Frage an Beate Merk von David J. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Merk,
gestatten Sie mir eine Frage.
Im Internet wird unerwünschte Werbung als Spam bezeichnet, am Telefon und per Fax ist sie strikt verboten. Nur die Flut an Werbung im Briefkasten nimmt seit Jahren zu und bleibt in jedem Ausmaß legal.
Kürzlich wurde berichtet, dass in jeden Haushalt pro Jahr 40 Kg Werbung geworfen werden.
Sehen Sie bei diesem Thema Handlungsbedarf?
3 Millionen Bäume, die nur für Werbung (welche im restlichen Europa kaum toleriert wird) gefällt werden, sprechen sicher eine deutliche Sprache.
In Erwartung Ihrer Antwort, mit den besten Grüßen,
David Jonas
Sehr geehrter Herr Jonas,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 29. August 2011 an Frau Staatsministerin Dr. Beate Merk, in der Sie um Mitteilung bitten, ob im Hinblick auf den von Ihnen festgestellten zunehmenden Umfang von Werbung im Briefkasten unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes Handlungsbedarf gesehen wird. Frau Staatsministerin hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Werbung ist im geschäftlichen Verkehr unerlässlich. Ohne sie besteht regelmäßig kaum eine Möglichkeit, potenzielle Kunden auf das eigene Waren- oder Dienstleistungsangebot aufmerksam zu machen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Werbung sogar verfassungsrechtlichen Schutz genießt.
Die Grenze liegt allerdings dort, wo unzulässig in die Rechte Dritter eingegriffen wird. Entgegen der von Ihnen geäußerten Ansicht ist daher auch Werbung im Briefkasten nicht ausnahmslos zulässig. Der Bundesgerichtshof hat schon vor längerer Zeit entschieden (Urteil vom 20.12.1988, AZ: VI ZR 182/88), dass nicht adressierte Werbesendungen, Flyer und Wurfsendungen nicht eingeworfen werden dürfen, wenn auf dem Briefkasten ein Aufkleber angebracht ist, wonach Werbung unerwünscht ist. Wird dennoch Werbung eingeworfen, liegt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie eine Eigentums- und Besitzstörung sowie zusätzlich ein Wettbewerbsverstoß vor, gegen die rechtlich vorgegangen werden kann.
Wenn kostenlose Anzeigenblätter auch einen redaktionellen Teil enthalten, reicht ein Hinweis „Keine Werbung“ auf dem Briefkasten allein allerdings nicht aus. Deshalb ist ein besonderer Hinweis anzubringen, dass auch keine Anzeigenblätter gewünscht werden.
Sofern auch die Zusendung persönlich adressierter Werbung verhindert werden soll, besteht die Möglichkeit, einen Eintrag in der sogenannten Robinsonliste zu veranlassen. Alle Werbeunternehmen, die Mitglied im Deutschen Direktmarketing Verband e.V. (DDV) sind, streichen den Antragsteller dann aus ihren Adresslisten. Der Formularantrag für die Aufnahme in die Robinsonliste ist direkt beim DDV erhältlich (http://ichhabediewahl.de/). Bei Firmen, die nicht DDV-Mitglied sind, kann das anschreibende Unternehmen direkt aufgefordert werden, zukünftig die Zusendung von Werbematerial zu unterlassen.
Wer persönlich adressierte Werbesendungen vorbeugend verhindern möchte, kann der Nutzung und Übermittlung der eigenen Daten zu Werbezwecken oder für die Markt- und Meinungsforschung widersprechen und sollte überdies entsprechende Daten nur sparsam herausgeben. Nach § 28 Absatz 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) muss sich jedes Unternehmen, aber auch Behörden, an dieses Nutzungsverbot halten, da ansonsten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € droht. Der Widerspruch kann eingelegt werden, sobald die eigenen persönlichen Daten erstmals bekannt gegeben werden, z. B. bei der Anforderung eines Katalogs oder bei einer Quizteilnahme. Dies lässt sich aber auch noch jederzeit nachtragen. Es empfiehlt sich z.B. folgende Formulierung: „Ich widerspreche der Nutzung, Verarbeitung und/oder Übermittlung meiner Daten zu Werbezwecken oder für die Markt- und Meinungsforschung gemäß § 28 Absatz 4 Bundesdatenschutzgesetz“.
Festzuhalten ist danach, dass Werbung auf dem Postwege in den oben genannten Grenzen grundsätzlich zulässig ist. Zahlreiche Verbraucherinnen und Verbraucher haben an entsprechender Werbung auch Interesse. Sofern Werbung im Briefkasten - wie von Ihnen - jedoch abgelehnt wird, steht das skizzierte Instrumentarium zur Verfügung, um diese einzuschränken. Hierin liegt ein sachgerecht erscheinender Ausgleich der berechtigten Interessen aller Beteiligten, weshalb aus verbraucherpolitischer Sicht derzeit kein Handlungsbedarf gesehen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Meyer
Oberregierungsrat