Portrait von Beate Merk
Beate Merk
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Beate Merk zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Kristina M. •

Frage an Beate Merk von Kristina M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Dr. Merk,

auf den Internetseiten der beiden Münchner Staatsanwaltschaften I und II ist zu lesen, dass eine große Zahl an Strafverfahren eingestellt wurde:

Staatsanwaltschaft II
126 Mitarbeiter
2011
29.369 von 37.624 = 79 % !!!
http://www.justiz.bayern.de/sta/sta/m2/daten/

Staatsanwaltschaft I
417 Mitarbeiter
2008 (aktuelle Zahlen fehlen komplett)
166.834 von 192.380 = 87 % !!!
http://www.justiz.bayern.de/sta/sta/m1/daten/

Hier stellen sich mir folgende Fragen:

* Werden durch die vielen Einstellungen der Verfahren die Rechte und Ansprüche der Bürger verhindert?

Zumal man für die weitere Fortsetzung des Verfahrens einen Anwalt benötigt wie andere Anfragen an Sie zeigen. Auch im Internet oder der Presse erfährt man von fragwürdigen Einstellungen unter seltsamen Gesetzesauslegungen.

* Wird aufgrund der niedrigen Anklagen durch die Staatsanwaltschafen den Bürgern ein sicheres Bayern vorgegaukelt?

* Wird die Statistik bewußt grob gehalten? Hier sollte eine Aufschlüsselung erfolgen? z.B. Anzeigen gegen Behörden

* Warum liegen keine aktuellen Zahlen für die Staatsanwalt I für das Jahr 2011 vor?

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Beate Merk
Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Miederer,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 21. August 2012.

Sie beziehen sich auf Verfahrenszahlen, die auf den Internetseiten der Staatsan-waltschaften München I und München II veröffentlicht sind. Folgendes kann ich Ihnen dazu mitteilen:

1. Zur 1. Frage:

Die Staatsanwaltschaft ist an Recht und Gesetz gebunden; sie kann öffentliche Klage bei Gericht nur erheben, wenn die Ermittlungen hierzu genügenden Anlass bieten (§ 170 Abs. 1 StPO). Ein "genügender Anlass" setzt u.a. voraus, dass kein Verfahrenshindernis besteht und der Beschuldigte der Straftat hin-reichend verdächtig ist, d.h. eine spätere Verurteilung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Neben der Klageerhebung bei Gericht können Ermittlungsverfahren aber auch bei der Staatsanwaltschaft selbst erledigt werden. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen eines Verfahrenshin-dernisses oder mangels hinreichenden Tatverdachts einstellen muss, aber auch, wenn sie das Verfahren wegen geringer Schuld oder mit Blick auf eine weitere, schwerwiegendere Straftat oder nur vorläufig unter Anordnung von Auflagen oder Weisungen einstellt. Im zuletzt genannten Fall wird der Täter beispielsweise zur Zahlung einer Geldauflage an eine gemeinnützige Einrich-tung oder zur Schadenswiedergutmachung gegenüber dem Opfer verpflichtet, wodurch in Fällen geringerer Schuld zugleich wichtigen Interessen der Opfer bzw. der Allgemeinheit Rechnung getragen werden kann. Erst nach Erfüllung der Auflage wird das Verfahren endgültig eingestellt. Zu den Erledigungen bei der Staatsanwaltschaft zählen darüber hinaus aber u.a. auch Verweisungen auf den Privatklageweg, Abgaben an eine andere Staatsanwaltschaft, Verbindung mehrerer Verfahren oder Abgaben an die Verwaltungsbehörde, die dann etwaige Ordnungswidrigkeiten weiter verfolgt.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass keineswegs alle Verfahren, die bei der Staatsanwaltschaft (abgesehen von der Klageerhebung bei Gericht) erledigt werden, ohne weitere Folgen eingestellt werden.

