Frage an Barbara Spaniol von Brigitte J. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Spaniol,
ich habe mehrere Fragen an Sie und freue mich, wenn Sie sich noch bis zum Wochenende die Zeit nehmen könnten, diese zu beantworten. Sicherlich ist dies auch für viele andere Wähler interessant.
1. Wie stehen Sie persönlich dazu, innerhalb der Woche die Ladenöffnungszeiten zu verlängern? Ich möchte sicher keine amerikanischen Verhältnisse, in denen der Einzelhandel nie zur Ruhe kommt, aber gerade für mich als Berufstätige wird es neben dem Gang zu Ämtern doch häufig stressig, bis 20 Uhr alle Einkäufe erledigt haben zu müssen.
2. Befürworten Sie ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr?
3. In Hamburg ist eine geminsame Schulzeit aller Kinder bis zur sechsten Klasse ja durch einen Volksentscheid verhindert worden. Wie sehen Sie die Chancen für eine solche Lösung im Saarland? Würde hiermit nicht mehr Chancengleichheit ermöglicht?
4. Was ist Ihre Meinung zum erneut angestrebten Verbot der NPD?
5. Und, wie sähe eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes aus?
Mit freundlichen Grüßen,
Brigitte Jung
Hallo Frau Jung,
vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Fragen, die ich gerne beantworte.
1. Wie stehen Sie persönlich dazu, innerhalb der Woche die Ladenöffnungszei-ten zu verlängern? Ich möchte sicher keine amerikanischen Verhältnisse, in denen der Einzelhandel nie zur Ruhe kommt, aber gerade für mich als Berufstä-tige wird es neben dem Gang zu Ämtern doch häufig stressig, bis 20 Uhr alle Einkäufe erledigt haben zu müssen.
Den Stress, als Berufstätige alle Einkäufe bis 20 Uhr zu schaffen, kenne ich selbst nur allzu gut. Aber hier gilt es abzuwägen. Bekanntermaßen haben schon die bisherigen Ausweitungen der Ladenöffnung gezeigt, dass der Umsatz in die großen Verkaufszentren verlagert wurde – zu Lasten kleinerer und mittlerer Geschäfte. Dadurch hat sich die Versorgung im ländlichen Raum z. B. verschlechtert. Mehr konsumiert wurde letztendlich auch nicht. Aber die Zahl billiger Arbeitskräfte (Minijobs) ist spürbar angestiegen – reguläre Vollzeitarbeitsplätze sind nicht entstanden. Davon sind vor allem Frauen mit ihren Familien betroffen. Das ist eine Entwicklung, die ich politisch ablehne.
2. Befürworten Sie ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr?
In jedem Fall. Denn Gebühren sind eine zusätzliche Hürde zum Kindergartenbesuch.
CDU, FDP und Grüne im Saarland haben ausgerechnet bei den Kindern gespart: Das dritte Kindergartenjahr kostet wieder Geld. Das ist eine bildungspolitische Rolle rückwärts – vor allem zu Lasten saarländischer Familien mit geringem Einkommen.
Das Saarland sollte sich ein Beispiel an Bundesländern wie Berlin und Rheinland-Pfalz, wo der Besuch der Kitas ab dem zweiten Lebensjahr kostenlos ist. Dort ist Be-treuung grundsätzlich gebührenfrei – egal, ob halbtags oder ganztags. Das ist der richtige Weg, denn die Bedürfnisse vieler Eltern gehen klar in Richtung Ganztagsbetreuung. Gleiche Chancen für alle Kinder statt Wiedereinführung von Beiträgen – das ist das familien- und bildungspolitische Gebot der Stunde.
3. In Hamburg ist eine gemeinsame Schulzeit aller Kinder bis zur sechsten Klasse ja durch einen Volksentscheid verhindert worden. Wie sehen Sie die Chancen für eine solche Lösung im Saarland? Würde hiermit nicht mehr Chan-cengleichheit ermöglicht?
Eines steht fest: Die Gemeinschaftsschule im Saarland gibt es nur, weil DIE LINKE einer entsprechenden Änderung der saarländischen Verfassung zugestimmt hat. Nun kommt es auf die Ausgestaltung an. Jetzt gilt es, die notwendigen Strukturen für diese Gemeinschaftsschulen zu schaffen.
Gemeinsames Lernen in der Gemeinschaftsschule ist europa- und weltweit üblich. Deutschland und Österreich sind die einzigen Länder in Europa, die ihre Schüler bereits nach vier Jahren Grundschule auf mehrere Schulformen verteilen und damit Lebenswege zementieren. Eine zu kurze gemeinsame Grundschulzeit ist mit Leis-tungsdruck verbunden, der die grundlegende eigenständige pädagogische Arbeit der Grundschule oft schon von Anfang an gefährdet. Nach der sechsten Klasse können Kinder schon sehr viel besser über ihren schulischen Bildungsweg mit entscheiden und das soziale Lernen kommt nicht mehr zu kurz. Das ist ein wichtiger Schritt zur echten Gemeinschaftsschule. Für die Umsetzung werden wir weiter kämpfen.
Laut repräsentativer Umfragen unterstützt mittlerweile eine große Mehrheit der deut-schen Eltern (64 %) eine längere gemeinsame Schulzeit von 6 oder mehr Jahren. Das zeigt deutlich, dass die Akzeptanz für das Modell einer sechsjährigen Primarstufe steigt. Nach unserer Ansicht sollen in der 5. und 6. Klasse der sechsjährigen Primarstufe den Schülerinnen und Schülern die Kompetenzen vermittelt werden, die derzeit in den beiden ersten Klassen der weiterführenden Schulen angeboten werden.
4. Was ist Ihre Meinung zum erneut angestrebten Verbot der NPD?
Ein NPD-Verbot wird seit langem von großen Teilen der antifaschistischen Bewe-gung und der LINKEN gefordert. Damit dieses Verfahren eingeleitet werden kann, müssen ernsthaft die Voraussetzungen dafür geschaffen werden: die V-Leute der Verfassungsschutzämter innerhalb der NPD müssen abgezogen werden. Und es ist nicht zu akzeptieren, dass eine extrem rechte, rassistische und antisemitische Partei von der gesetzlich vorgesehenen Parteifinanzierung profitiert. Entscheidend ist darüber hinaus, dass präventive Maßnahmen ausgebaut werden. Die staatlichen Mittel zur Förderung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus müssen dazu deutlich erhöht werden.
5. Und, wie sähe eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes aus?
Wir wollen eine deutliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes, um kleine und mittlere Einkommen entlasten. Wer weniger als 6000 Euro pro Monat versteuern muss, wird entlastet. