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Bernd Reinert
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Frage von Matthias B. •

Frage an Bernd Reinert von Matthias B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Reinert,

möglicherweise werden Sie am Ende der Auseinadersetzungen um das Hamburger Wahlrecht gerichtlich bestätigt bekommen, dass Sie so handeln durften, wie Sie es getan haben, das ist die eine Seite.

Sind Sie aber andererseits auch der Auffassung, dass das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland und der Freien und Hansestadt Hamburg auf den Grundsäulen einer echten Demokratie aufgebaut ist? Oder teilen Sie meine Auffassung, dass durch die Institutionalisierung des Wählerwillens versus Volksentscheid, die Sie als Rechtsgrundlage für Ihr Handeln ja hervorkehren, der demokratische Grundgedanke der Mitbestimmung so weichgespüllt worden ist, dass eine echte Partizipation des Wählers am politischen Willensbildungsprozeß und deren Auswirkungen auf die Gemeinschaft ad absurdum geführt wird?

Ich werde der entscheidenden Plenarsitzung der Hamburgischen Bürgeschaft zur Wahlrechtsänderung in Hamburg beiwohnen, Karten habe ich mir bereits für die Zeit ab 17:30 Uhr online reserviert.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bodeit,

was ist "echte" Demokratie? Deutschland ist unzweifelhaft ein demokratischer Staat und Hamburg ein demokratisches Bundesland, denn alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Art. 20 GG, Art. 3 HV), die Menschenrechte sind gewährleistet, es gibt Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und ein durch Minderheitenschutz eingeschränktes Mehrheitsprinzip.

Das Grundgesetz sieht einen Volksentscheid nur in zwei Fällen vor: bei Länderneugliederung (Art. 29 GG) und bei der Ersetzung des Grundgesetzes durch eine neue/andere Verfassung. In der Hamburgischen Verfassung sind die direktdemokratischen Elemente stärker ausgeprägt (Art. 50 HV); es kann auch über Gesetze und andere politische Fragen Volksentscheide geben.

Für beide Gebietseinheiten sind die Grundregeln des politischen Prozesses also in der jeweiligen Verfassung festgelegt, und in diesem Rahmen handeln wir: aus Art. 50 (4) HV ergibt sich, dass die Bürgerschaft einen Volksentscheid aufheben oder ändern darf.

So gibt es in Hamburg, wie auch das Hamburgische Verfassungsgericht festgestellt hat, zwei "konkurrierende Gesetzgeber": das Volk und das Parlament (die Bürgerschaft), und ich halte es in der Tat für unverzichtbar, dass die Bürgerschaft einen Volksentscheid korrigieren kann, denn in einem Volksentscheid müssen z.T. hochkomplexe Sachverhalte auf einen schlichte Ja/Nein-Frage reduziert werden: das durch Volksentscheid zustandegekommene Wahlrecht umfasst 46 Paragraphen, aber es konnte nicht über einzelne Inhalte/Paragraphen abgestimmt werden.

Lassen Sie mich beispielhaft drei Punkte anführen, die aus der Sicht der CDU-Fraktion besonders problematisch sind und die wir deshalb ändern wollen:
1. Ggf. entscheiden kleinste Wählerzahlen darüber, wer als gewählter Abgeordneter in die Bürgerschaft einzieht - für die Liste einer Partei abgegebene Stimmen zählen nicht als Zustimmung zur Listenreihenfolge. Damit kann es passieren, dass es für bestimmte Politikbereiche zu viele interessierte Abgeordnete gibt, für andere zu wenige. Es muss aber Politik für alle gemacht werden.
2. die Amtszeit der im Februar 2004 auf (maximal) vier Jahre gewählten Bezirksversammlungen wird um ca. 1 1/4 Jahr verlängert - damit wird ein in meinen Augen fundamentales Prinzip der repräsentativen Demokratie verletzt, nämlich dass die Wähler wissen, für wie lange sie die Abgeordneten bevollmächtigen, Beschlüsse zu fassen.
3. Die Aufhebung der 5%-Sperrklausel für die Bezirksversammlungen würde die Gefahr deutlich vergrößern, dass extreme Parteien vom linken und rechten Rand den Einzug in die Bezirksversammlungen schaffen. Dem darf auf keinen Fall Vorschub geleistet werden! Hinzu kommt, dass eine Mehrheit in einem Parlament um so schwieriger zustande kommt, je mehr Gruppierungen in ihm vertreten sind. Mehrheiten sind aber notwendig, um Entscheidungen zu treffen, und wir möchten nicht, dass womöglich extreme Parteien "Zünglein an der Waage" werden.

Über diese und weitere Änderungen finden Sie unter www.cdu-hamburg.de weitere Informationen. Ich bin sicher, dass Hamburg durch die von uns eingebrachten Änderungen ein besseres und praktikableres Wahlrecht erhält.

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Reinert