Frage an Bernd Hannemann von Ingrid B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Immer weniger Produkte werden von Menschenhand hergestellt. Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen ohne besondere Qualifikation gibt es immer weniger. Vor diesem HIntergrund scheint mir die Forderung nach einem höheren Mindestlohn nicht ausreichend, um eine menschenwürdige Existenz für alle sicherzustellen. Diejenigen, die bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, profitieren davon nicht, ebensowenig wie Menschen mit chronischen Erkrankungen, die häufig im ALGII-Bezug stehen, obwohl sie nicht mehr arbeitsfähig, also "langzeitarbeitslos" sind und eben solche, deren Qualifikation für die moderne Arbeitswelt nicht ausreicht. Wie soll die Existenz für diejenigen Menschen gesichert werden, die nicht mehr am Arbeitsprozess teilhaben können oder noch nie daran teilhaben konnten?
Vielen Dank für Ihre Frage Frau Biebrich,
damit haben Sie einen großen Strauß an Themen angeschnitten von der Arbeitswelt, über den Mindestlohn, die Rente, der Grundsicherung, Hartz IV (Erwerbslosigkeit) und das bedingungslose Grundeinkommen.
Ihre Fragestellung richtet sich prioritär an die Bundestagsabgeordneten. Der Bund als Gesetzgeber ist dafür zuständig.
Da Ihnen sicher auch an meiner Meinung gelegen ist, stelle ich folgendes fest.
Ihre Einschätzung zu den Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen ohne besondere Qualifikation sowie der Tatsache, dass immer weniger Produkte von Menschenhand hergestellt werden, teile ich. Die gegenwärtig praktizierte Zergliederung der Arbeit und eine dabei einhergehende Technisierung der Arbeitswelt, führt unter anderem dazu, dass menschliche Arbeit zunehmend durch Computer ersetzt wird. Dieser Vorgang wird auch Industrialisierung 4.0 bzw. digitaler Wandel genannt. Hinzu kommt ein weiterer Rationalisierungsschub durch die sogenannte künstliche Intelligenz (KI.).
Menschen in „Humankapital“ oder „Kostenfaktor“ zu klassifizieren, halte ich für zynisch und widersinnig, aber so argumentieren heutzutage Unternehmer*innen in der „marktkonformen Demokratie“ (A. Merkel). Mir wäre ein demokratischer Markt lieber, indem der Mensch im Mittelpunkt der Gesellschaft steht und nicht ein anonymer Markt.
Als eine Möglichkeit unter Vielen, könnten sich, zu den unten angeführten Themenkreisen, die Politikerinnen und Politiker der jeweilig regierenden Koalition im Landtag mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Bundestag verständigen, um endlich das unsinnige Hartz-IV-Gesetz zu den Akten zu legen.
Hartz IV
Während gegenwärtig davon die Rede ist, dass es den Menschen hierzulande so gut wie noch nie geht, müssen über sieben Millionen Menschen mit dem bestehenden Hartz- IV- und Sozialhilfeleistungssystem leben. Nimmt man die Nichtinanspruchnahme dazu, wahrscheinlich mehr als zehn Millionen.
Hier müsste konkret danach gefragt werden, wer sind denn die Menschen denen es in diesem Land so gut wie noch nie geht? Die Antwort darauf ist einfach, es ist die vermögende Minderheit in unserem Land die ihren Nutzen aus der Armut vieler Menschen zieht.
Deshalb formuliert DIE LINKE im aktuellen Landtagswahlkampf „Mehr für die Mehrheit“.
Die Mitglieder des Paritätischen Gesamtverbands sind sich darüber einig, dass die die Hartz IV-Reform ein Misserfolg ist. Deshalb fordert auch der Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider „Kompass für Reformen muss der Respekt vor dem Mittel- und Arbeitslosen und seinen Angehörigen sein. Menschenwürde und Individualität statt Massenverwaltungstauglichkeit, Hilfe statt Strafe sind die Leitlinien, an denen sich echte Reformen der Grundsicherung für Arbeitssuchende orientieren müssen.“
Aus meiner Sicht bedeutet Hartz IV Armut und Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe. Deshalb ist für mich und meine Partei nach wie vor klar: Hartz IV muss weg!
Seit 13 Jahren ist die Hartz-IV-Regelung in Kraft und hat Millionen von Menschen in die Armut geschickt. Doch nicht nur das. Hartz IV wirkt sich auch auf die Lohnhöhe von Erwerbstätigen aus. Mit der Einführung von Hartz IV ist die Förderung des Niedriglohnsektors vorangeschritten. Die bestehenden Zumutbarkeitsregelungen und die grundrechtswidrigen Sanktionen erzeugen einen großen Druck, jede auch noch so miserable Stelle anzunehmen oder zu behalten.
Die Bereitschaft, auch schlechte Jobs anzutreten, ist erheblich gestiegen. Auf der anderen Seite subventioniert Hartz IV das Lohndumping in Deutschland. Knapp 1,2 Millionen Menschen sind arm trotz Arbeit und stocken ihre geringen Einkommen durch Hartz IV auf. Daran hat auch die Einführung des viel zu niedrigen Mindestlohns kaum etwas geändert.
In unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 heißt es: »Wir ersetzen es mit guter Arbeit, einer besseren Erwerbslosenversicherung und einer bedarfsgerechten individuellen Mindestsicherung ohne Sanktionen und Kürzungen. Die Höhe muss derzeit 1.050 Euro betragen. Sie gilt für Erwerbslose, aufstockende Erwerbstätige, Langzeiterwerbslose und Erwerbsunfähige ohne hinreichendes Einkommen oder Vermögen. «
Mindestlohn
Den gesetzlichen Mindestlohn wollen wir auf 12 Euro erhöhen. Wir wollen den Arbeitsmarkt regulieren und soziale Sicherheit schaffen: Befristungen ohne sachlichen Grund, Leiharbeit und den Missbrauch von Werkverträgen wollen wir beenden.
Rente
Eine Rente, die den Lebensstandard sichert, ist gerecht und machbar. Schon heute hat leben 2,9 Millionen Menschen in Deutschland in Altersarmut. 1,2 Millionen Männer und und 1,7 Millionen Frauen. Das sind 17,6 Prozent aller Menschen ab 65 Jahren. Das darf nicht so bleiben, darum muss Altersarmut bekämpft und vor allem muss sie frühzeitig verhindert werden.
Gerecht geht anders: Zum Beispiel so, wie in Österreich, wo die Beschäftigten seit 30 Jahren 10,25 Prozent ihres Bruttogehalts in die Rentenkasse und die Arbeitgeber 12,55 Prozent, also 2,3 Prozentpunkte mehr (!) einzahlen. Würde der Beitragssatz von 22,8 Prozent in Deutschland gelten, könnten die Renten um ein Fünftel erhöht werden! So würde aus einer Rente von 1000 Euro eine Rente von 1200 Euro werden.
Der LINKE Plan gegen Altersarmut und für eine Rente, die den Lebensstandard wieder sichert, ist gerecht und machbar.
Das Rentenniveau nicht auf 48 Prozent halten, sondern wieder auf 53 Prozent anheben, so, wie es im Jahr 2000 war, bevor Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Walter Riester es in den Sinkflug schickten. Was brächte es, was kostete es? Ein »Standardrentner« hätte damit fast 130 Euro Rente netto mehr. Und eine durchschnittlich verdienende Versicherte und ihr Arbeitgeber*innen müssten dafür nur knapp jeweils 32 Euro mehr im Monat in die Rentenkasse einzahlen. Das wären erste Schritte zu einer guten Rente. Wir schlagen zudem das österreichische Modell einer Erwerbstätigenversicherung vor. Alle Menschen mit Erwerbseinkommen sollen Beiträge in die Rentenversicherung zahlen, auch Beamtinnen und Beamte, Selbständige, Freiberufler und Politikerinnen und Politiker. Zudem wollen wir die Beitragsbemessungsgrenze in ersten Schritten drastisch anheben und perspektivisch aufheben. Das wäre solidarisch, denn wer viel verdient, kann auch viel Beitrag zahlen.
Aufwertung von Erwerbszeiten im Niedriglohn: Wer zum Beispiel nur 1.200 Euro verdient, erhielte so viele Rentenpunkte, als würde er oder sie 1.800 Euro verdienen. Gleichzeitig wird der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werden - und jedes Jahr so erhöht, dass er ausreichte, um nach dem Arbeitsleben eine armutsfeste Rente zu erhalten. Das soll als verbindliches Kriterium für die Berechnung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns aufgenommen werden.
Wir führen eine einkommens- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente von derzeit 1.050 Euro netto ein: Wir wollen eine Solidarische Mindestrente als Notbremse gegen Altersarmut. Sie wird - ähnlich wie in Österreich - als Zuschlag aus Steuermitteln auf das jeweilige gesamte Alterseinkommen unterhalb der Armutsgrenze gezahlt, so das gelten möge: Niemand soll im Alter von weniger als 1050 Euro leben müssen. Unser Ziel ist, dass Rentensystem so umzubauen, dass möglichst wenig Menschen auf die Solidarische Mindestrente angewiesen sein werden.
Flankiert wird unser Rentenkonzept durch eine echte "Mütterrente", der jedes Kind (Ost/West, zweites oder viertes, vor oder nach 1992) gleich viel wert ist.
DIE LINKE will die unsichere Situation der Erwerbsminderungsrentner*innen sofort verbessern - und nicht weiter aussitzen, wie es die Bundesregierung vorsieht. Darum müssen die systemwidrigen Abschläge von durchschnittlich 88 Euro im Monat abgeschafft werden. Für die künftigen Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner, aber auch für die heutigen. Das wäre eine deutliche Rentenerhöhung für 1,8 Millionen Menschen, die zu krank sind, um Vollzeit (oder überhaupt) zu arbeiten. Viele weitere Punkte runden diesen Plan ab.
So geht eine gerechte Rente. Das ganze LINKE Rentenkonzept gibt es hier:
Zum bedingungslosen Grundeinkommen verweise ich auf die Debatte in der Linken.
https://www.die-linke.de/disput/debatte/grundeinkommen/grundlagenbeitraege/
Mit besten Grüßen Ihr Direktkandidat
Bernd Hannemann