Frage an Beate Merk von Reinhard B. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Dr. Merk,
nachdem die Diskussionen in den Medien über den Strafvollzug, härtere Strafen und Behandlung von Sexualtätern in Bayern und dem Strafvollzug wieder abgeklungen sind, bedarf es doch einiger Fragen zu diesem Thema.
Als langjähriger Mitarbeiter im bayerischen Strafvollzug erscheint es mir doch merkwürdig, wenn ausgerechnet bei einer bayerischen Justizvollzugsanstalt ein mehrmalig rechtskräftig zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilter Sexualstraftäter für private Arbeitseinsätze andere Strafgefangene (sogenannte Freigänger) mehrmals am Wochenende aus einer Justizvollzugsanstalt abholt?
Widersprechen diese Vorkommnisse nicht den für die Öffentlichkeit dargestellten bayerischen Vollzug und die Sicherheit, welche in den Medien hervorgehoben werden?
Ist diese Praxis der Arbeitsbeschäftigung für Freigänger unter der oben genannten Voraussetzung eine neue Form der Resozialisierung?
Handelt es sich bei der Beschäftigung von Freigängern bei ehemaligen Sexualtätern um eine besondere Form der Therapie für Sexualtäter?
Sollte nicht auf Grund des Artikels 28 Abs. 2 StVollzG
http://www.justizvollzug-bayern.de/JV/stvollzg2008.pdf
der Besuch von Gefangenen auf Angehörige beschränkt werden?
Sehen Sie als Justizministerin hierzu Veranlassung, um solche Arbeitseinsätze von Freigängern in Zukunft zu unterbinden?
R. Brucksch
Sehr geehrter Herr Brucksch,
für Ihr Schreiben vom 5. September 2008 und Ihr Interesse am bayerischen Justizvollzug danke ich Ihnen.
Vorab darf ich um Verständnis dafür bitten, dass ich auf den von Ihnen angespro-chenen Fall einer angeblichen Beschäftigung von Gefangenen bei einem bereits entlassenen Strafgefangenen nicht näher eingehen kann. Ohne nähere Einzelhei-ten hierzu ist mir eine Stellungnahme nicht möglich.
Allgemein kann ich Ihnen mitteilen, dass Vollzugslockerungen wie Freigang u.a. wichtige Behandlungsmaßnahmen sind, die den Gefangenen befähigen sollen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Art. 2 S. 2 BayStVollzG). Freigang als regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt oh-ne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten dient insbesondere dazu, den Gefangenen durch sinnvolle und nützliche Arbeit an ein auf eigener Arbeit aufgebautes Leben zu gewöhnen. Die Erfahrungen zeigen, dass Inhaftierte gerade in diesem Bereich erhebliche Defizite haben. Nur wenn es gelingt, während der Haftzeit diese Män-gel auszugleichen, haben die Gefangenen nach der Entlassung eine echte Chan-ce, im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass in Bayern in jedem Einzelfall sehr sorgfältig geprüft wird, ob die Gewährung von Freigang in Betracht kommt. Zum einen muss ein Gefangener geeignet sein und außerdem die Erwartung rechtfertigen, dass er sich nicht dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder weitere Straftaten begehen wird. Zum anderen wird bei der Frage der Gewährung von Freigang auch geprüft, ob der Gefangene an seinem Arbeits-platz schädlichen Einflüssen unterliegt oder eine Behinderung seiner Eingliede-rung zu befürchten ist. Zu diesem Zweck ist die Beschäftigungsstelle vor der Auf-nahme der Tätigkeit des Gefangenen von einem Vollzugsbediensteten aufzusu-chen. Auch in der Folgezeit soll mindestens einmal im Monat eine Überprüfung vor Ort durch einen Bediensteten stattfinden. Darüber hinaus kontrolliert die Anstalt das Verhalten der Gefangenen während des Freigangs in unregelmäßigen Ab-ständen. Allein die Tatsache, dass ein Arbeitsplatz von einer früher inhaftierten Person zur Verfügung gestellt wird, steht einer Beschäftigung von Gefangenen dort nicht von vornherein entgegen. Maßgeblich sind insoweit die Umstände des Einzelfalls. Sofern jedoch die genannten Voraussetzungen nicht zweifelsfrei vor-liegen, kann einem Gefangenen kein Freigang gewährt werden. Resozialisierung auf Kosten der Sicherheit der Allgemeinheit findet im bayerischen Strafvollzug nicht statt.
Die von Ihnen angesprochene Einschränkung des Besuchsrechts der Gefangenen halte ich weder für zweckmäßig noch erforderlich. Außenkontakte, wie sie über den Besuch vermittelt werden, dienen der Schaffung, Aufrechterhaltung und Stär-kung sozialer Bindungen und sind daher für das Vollzugsziel der Wiedereingliede-rung des Gefangenen von herausragender Bedeutung. Der Besuch ist oftmals für Gefangene die einzige Möglichkeit des unmittelbaren Kontakts zu anderen Perso-nen ihres früheren oder künftigen Lebensbereiches. Nach Art. 28 Nr. 2 BayStVollzG kann ein Besuch von Personen, die nicht Angehörige des Gefange-nen sind, untersagt werden, wenn zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf den Gefangenen haben oder seine Eingliederung behindern würden. Diese Möglichkeit des Besuchsverbots ist in der Praxis völlig ausreichend.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Beate Merk
Am 05.09.2008 um Uhr haben Sie geschrieben:
> Sehr geehrte Frau Merk,
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> Reinhard Brucksch aus 96155 Buttenheim hat als Besucher/in der Seite
> www.kandidatenwatch.de bzgl. des Themas "Innere Sicherheit und Justiz"
> eine Frage an Sie.
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> Sehr geehrte Frau Dr. Merk,
>
> nachdem die Diskussionen in den Medien über den Strafvollzug, härtere
> Strafen und Behandlung von Sexualtätern in Bayern und dem Strafvollzug
> wieder abgeklungen sind, bedarf es doch einiger Fragen zu diesem
Thema.
>
> Als langjähriger Mitarbeiter im bayerischen Strafvollzug erscheint es
mir
> doch merkwürdig, wenn ausgerechnet bei einer bayerischen
> Justizvollzugsanstalt ein mehrmalig rechtskräftig zu langjährigen
> Freiheitsstrafen verurteilter Sexualstraftäter für private
Arbeitseinsätze
> andere Strafgefangene (sogenannte Freigänger) mehrmals am Wochenende
aus
> einer Justizvollzugsanstalt abholt?
>
> Widersprechen diese Vorkommnisse nicht den für die Öffentlichkeit
> dargestellten bayerischen Vollzug und die Sicherheit, welche in den
Medien
> hervorgehoben werden?
>
> Ist diese Praxis der Arbeitsbeschäftigung für Freigänger unter der
oben
> genannten Voraussetzung eine neue Form der Resozialisierung?
>
> Handelt es sich bei der Beschäftigung von Freigängern bei ehemaligen
> Sexualtätern um eine besondere Form der Therapie für Sexualtäter?
>
> Sollte nicht auf Grund des Artikels 28 Abs. 2 StVollzG
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> http://www.justizvollzug-bayern.de/JV/stvollzg2008.pdf
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> der Besuch von Gefangenen auf Angehörige beschränkt werden?
>
> Sehen Sie als Justizministerin hierzu Veranlassung, um solche
> Arbeitseinsätze von Freigängern in Zukunft zu unterbinden?
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> R. Brucksch
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> (i.A. von Reinhard Brucksch)
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