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Bernd Hannemann
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Frage von Ingrid B. •

Frage an Bernd Hannemann von Ingrid B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Bildung, so hört man es täglich in den Nachrichten, ist für alle, auch für alle Parteien, ein großes Thema. Trotzdem scheint sich nichts Wesentliches in diesem Bereich zu bewegen. Ganztagsbetreuung in Schulen und kostenlose Kindergärten sind gut und richtig. Aber das ändert nichts am Bildungskonzept. Warum gibt es mehr SchülerInnen als früher, die keinen Schulabschluss erreichen? Warum gibt es SchülerInnen, die nach 10 Schuljahren nicht richtig lesen und rechnen können? Warum interessieren sich viele Kinder und Jugendliche nicht für die Lehrinhalte, die ihnen angeboten werden? Diese Fragen werden kaum in den Medien diskutiert.

Lehrermangel hat es auch früher gegeben. Nicht, dass ich das gut finde, aber ich habe mir mit 42 anderen Mädchen ein Klassenzimmer geteilt. Allerdings mußte ich nie in eine Schule gehen, in der die Toiletten verstopft waren oder es durch das Dach regnete, und meine Lehrer waren praktisch nie krank. Das ist heute anders, und ohne Zweifel sind die Belastungen für die Lehrer größer geworden.

Ich würde es begrüßen, wenn sich die Debatte um das Thema Bildung von den äußeren Bedingungen, wie kostenlose Kinderbetreuung, Lehrermangel und Lehrerüberforderung mehr zur inhaltlichen Ausrichtung des Lehrbetriebes bzw. der Kinderbetreuung wenden ließe. Ich habe oben ausgeführt, dass ich die Schwierigkeiten rund um die Rahmenbedingungen nicht kleinreden will. Aber einfach nur mehr Geld in die Bildung zu pumpen, genügt nicht. Wir müssen Kindergärten, Schulen und Universitäten neu erfinden, wenn wir wirklich eine Bildungsreform, die diesen Namen verdient, wünschen.

Wie steht Die Linke in Hessen zu diesen Fragen?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Biebrich,

vielen Dank für Ihre Frage.

Leider hängt auch in Hessen der sogenannte „Bildungserfolg“, also die erreichten Bildungsabschlüsse, noch immer von der sozialen und finanziellen Herkunft ab. Das darf nicht sein! Zu guter und gerechter Bildung zählt aber noch mehr. DIE LINKE fordert daher ein Lernumfeld, in dem sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte und die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich lernen, lehren, fördern und arbeiten können.

Eine Neuauswertung der Pisa-Studie 2015 die sich mit der "Chancengleichheit in der Bildung: Abbau von Hindernissen für soziale Mobilität" beschäftigt, hat festgestellt, dass sich die Situation von sozial und materiell benachteiligten Schülerinnen und Schülern zwar gebessert hat, aber der „Bildungserfolg“ immer noch zu sehr von der sozialen Herkunft beziehungsweise vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Kinder aus sozial und materiell benachteiligten Familien haben gegenüber ihren Klassenkameraden aufgeholt, liegen aber weiterhin deutlich hinter Kindern aus Akademikerfamilien zurück.

Deshalb ist ein besserer Zugang für alle schon zur frühkindlichen Bildung eine berechtigte Forderung. Kitas könnten eine gleichberechtigte Lernumgebung schaffen und Kindern helfen, soziale und emotionale Fähigkeiten zu erwerben.

Die größten Aufgaben liegen aber bei den Schulen und Schulpolitikern. Diese sollten:

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verhindern, dass fast ausschließlich sozial benachteiligte Schüler in einer Klasse oder Schule landen,

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zusätzliche Ressourcen bereitstellen, um Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern zu unterstützen,

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Eltern ermutigen, sich mehr in die Bildung ihrer Kinder einzubringen,

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eine bessere Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern fördern,

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Lehrkräfte im Umgang mit heterogenen Schülerschaften fortbilden.

DIE LINKE will eine sozial gerechte und demokratische Bildungsreform. Alle fördern und kein Kind „sitzen lassen“ muss an die Stelle von Auslese treten. Zudem will DIE LINKE die Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern verbessern, Schulgebäude und Sportstätten gründlich und bedarfsorientiert sanieren, echte Lernmittelfreiheit herstellen und die Schule inklusiv und integrativ gestalten.

