Frage an Bernd Scheelen von Michael C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Scheelen,
am 26. April soll über Änderung der Geschäftsordnung das Rederecht der Abgeordneten beschnitten werden. Wie stehen Sie zu diesem Angriff auf die Demokratie? Dient diese Maßnahme nicht lediglich dazu, Abweicher mundtot zu machen?
Kurz vor der Landtagswahl hier in NRW interessiert mich, wie "meine" Abgeordneten zu diesem Thema stehen.
mit freundlichen Grüßen
Michael Clemens
Sehr geehrter Herr Clemens,
Sie haben mich gefragt, wie ich zur Diskussion über eine Änderung der Regelungen zum Rederecht im Bundestag stehe. Zunächst möchte ich dazu festhalten, dass in der Presse Pläne dargestellt wurden, die so im Bundestag und in den Fraktionen gar nicht zur Debatte standen. Das Rederecht der Bundestagsabgeordneten gehört zu den unverzichtbaren Bestandteilen der parlamentarischen Demokratie. Ein Parlament ohne Rederecht ist eine leere Hülle. In der SPD-Bundestagsfraktion sind wir uns einig, dass die öffentlich gemachten Vorschläge nicht ausgereift sind und mit uns so nicht beschlossen würden. Das Parlament bleibt der zentrale Ort sichtbarer politischer Auseinandersetzung.
Trotzdem stellt sich doch die Frage, wer kann im Plenum wann wie lange reden. Eine nicht einfach zu beantwortende Frage. Im Bundestag haben sich aber gut funktionierende Mechanismen ausgebildet, die unsere Arbeit strukturieren und damit ermöglichen.
Der Bundestag ist ein repräsentatives Organ. Unsere Aufgabe als Abgeordnete ist es, unsere Überzeugungen und die Überzeugungen unserer Wählerinnen und Wähler zu vertreten. Im Idealfall trifft beides zusammen. Damit wir unsere Überzeugungen im Bundestag gegenüber politisch anders Orientierten durchsetzen können, haben wir uns in den Fraktionen zusammengeschlossen. Dort finden wir gemeinsame Positionen zu allen Themen, die im Bundestag debattiert werden. Dazu führen wir oft sehr langwierige Diskussionen, an deren Ende ein demokratischer Abstimmungsprozess steht. Ohne diese Möglichkeit, gemeinsame Linien zu erstreiten und diese danach auch gemeinsam zu vertreten, könnten wir nicht verlässlich Politik machen.
Jeder und jedem Abgeordneten bleiben natürlich seine Überzeugungen. Diese weichen auch häufig von der Mehrheitsmeinung der jeweiligen Fraktion ab. Die Differenzen können so groß sein, sei es auch nur in kleinen Details, dass die oder der Abgeordnete diesen Unterschied öffentlich deutlich machen will. Für diese Fälle besteht im Bundestag zum Beispiel die Möglichkeit, eine persönliche Erklärung abzugeben. Diese Erklärungen können nach Ende der Debatte mündlich abgegeben werden. Zumeist nutzen die Abgeordneten aber die Option, sich schriftlich zu erklären. In den Protokollen ist ihre spezielle Position damit ebenso öffentlich einzusehen, wie der sonstige Plenarverlauf. Meines Erachtens haben sich die geltenden Regelungen dazu bewährt und für Änderungen sehe ich keinen schwer wiegenden Anlass.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Scheelen