Wann kommt endlich das Selbstbestimmungsgesetz? Ist überhaupt noch der Wille in der Ampel vorhanden in diesem Fall Menschenrecht umzusetzen?
Sehr geehrter Herr Bergt,
ich erlebe wie andere Gesetze schnell umgesetzt werden, nur beim Selbstbestimmungsgesetz passiert nach meinem Gefühl nichts. Ist überhaupt noch der Wille da?
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die Beratungen zu dem Selbstbestimmungsgesetz stehen im Deutschen Bundestag noch bevor. Der Referentenentwurf des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) und des Bundesjustizministeriums (BMJ) ist seit dem 9. Mai 2023 öffentlich und befindet sich derzeit in der Länder- und Verbändeabstimmung.
Das geltende Gesetzesrecht trägt dem Selbstbestimmungsrecht derzeit nicht hinreichend Rechnung. Alle Menschen sollen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht bekommen und die geschlechtliche Identität gehört zur individuellen Persönlichkeit und muss deswegen durch das Persönlichkeitsrecht geschützt werden.
Lassen Sie mich im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen einige unserer grundsätzlichen Überlegungen erläutern:
Wir in der SPD-Fraktion im Bundestag nehmen die im Grundgesetz festgehaltene Würde eines jeden Menschen sehr ernst und wollen, dass jeder Mensch – unabhängig von seiner Herkunft oder seines Geschlechtes – die gleichen Chancen hat und sich frei entfalten kann. Dazu gehört auch der Schutz vor Diskriminierung und Gewalt.
Trans*Menschen sind in hohem Maße struktureller Diskriminierung und alltäglicher Gewalt ausgesetzt. Dieser Diskriminierung treten wir entschieden entgegen und setzen uns für die Anerkennung und Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-, Inter- und queeren Menschen (LSBTIQ*) ein.
Ein wichtiger Schritt ist deshalb, das in weiten Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz von 1980 abzuschaffen und durch das Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Wir wollen mit dem neuen Gesetz das bisher entwürdigende, langwierige und kostspielige Verfahren, das derzeit einer Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags vorausgeht, abschaffen. Stattdessen wollen wir eine einheitliche Regelung für trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen zur Änderung des Geschlechtseintrages und der Vornamen per Selbstauskunft beim Standesamt schaffen. Ausschließlich darum geht es beim Selbstbestimmungsgesetz: Ein M, F oder X im Reisepass. Ich freue mich, dass dieser Paradigmenwechsel grundsätzlich auch Ihre Zustimmung findet. Wie eingangs beschrieben: Es geht um mehr Teilhabe und um Respekt.
Wir sind davon überzeugt, dass geschlechtliche Vielfalt und die Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung in keinem Konkurrenzverhältnis zu Fraueninteressen und dem Schutz für Mädchen und Frauen stehen. Wir sehen, dass es bei der Bekämpfung patriarchaler Gewalt noch viel zu tun gibt. Wir als SPD-Fraktion werden hier mit der vollen Umsetzung der Istanbul-Konvention, mit einer besseren Ausstattung von Frauenhäusern und mit der Strafverschärfung bei frauen- und queerfeindlichen Straftaten deutliche Schritte gehen. Gleichwohl müssen wir als Gesellschaft besser darin werden, Gewalt als solche zu benennen und zu ächten: Jedes Opfer von Hass ist eines zu viel. Gewalttätiges und übergriffiges Verhalten von Personen egal welcher Geschlechtszugehörigkeit ist und bleibt in Zukunft strafbar.
Möglicher Missbrauch soll verhindert werden. Das ist ein Grund, warum es in dem nun vorliegenden Entwurf einen Hinweis zur Bekräftigung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt.
Bei den parlamentarischen Beratungen werden wir zudem die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen sehr genau im Blick haben. Da es auch um die Entwicklung von jungen Menschen geht, ist es wichtig und richtig, dass die Federführung für dieses Gesetz direkt beim Bundesfamilienministerium liegt. Wir begrüßen es beispielsweise, dass der aktuelle Entwurf einen Ausbau der Aufklärungs- und Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche vorsieht.
Wenn Sie noch weitere Fragen haben, wenden Sie sich gerne an mein Team oder an mich unter bengt.bergt.wk@bundestag.de oder bengt.bergt@bundestag.de.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Bengt Bergt
Bundestagsabgeordneter