Dabei darf nicht vergessen werden: Eine sozial gerechte Bildung für alle kann nur in gesellschaftlicher Verantwortung und bei umfassender und bedarfsorientierter staatlicher Förderung gewährleistet werden. Bildung ist keine Ware! Die LINKE wendet sich daher gegen alle Formen von Privatisierung und Ökonomisierung des Bildungswesens. Wir wenden uns gegen die Bemühungen der Landesregierung, sich dadurch immer weiter aus der Verantwortung zu stehlen. Kitas, Schulen und Hochschulen sollen sich nicht wie Unternehmen verhalten müssen.

Frontalunterricht, Nachsitzen und pures Auswendiglernen sind längst überholte Unterrichtskonzepte. Die Heterogenität der Kinder und Jugendlichen hört nicht mit dem Betreten des Klassenzimmers auf. Doch leider verharrt das Bildungswesen in Hessen nach wie vor in Stagnation. Individuelle Förderung gehört als vorderstes Prinzip in die Klassenzimmer. Der Unterrichtsprozess muss den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen ebenso gerecht werden wie dem Ziel, heterogene Lerngruppen zu solidarischem gemeinsamem Lernen und Arbeiten zu befähigen.

Eine Klassenstärke von 43 Schülerinnen und Schülern ist für einen qualifizierenden Unterricht gewiss nicht zielführend. In meiner Klasse saßen 49 Schülerinnen und Schüler und ich bin mir sicher, dass die Lehrkräfte, beim Verlassen der Klasse angesichts eines derart großen Klassenverbands, sicher nicht von einer Vergnügungsteuer pflichtigen Veranstaltung sprachen. Die Lehrerinnen und Lehrer konnten lediglich einen sogenannten Frontalunterricht durchführen, für die Schülerin oder den Schüler, der Schwierigkeiten mit dem Stoff hatte, blieb meist keine Zeit. Gerade diese Form des Unterrichts kritisiert DIE LINKE. Gleichermaßen lehnt DIE LINKE eine Bildungsindustrie ab, die teilweise Inhalte so vermittelt, dass sich die Schüler*innen gezwungen sehen, zunehmend immer größer werdende Mengen an Lehrstoff einzuverleiben um diesen bei Prüfungen abzurufen. Diese Art von „Wissensbulimie“ hat in einer Schule nichts verloren! Eine zusätzliche Verschlechterung erfährt unser Bildungswesen dadurch, dass sich sehr viele angestellte Lehrerinnen und Lehrer in den Ferien arbeitslos melden müssen um danach wieder ihre Arbeit aufnehmen zu dürfen. Ein unhaltbarer Zustand den es in früheren Zeiten so überhaupt nicht gab.

Spitze Zungen behaupten, dass die baufälligsten Gebäude in unseren Städten und Dörfern die Schulen sind. Die Sanierung bzw. die Bauwerterhaltung unserer Bildungsstätten ist eine Querschnittsaufgabe die jahrelang vernachlässigt wurde. Bildung ist eine, wenn nicht die wichtigste Ressource in unserer Gesellschaft, der offensichtlich durch politisches Versagen jahrelang keine Beachtung geschenkt wurde. Wenn die Bundesregierung plant, den Rüstungshaushalt von derzeit 38,52 Milliarden Euro auf 42,9 Milliarden Euro in 2019 zu erhöhen, was einer Steigerung von 4,38 Milliarden Euro entspricht, dann könnte die Große Koalition im Bund mit dieser Summe sicher leicht das hiesige Bildungssystem in eine weltweite Spitzenposition bringen. Gleichermaßen verhält es sich mit den Cum-Ex-„Geschäften“ von nicht wenigen Steuerräubern, die dem Fiskus zwischen 2001 und 20016 mindestens 31,8(!) Milliarden Euro entzogen hatten. Damit hätte man sehr leicht Deutschland zum Bildungsland Nummer eins hochkatapultieren können. Offensichtlich fehlt hier der politische Wille. Das will DIE LINKE ändern.

Beste Grüße

Bernd Hannemann