Frage an Bernd Scheelen von marieluise e. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Aktuell bin ich sehr besorgt um unsere Bürgerrechte aufgrund der neuesten Vorschläge von Herrn Schäuble, sowie der von der EU beschlossenen Vorratsdatenspeicherung. Ich fühle mich kriminalisiert.
Wie stehen Sie zu diesen Punkten?
Sehr geehrte Frau Eskens,
Sie haben Ihre Bedenken gegenüber der gesetzgeberischen Umsetzung der europäischen Richtlinie zur „Vorratsdatenspeicherung“ zum Ausdruck gebracht. Ich verstehe, dass Sie sich Sorgen machen, hoffe aber, Ihnen Ihre Ängste nehmen zu können.
Bis Herbst 2007 sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, Speicherungspflichten für bestimmte Telefon- und Internetdaten zu Zwecken der Terror- und Verbrechensbekämpfung für eine Dauer von mindestens sechs und höchstens 24 Monaten einzuführen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat ihren Vorbehalt gegen die EU-Regelung zur „Vorratsdatenspeicherung“ erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen zufriedenstellenden Kompromiss erzielt hat. Der Bundesregierung ist es gelungen, die Vorgaben der Richtlinie auf das notwendige Maß zu reduzieren. Die Initiatoren der Richtline hatten sowohl im Hinblick auf den Umfang der betroffenen Verkehrsdaten wie auch im Hinblick auf die Speicherdauer wesentlich weitergehende Vorstellungen.
Bei der Umsetzung dieser Richtlinie werden wir uns zusätzlich am unteren Rand der Vorgaben halten. Dies hat der Bundestag in einer Entschließung beschlossen. Für die Dauer der Speicherung bedeutet dies, dass wir die Mindestspeicherungsfrist von 6 Monaten gesetzlich festlegen werden. Niemand möchte alle Bürger „bespitzeln“. Dies würde ja bedeuten, dass der Staat auf der Basis eines Generalsverdachts „seine Nase“ in die Angelegenheit der Bürger steckt. Dies ist - nicht - der Fall. Die Verpflichtung zur Datenspeicherung soll vielmehr streng vom restriktiv geregelten Zugang zu diesen Daten getrennt werden.
Die Datenspeicherung selbst ist notwendig allgemein und umfassend, weil logischerweise niemand vorher wissen kann, welche Straftaten begangen werden und anschließend – auch zur Verhinderung weiterer Taten - aufgeklärt werden müssen. Datenspeicherung heißt zunächst nur, dass die entsprechenden Daten für 6 Monate auf Datenträgern gelagert werden – ohne dass damit irgendeine erweiterte Nutzung verbunden ist. Schon bisher wurden die die Daten ja zur Abrechnung von den Dienstleistern benutzt. Die Bevorratung dieser Daten ist aber notwendig, da sie oft der einzige Anhaltspunkt für Ermittlungen darstellen. Beispielsweise nach Fund einer Leiche ist es überaus sinnvoll, die letzten Telefonate des Ermordeten nachzuvollziehen. Im Übrigen: diese Daten betreffen nicht den Inhalt der geführten Gespräche. Daten, die Aufschluss über den Inhalt geben könnten, dürfen nach dem Gesetzentwurf nicht gespeichert werden. Die Einlagerung von Bits, die niemand liest, schadet, bedroht oder beeinträchtigt niemanden.
Der Regelung des Zugriffs auf die Daten – dies ist der für den Bürger entscheidende Punkt – soll im Rahmen einer grundlegenden Neugestaltung der sog. heimlichen Maßnahmen geschehen. Diese Neugestaltung hat einen grundsätzlich restriktiven Ansatz und hat mit DDR-Zeiten offensichtlich nichts zu tun. Geplant sind Schutzvorschriften zugunsten Zeugnisverweigerungsberechtigter, Benachrichtigungspflichten gegenüber sämtlichen Betroffenen, eine enge Ausgestaltung des Richtervorbehalts sowie Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften. Die betroffenen Verkehrsdaten werden genau aufgelistet. Gleichzeitig werden die Bedingungen des Zugriffs – ausschließlich für Maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung - geregelt. Wesentliche Punkte sind dabei der Richtervorbehalt und die enge Befristung der Maßnahme sowie eine Anordnung nur bei Straftaten von im Einzelfall erheblicher Bedeutung oder bei mittels Telekommunikation begangenen Straftaten.
Mit freundlichenGrüßen
Bernd Scheelen