Frage an Bernd Posselt von Jens von C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Posselt,
zufällig stieß ich auf Ihre Aussagen im Zusammenhang mit Ihrem Abstimmungsverhalten zum SWIFT-Abkommen II.
Am 16.11.2009 schrieben Sie bei abgeordnetenwatch.de "...den Versuch der schwedischen Ratspräsidentschaft, sich hinter dem Rücken des Europäischen Parlamentes mit den USA zu einigen, halte ich inhaltlich-sachlich für falsch und institutionell für skandalös...Ab 1. Dezember gilt zudem der Lissabonner Vertrag, der dem Europäischen Parlament auch in dieser Frage echte Mitentscheidungsrechte gibt. Ich werde mich dafür einsetzen, diese in Ihrem Sinne zu nutzen."
Am 11.02.2010 schrieben Sie im Forum der ZEIT-Online "Wir CSU-Europaabgeordneten haben in Straßburg geschlossen GEGEN das SWIFT-Abkommen und vorher auch gegen die Verschiebung gestimmt."
Und noch am am 10.03.2010 schrieben Sie an dieser Stelle "...Deshalb habe ich hier im Europaparlament zu jenen gehört, die sich vehement für eine Ablehnung des SWIFT-Abkommens mit den USA einsetzten, und stelle auch an einen neuen Abkommensentwurf höchste datenschutzrechtliche Ansprüche...".
Nur vier Monate später jedoch stimmten Sie und Ihre sieben CSU-Kollegen vehement und geschlossen FÜR das Abkommen. Diese umfassende 180°-Wende hat mich etwas überrascht!
Vor diesem Hintergrund interessiert mich Ihre persönliche und fachliche Sichtweise zu den folgenden Fragen
a) Welche schwerwiegenden Argumente führten zu diesem grundlegenden Meinungswandel?
b) Welche Personen/Institutionen brachten diese Argumente vor?
c) Wurde u.a. für diese Abstimmung vom Instrument des Fraktionszwangs Gebrauch gemacht?
d) Sind den USA auf dem Wege des Abkommens u.U. Rechte eingeräumt wurden, die vielen EU-Regierungen in ihren eigenen Ländern per nationalem Gesetz nicht zustehen?
Für Ihre Bemühungen und Antworten bedanke ich mich schon jetzt recht herzlich und verbleibe
in gespannter Erwartung und mit freundlichem Gruß
Jens von Coburg
Sehr geehrter Herr von Coburg,
es tut mir leid, daß ich wegen extrem viel Arbeit jetzt erst auf Ihre Anfrage reagieren kann, die nicht unmittelbar zu meinem Arbeitsfeld gehört. Ich bin Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses; im Innenausschuß, dessen Mitglied ich von 1994 bis 2004 war, trägt jetzt mein Kollege Manfred Weber die Verantwortung. Wegen der Einzelheiten sollten Sie am besten ihn kontaktieren.
Gerne sage ich Ihnen aber, warum ich dem SWIFT-Abkommen in seiner massiv überarbeiteten Form letztlich doch zugestimmt habe. Die Kommission hat in den Verhandlungen mit den USA auf Druck des Parlamentes echte Verbesserungen und Fortschritte erreicht. Sie liegen vor allem auf dem Gebiet des Datenschutzes, in der Abordnung von EU-Beamten nach Washington, die die Datenauswahl überwachen und in Mißbrauchsfällen blockieren können, in der weitgehenden Ausgliederung des innereuropäischen und der völligen Ausgliederung des nationalen Transfers von Bankdaten, in der Prüfung, ob einer Anfrage tatsächlich ein berechtigter Terror-Verdacht zugrunde liegt etc..
Entscheidend ist aber die Befristung der heutigen Regelungen und der geplante Aufbau einer eigenen europäischen Einrichtung, die die Daten selbst überprüft und so in wenigen Jahren eine Übertragung von Massendaten nach Washington zur Überprüfung durch die USA unnötig macht. Dies ist der wichtigste Unterschied zum alten Abkommen: Europa versetzt sich so schnell wie möglich selbst in die Lage, zu handeln, damit die USA nicht länger ein Vakuum nutzen können, um Einsicht in den europäischen Bankverkehr mit Drittstaaten zu fordern.
Was Ihre anderen Fragen betrifft, so gibt es im Europaparlament keinen Fraktionszwang, und ich habe mich noch nie zu einem Abstimmungsverhalten bewegen lassen, das mit meinem Gewissen nicht vereinbar war. Die Argumente haben wir innerhalb der Fraktion und zwischen den Fraktionen ausgetauscht, und mir schienen letztlich die Vorteile gegenüber den Nachteilen zu überwiegen. Von einer "vehementen" Zustimmung kann allerdings nicht die Rede sein, es war eher ein erträglicher Kompromiß, den wir in nächsten Schritten weiter verbessern müssen, wofür das Abkommen erhebliche Spielräume schafft.
Mit den herzlichsten Grüßen
Ihr Bernd Posselt