Frage an Bernd Scheelen von Ulrich von M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Scheelen,
Der Bundesminister für Finanzen beabsichtigt, die Abgabenordnung so zu ändern, dass nicht mehr der steuerliche Gestaltungsmissbrauch sondern jedwede „vom Gesetzgeber bei seiner Gesetzgebung vorausgesetzten rechtlichen Gestaltung“ abweichende Gestaltung unterbunden wird. Eine vom Gesetzgeber nicht erkannte Anwendbarkeit und Anwendung einer steuerrechtlichen Bestimmung wird damit untersagt: Es ist als wolle der Gesetzgeber die Konsequenzen der Komplexität des Steuerrechts, das er selber schuf, nicht mehr tragen. Es ist bekannt, dass bei der Komplexität des deutschen Steuerrechts der „verständige Dritte“ nur ein ausgewiesener Fachmann sein kann, oft muss er besser ausgebildet sein muss als ein durchschnittlicher Sachbearbeiter im Finanzamt. Damit eröffnet die Novellierung des §42AO in unakzeptabler Weise der Rechtsinterpretation Tür und Tor und es ist zu erwarten, dass wie bei der Anhörung zum nordrhein-westfälischen Online-Schnüffelgesetz der Richter den Staatsvertreter fragen muss, ob man in Anbetracht dessen Interpretation noch vom gleichen Gesetz spricht.
Als Wähler Ihres Wahlkreises interessiert mich, wie sie zur angestrebten Novelle der Abgabenordnung stehen.
Mit freundlichem Gruß
Ulrich von Maltzahn
Sehr geehrter Herr von Maltzahn,
Sie hatten mich zur Novellierung der Abgabenordnung angeschrieben. Nach Rücksprache mit meinen zuständigen Fraktionskollegen, möchte ich Ihnen heute antworten: Bei der Änderung des § 42 AO handelt es sich um eine rechtliche Anpassung der Abgabenordnung im Rahmen des Jahressteuergesetz 2008. Durch die Neufassung soll der Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Steuerrecht verhindert werden.
Ihre Einschätzung, dass die Novelle des § 42 AO § „in unakzeptabler Wiese der Rechtsinterpretation Tür und Tor öffnet“, teile ich nicht. Nach der Neufassung liegt ein Missbrauchsfall vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt jedoch ausdrücklich nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung beachtliche außersteuerliche Gründe nachweist. Somit liegt ein Missbrauch nur vor, wenn der Steuerpflichtige nicht nachweisen kann, dass er die Gestaltung aus einem anderen Grund als der reinen Steuerersparnis gewählt hat.
Mit der Novelle der Abgabenordnung folgt der Gesetzgeber der Rechtsprechung: So ist eine rechtliche Gestaltung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dann unangemessen, wenn sie von verständigen Dritten in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung ohne den Steuervorteil nicht gewählt worden wäre. Entsprechend urteilt auch der Europäische Gerichtshof im Falle grenzüberschreitender Gestaltung: Unangemessenheit ist anzunehmen, wenn die gewählte Gestaltung rein künstlich ist und nur dazu dient, die im Inland geschuldete Steuer umgehen.
Missbräuchliche Steuergestaltungen werden in der Regel nicht vom „normalen Steuerpflichtigen“ begangen, sondern von Experten des Steuerrechts. Durch die Novelle des § 42 AO wird somit den findigen Steuerjongleuren der Missbrauch erschwert, während dem ehrlichen Steuerzahler in keiner Weise geschadet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Scheelen