Warum sollen sich ab 2025 Finanzbeamte und -gerichte in sehr vielen Einzelfallentscheidungen mit der Frage beschäftigen, ob musikalische Bildung ein Hobby ist?
Musikpädagogen fördern mit ihrem Unterricht nicht nur die Allgemeinbildung sondern auch die Entwicklung der Persönlichkeit (z.B. Verbesserung der Teamfähigkeit) und der kognitiven Fähigkeiten (z.B. logisches Denken, Kreativität und Gedächtnis) sowie der psychischen Gesundheit (Musizieren und Singen = Antidepressivum). Insofern wirkt sich Musikunterricht positiv auf die Arbeitsfähigkeit und -leistung aus. Laut EU-Richtlinie soll Bildung umfassend von der Umsatzsteuer befreit werden (Artikel 132 der MwStSystRL). Warum sollte die generelle Umsatzsteuerbefreiung in Deutschland also aufgehoben werden zugunsten einer teuren Einzellfallregelung? Sollen Musikpädagogen dadurch in die Grundsicherung getrieben sowie die so wichtige musikalische Bildung zu einem Privileg der Reichen werden?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachricht zur Umsatzsteuerbefreiung von Musikunterricht. Da ich selbst 25 Jahre als Schlagzeuger in verschiedenen Bands tätig war und auch Unterrichtsstunden gegeben hatte, können sie sicher nachvollziehen, dass mir das Thema als Musiker sehr am Herzen liegt.
Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt Ihr Anliegen: Alle Bürgerinnen und Bürger müssen Zugang zu Bildung und Teilhabe an lebenslangem Lernen haben. Wir setzen uns dafür ein, dass Bildungsleistungen von der Umsatzsteuer befreit sind, soweit es das EU-Recht zulässt. Deswegen werden wir bei den anstehenden Beratungen des Jahressteuergesetzes 2024 darauf achten, dass mit der Neuregelung kein Bildungsträger schlechter gestellt wird. Das gilt selbstverständlich auch für Musikunterricht.
Intention des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist, die Steuerbefreiung rechtssicher zu erhalten. Eine Einschränkung ist nicht beabsichtigt. Das gilt auch für Musikunterricht. Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass dieser wie bisher von der Steuer befreit bleiben soll.
Mit dem Wegfall des Bescheinigungsverfahrens soll im Sinne der Betroffenen Verwaltungsaufwand vermieden werden und für Rechtssicherheit gesorgt werden, denn dadurch würde künftig der „geteilte“ Rechtsweg aus Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit entfallen. Die Finanzämter sind dabei keine fachfremden Stellen, sondern bestens geeignet um die Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu prüfen. Es wird wie bisher klare Verwaltungsanweisungen geben, die für eine einheitliche Handhabung sorgen.
Die Einschränkung, dass Leistungen, die nach ihrer Zielsetzung der reinen Freizeitgestaltung dienen, nicht steuerbefreit sind, gilt im Übrigen wegen der Vorgaben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch schon für die derzeit geltende Steuerbefreiung (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007, C-445/05 (Haderer), Rn. 26). Mit der Aufnahme dieser vom EU-Recht vorgegebenen Einschränkung in die Gesetzesbegründung soll nur die bestehende Rechtslage aufgegriffen und klargestellt werden. Welche Leistungen das sind, kann dabei wie schon bisher letztlich nur im Einzelfall entschieden werden. Wir erwarten aber, dass die Kriterien für die Abgrenzung, wie sie bisher schon im Umsatzsteuer-Anwendungserlass enthalten sind, auch für die Anwendung der neu gefassten Umsatzsteuerbefreiung Bestand haben werden und es somit zu keiner engeren Auslegung kommen wird.
Die Befürchtungen, die uns derzeit von Musikschulen und Musiklehrer:innen erreichen, nehmen wir dennoch sehr ernst. Deswegen werden wir die vorgebrachten Kritikpunkte im parlamentarischen Verfahren noch sorgfältig prüfen. Sollte sich in den parlamentarischen Beratungen und Anhörungen herausstellen, dass zusätzliche Klarstellungen notwendig sind, um letzte Unsicherheiten und Zweifel auszuräumen, so sind wir dazu jederzeit bereit.
Wenn Sie noch weitere Fragen haben, wenden Sie sich gerne an mein Team oder an mich unter bengt.bergt.wk@bundestag.de oder bengt.bergt@bundestag.de.
Mit freundlichen Grüßen
Bengt Bergt
Bundestagsabgeordneter