnten, beantworte ich mit einem klaren Nein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, insbesondere vor dem Hintergrund der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise, kann ich mir - im Hinblick auf die nötig gewordene Verschuldung - definitiv nicht vorstellen, dass mögliche Einnahmen aus enteigneten Netzen die Zinsen für evtl. Staatsschulden übertreffen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Scheelen