Frage an Beate Merk von Christian P. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Ministerin,
Sie erleben es in diesem Forum häufiger, daß Menschen, die sich von Ihrem Apparat ungerecht behandelt fühlen, Sie in ihrer Not um Hilfe bei der Aufarbeitung ihrer Fälle bitten; zuletzt ein Herr Zwanziger.
Es kommt dann - genauso regelmäßig (und mit Textbausteinen) - Ihr Hinweis auf die "richterliche Unabhängigkeit", auf Paragraphen, Artikel und sonstige Statuten, die es Ihnen angeblich verbieten, Stellung oder gar Einfluß zu nehmen. So weit, so gut.
Was ich aber nun nicht verstehe, Frau Merk, ist der Umstand, daß es Ihnen im Fall Mollath eben DOCH möglich ist, den Fall "neu aufrollen zu lassen" (oder wie immer Sie es in Ihrer Terminologie nennen). Denn eines ist doch klar: Das Ergebnis, zu dem Ihr Apparat schließlich gelangen wird, ist ein anderes als zuvor; sonst wäre das Procedere sinnlos.
Des weiteren gibt Ihr Chef, Herr Seehofer, neuerdings "Empfehlungen" an Ihren Apparat, so daß eine Einflußnahme seitens der Politik nun nicht mehr verleugnet werden kann.
Daher also meine ganz allgemeine Frage, die ich gern mit 2 oder 4 Buchstaben beantwortet hätte; dies erspart Ihnen Zeit & Mühe; sie lautet:
Können Sie dezidiert ausschließen, daß es seitens der Politik (Justizministerium, Innenministerium, Staatskanzlei, MP o. a.) jemals eine - wie auch immer geartete - Absprache und/oder Einflußnahme auf die Judikative gegeben hat?
Ich beschränke mich hier bewußt nicht auf prominente Fälle wie Mollath, Gaddafi oder andere.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen
Dr. Christian Petersen
Aschaffenburg
Sehr geehrter Herr Dr. Petersen,
vielen Dank für Ihre Nachricht zur "richterlichen Unabhängigkeit". Sie werfen hierzu vor dem Hintergrund des Falles des Herrn Mollath verschiedene Fragen auf. Hierzu nehme ich gerne Stellung. Dabei ist klar zu trennen zwischen den Gerichten einerseits und den Staatsanwaltschaften andererseits.
Das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung haben die rechtsprechende Gewalt den Richtern übertragen. Gerichte sind bei uns unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Diese Unabhängigkeit ist aus guten rechtsstaatlichen Gründen umfassend. Eine Überprüfung, Bewertung oder Weisung der Staatsregierung als Teil der Exekutive oder des Landtags kommt hier nicht in Betracht. Um auf Ihre Frage zu antworten: Nein.
Demgegenüber sind die Staatsanwaltschaften Teil der Exekutive. Das Weisungsrecht der jeweiligen Landesjustizverwaltung und damit auch des Justizministers bzw. der Justizministerin gegenüber den Staatsanwälten eines Landes ist gesetzlich in §§ 146, 147 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) geregelt. Es umfasst sowohl generelle Anordnungen als auch Weisungen für die Sachbehandlung im Einzelfall. Hintergrund dieser Regelung ist, dass nach unserer Verfassung jede staatlich ausgeübte Hoheitsgewalt einer demokratische Legitimation bedarf.
Von der Möglichkeit einer ministeriellen Einzelfallweisung gegenüber der Staatsanwaltschaft wird allerdings grundsätzlich - bis auf äußerst seltene Ausnahmefälle - nicht Gebrauch gemacht. Ein Justizminister ist an Recht und Gesetz gebunden und steht unter kritischer Beobachtung von Medien, Öffentlichkeit und Opposition. Bei sachwidrigen Einflussnahmen setzt er sich selbst der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aus, sei es etwa wegen (versuchter) Strafvereitelung, sei es wegen Verfolgung Unschuldiger.
Im Fall des Herrn Mollath hatte es jüngst Hinweise auf ganz außergewöhnliche neue Fakten gegeben. Deshalb prüft die örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft Regensburg auf Bitte des Justizministeriums von Amts wegen den Sachverhalt umfassend und unter allen Gesichtspunkten die Wiederaufnahme des Verfahrens. Über einen Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft hat ein unabhängiges Gericht zu entscheiden. Eine Überprüfung, Bewertung oder Weisung der Staatsregierung oder des Landtags kommt auch hier nicht in Betracht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Beate Merk