2. Zur 2. Frage:

Ob die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, das Verfahren einstellt oder eine Verweisung auf den Privatklageweg, eine Abgabe oder eine Verbindung mit einer anderen Sache verfügt, wird vom zuständigen Staatsanwalt in jedem Einzelfall gesondert anhand der gesetzlichen Vorgaben und der besonderen Umstände des Falles geprüft und entschieden. In einer Vielzahl von Fällen hat die Staatsanwaltschaft aufgrund zwingender gesetzlicher Vorgaben von vor-neherein keinen Ermessensspielraum. Aber auch Einstellungen nach pflicht-gemäßem Ermessen der Staatsanwaltschaft kommen nur bei strikter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen in Betracht. So ist z.B. eine Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 1 StPO nur bei Vergehen (also keinesfalls bei Verbrechen wie etwa Totschlag oder Raub) möglich und auch nur dann, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öf-fentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Auch eine Einstellung gegen Weisungen und Auflagen im Sinne von § 153a Abs. 1 StPO ist nur bei Verge-hen möglich und nur dann, wenn die Weisungen und Auflagen geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen sowie die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Durch eine Einstellung von Verfahren in diesen Fällen der leichteren Kriminalität wird den Bürgerinnen und Bürgern mithin kein „sicheres Bayern vorgegaukelt“.

Zahlen der Staatsanwaltschaften München I und München II für das Jahr 2011 ergeben sich aus der nachfolgenden Zusammenstellung. Dabei beziehen sich die Prozentsätze auf die Zahl der erledigten Ermittlungsverfahren, nicht auf die Zahl der betroffenen Personen.

Staatsanwaltschaft München I:

Erledigte Ermittlungsverfahren 2011: 116.674. Von diesen Ermittlungsverfahren wurden 25.366 (21,7 %) durch Vorlage an die Gerichte (Strafbefehle, Anklagen, beschleunigte Verfahren u.a.) abgeschlossen. 91.308 Ermittlungsverfahren wurden bei der Staatsanwaltschaft erledigt, was einer Quote von 78,3% entspricht. Darunter fallen alle Arten von Einstellungen, u. a. Einstellungen mit Auflage nach § 153a StPO (5.038 Verfahren = 4,3%) und nach § 45 JGG (3.125 Verfahren = 2,7%), aber auch Verweisungen auf den Weg der Privatklage (2.555 Verfahren = 2,2%), Abgaben an die Verwaltungsbehörde als Ordnungswidrigkeit (18.156 Verfahren = 15,6%), Abgaben an eine andere Staatsanwaltschaft (3.793 Verfahren = 3,3%) und Verbindungen mit einer anderen Sache (6.699 Verfahren = 5,7%).

Staatsanwaltschaft München II:

Erledigte Ermittlungsverfahren 2011: 37.622. Von diesen Ermittlungsverfahren wurden 10.206 (27,1 %) durch Vorlage an die Gerichte (Strafbefehle, Anklagen, beschleunigte Verfahren u.a.) abgeschlossen. 27.416 Ermittlungsverfahren wurden bei der Staatsanwaltschaft erledigt, was einer Quote von 72,9% entspricht. Darunter fallen alle Arten von Einstellungen, u. a. Einstellungen mit Auflage nach § 153a StPO (2.003 Verfahren = 5,3%) und nach § 45 JGG (1.069 Verfahren = 2,8%), aber auch Verweisungen auf den Weg der Privatklage (1.234 Verfahren = 3,3%), Abgaben an die Verwaltungsbehörde als Ordnungswidrigkeit (2.603 Verfahren = 6,9%), Abgaben an eine andere Staatsanwaltschaft (2.081 Verfahren = 5,5%) und Verbindungen mit einer anderen Sache (1.794 Verfahren = 4,8%).

3. Zur 3. Frage:

Die Geschäftsstatistik bei den Staatsanwaltschaften wird in vielen Bereichen sehr detailliert erhoben. So werden u.a. auch folgende Verfahren erfasst:
- Verfahren gegen Justizbedienstete, Richter, Notare und sonstige Amtsträger sowie Rechtsanwälte wegen Straftaten, die im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung stehen
- vorsätzliche Tötungsdelikte durch Polizeibedienstete
- Gewaltausübung, Aussetzung durch Polizeibedienstete
- Zwang und Missbrauch des Amtes durch Polizeibedienstete.

Die Erhebung von statistischen Daten verursacht einen großen Aufwand bei den Staatsanwaltschaften. Deshalb werden statistische Daten nur insoweit er-hoben, als eine zwingende Notwendigkeit für die Erhebung gegeben ist.

4. Zur 4. Frage:

Die Pflege der Internetseiten der Staatsanwaltschaften obliegt den einzelnen Behördenleitern. Die Internetseite der Staatsanwaltschaft München I wird als-bald aktualisiert.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Beate Merk, MdL