Frage an Bernd Busemann von Ulrich K. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Busemann,
der Kriminologe Prof.Pfeiffer kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass bei besserer Bildung die Jugendgewalt zurückgehe. Allerdings: Bessere Bildung in kleineren Klassen muss finanziert werden! Deshalb hierzu meine Frage an Sie: Sind Sie für einen weiteren Abbau der Staatsquote zugunsten weiterer Privatisierungen (also auch im Bildungsbereich) bei gleichzeitigen weiteren steuerlichen Entlastungen der "Besserverdienenden"? Wie sinnvoll halten den Vorschlag des CSU-Chefs Huber (vgl. SZ vom 22.12.2007), der eine "steuerliche Entlastung" für Familien vorschlägt?
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Krach
Sehr geehrter Herr Krach,
wenn Herr Professor Pfeiffer die Gleichung aufstellt "Mehr Bildung - weniger Gewalt" ist das sicher richtig, aber auch eine Binsenweisheit. Denn wer sich mit Sprache nicht gut oder gar nicht ausdrücken kann, drückt sich dann auch eher mit seinen Fäusten aus. Die von Herrn Pfeiffer geforderte Abschaffung der Hauptschule kann nicht die Lösung dieses Problems sein. Wenn nur die Türschilder ausgetauscht werden, nützt das nichts. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen gibt es dann nach wie vor. Allenfalls fallen sie vielleicht weniger auf in der großen Masse von Schülern an integrierten Schulformen. Wären integrative Schulsysteme die Lösung, müssten Länder wie Brandenburg oder auch NRW und sogar Berlin, die erheblich mehr Schulen dieser Art vorhalten als Niedersachsen, dann ja auch weniger Probleme haben. Herr Pfeiffer selbst und seine Untersuchungen belegen aber, dass dies nicht so ist.
Der Lösungsansatz, der in Niedersachsen offenbar auch greift, liegt in einem ganzen Bündel von Maßnahmen. An erster Stelle ist die verbindliche Sprachförderung vor der Einschulung zu nennen, die in Niedersachsen das ganze letzte Kindergartenjahr vor dem ersten Schuljahr umfasst und schulgesetzlich verankert ist. Wichtig ist auch die Verbesserung der Hauptschulen durch ein klares Profil, das auf die spätere Berufsausbildung ausgerichtet ist.
Bessere Bildung ist wohl auch von mehr Faktoren abhängig als nur von kleineren Klassen. In der Forschung wird sogar bestritten, dass kleinere Klassen wirklich zu mehr Bildungserfolg führen. Entscheidend sind wohl eher eine gute frühkindliche Bildung, eine hohe Unterrichtsqualität, individuelles Fördern und Fordern sowie die eigenverantwortliche Qualitätsarbeit jeder Schule. Mit entsprechender finanzieller Ausstattung des Bildungsbereichs im Landeshaushalt wollen wir aber in der nächsten Legislaturperiode prüfen, ob wir die Teilungswerte bei der Klassenbildung wieder absenken können. Wenn bei den leider weiter zurückgehenden Schülerzahlen die jetzt zur Verfügung stehenden Mittel im Bildungsbereich verbleiben, bekommen wir bereits Spielräume, die das zulassen.
Schulen in freier Trägerschaft empfinde ich als Bereicherung unseres Schulwesens. Auch sie refinanzieren sich zu einem erheblichen Anteil aus der Finanzhilfe des Landes. Insofern geht es bei ihrer Genehmigung auch nicht um "Privatisierungen" zum Abbau der Staatsquote oder zur Entlastung der "Besserverdienenden". Im Vordergrund stehen pädagogische Konzepte wie zum Beispiel bei Waldorfschulen, der Internationalen Schule und der Glockseeschule in Hannover und nicht zuletzt den kirchlichen Schulen im Lande. Im Genehmigungsverfahren für Ersatzschulen in freier Trägerschaft prüfen wir im Kultusministerium unter anderem, ob das im Grundgesetz enthaltene Separationsverbot nach der Vermögenslage der Eltern eingehalten wird. Das heißt, Elternbeiträge müssen bezahlbar sein, und es sollen Rabatte oder Freiplätze für Schülerinnen und Schüler aus weniger begüterten Familien eingerichtet werden.
Grundsätzlich trägt der Staat die Verantwortung für sein Schulwesen. Das gilt inhaltlich, aber auch für die Frage der Ausstattung mit Lehrkräften und andere Ressourcen. Das wird sich auch mit der Eigenverantwortlichkeit unserer Schulen nicht ändern.
Angesichts der Bevölkerungsentwicklung, bundesweit und nicht nur in Niedersachsen, macht eine steuerliche Entlastung der Familien durchaus Sinn. Kinder kosten nun einmal Geld. Wenn wir wollen, dass wieder mehr junge Leute eine Familie gründen und Kinder haben wollen, können wir sie nicht damit allein lassen. Unser Sozialsystem beruht in seinen Kernelementen auf dem Generationenvertrag. Es ist also im Interesse aller, wenn wir die Familien fördern.
Freundliche Grüße
Bernd Busemann
Niedersächsischer Kultusminister