Frage an Bernd Scheelen von Martin S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Scheelen,
auch wenn die Geschehnisse der internationalen Politik derzeit weitestgehend von den Ereignissen in Ägypten und Syrien bestimmt werden - im Schatten der gegenwärtigen Berichterstattung scheint sich die Führung Kambodschas unter Premierminister Hun Sen zu einem autoritären Regime mit totalitärem Machtanspruch zurück zu entwickeln. Dies resultiert in vielfältigen Menschenrechtsverletzungen, von Einschüchterungen der oppositionellen Politiker bis hin zur Ermordung von politischen Aktivisten wie z.B. dem Gewerkschaftsführer Chea Vichea. Eine regierungskonforme Justiz verurteilte diesbezüglich vor kurzem zwei offensichtlich unschuldige Männer zu langjährigen Haftstrafen, um den Tathergang zu verschleiern.
Als jemand, der Kambodscha bereiste und der diese Entwicklung schon länger mit Sorge betrachtet, würde mich interessieren, inwieweit die Regierung der Bundesrepublik diesbezüglich aktiv ist oder welche Möglichkeiten der Einflußnahme denkbar wären?
Freundliche Grüße,
Martin Schubert
Sehr geehrter Herr Schubert,
Sie haben mir bezüglich der politischen Lage in Kambodscha geschrieben und gefragt, inwieweit Deutschland versucht, Einfluss auf die dortige Situation zu nehmen. Gerne antworte ich Ihnen darauf.
Auch 30 Jahre nach dem Terrorregime der Roten Khmer befindet sich Kambodscha im Umbruch. Fortschritte wie die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen von 1975 bis 1979 durch das von Deutschland finanziell unterstützte Rote-Khmer-Kriegsverbrechertribunal sind begrüßenswert.
Jedoch bleiben andere Aspekte, wie beispielsweise die Menschenrechtslage, weiterhin unbefriedigend. Menschenrechtsverletzungen durch Korruption, Rechtsunsicherheit und die Behinderung und Einschüchterung der Arbeit von Menschenrechtsaktivisten stehen auf der Tagesordnung. Das Polizei- und Justizwesen befindet sich in einem desolaten Zustand. Bis heute fehlen funktionierende Oppositionsparteien. Direkten Einfluss auf die innerstaatliche Politik Kambodschas kann Deutschland nicht nehmen und zudem haben wir unter der schwarz-gelben Regierung entwicklungspolitisch in vielen Bereichen den Anschluss verloren. Viele nicht eingehaltene Versprechen gingen zu Lasten der Glaubwürdigkeit. Von der Erfüllung der Milleniumsentwicklungsziele sind wir noch immer weit entfernt.
Der Demokratisierungsprozess in Kambodscha bleibt dennoch Thema der Entwicklungszusammenarbeit und politischer und kultureller Beziehungen. Neben Minenräumprogrammen und der Erhaltung von Stätten des Weltkulturerbes (Angkor Wat), setzt Deutschland auf die Entwicklung der ländlichen Räume, den Aufbau des Gesundheitswesens und die Förderung von Demokratie, Zivilgesellschaft und öffentlicher Verwaltung. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bieten Programme zu Menschenrechten und Demokratieförderung an. Mit rund 42 Millionen Euro hilft z. B. die KfW Straßen und Wege in ländlichen Gebieten zu erschließen und wiederherzustellen.
Aus dem Bundestag besuchten z. B. 2011 eine Delegation des Haushaltsausschusses und 2012 eine Delegation des Rechnungsprüfungsausschusses Kambodscha um sich über die sachgerechte Verwendung deutscher Fördermittel zu informieren. Mitglieder des Bundestages sind im Dialog mit Nichtregierungsorganisationen, die sich mit der Menschenrechtslage in Kambodscha beschäftigen.
Mit der Neuausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik nach dem von uns angestrebten Regierungswechsel im kommenden Herbst werden wir der Demokratisierung wieder ein größeres Gewicht beimessen können. Die noch vorhandenen guten Ansätze wollen wir, auch bezogen auf Südostasien, aufgreifen und verstärken.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Scheelen