Frage an Bernd Reinert von Malte W. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Reinert,
Sie werden zugeben, daß die opportune Auslegung dieses Volksentscheides als bloße Empfehlung an die Bürgerschaft auf die derzeit in Hamburg regierende CDU und nicht auf die Initiatoren oder die Abstimmenden zurückgeht. Die vom LVG erteilte Absolution für Ihr Handeln besagt nur, daß sie dabei nicht gegen geltende Rechtsprechung verstoßen haben. Ethisch und moralisch gesehen haben sie dem Glauben in eine demokratische Kultur und dem Willen der BürgerInnen und Bürger an dieser teilzuhaben wissentlich schweren Schaden zugefügt.
Ihre Formulierung, „[...] zur Gesamtverantwortung gehört auch, Unpopuläres zu tun, wenn es notwendig ist – selbst wenn es einem Volksentscheid widerspricht“ läßt darauf schließen, daß sie dem Souverän, d.h. den WählerInnen und Wählern, das Vermögen absprechen, einen Sachverhalt ebenso kompetent wie die von ihm gewählten VertreterInnen und Vertreter beurteilen zu können – und also auch die Entscheidungsgewalt selbst auszuüben.
Daher macht es wahrscheinlich wenig Sinn, Ihnen in dieser Hinsicht konkrete Vorschläge über den verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern zu unterbreiten, Haushaltsfragen sind meines Wissens nach von Volksentscheiden (noch) ausgenommen. Oder haben Sie wider Erwarten ein ernsthaftes Interesse daran, die Kompetenzen und Befugnisse der BürgerInnen und Bürger in dieser zentralen Frage zu erweitern?
Mit freundlichen Grüßen
Malte Willms
Sehr geehrter Herr Willms,
die Bundesrepublik Deutschland und auch das Bundesland Hamburg ist nach dem Prinzip der repräsentativen Demokratie aufgebaut (Art. 20 (2) und 28 (1) GG). Auf der Länderebene gibt es nach der jeweiligen Landesverfassung auch die Volksgesetzgebung als direktdemokratisches Element des politischen Prozesses, und ich verwahre mich entschieden dagegen, dass Sie der CDU und mir vorwerfen, wir hätten ethisch und moralisch gesehen dem Glauben in eine demokratische Kultur schweren Schaden zugefügt: Sie interpretieren unsere Verfassung in einer Weise, die offensichtlich nicht von dieser Verfassung gedeckt ist. Es ist legitim, wenn Sie die Verfassung ändern wollen, aber die Grenze des Art. 20 (2) GG bleibt durch Art. 28 (1) GG auch für Hamburg unverrückbar.
Ich teile die Ansicht von Joschka Fischer, dass die Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung mit der repräsentativen Demokratie gut gefahren ist, und deshalb spreche ich mich gegen eine weitere Ausdehnung direktdemokratischer Elemente aus.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Reinert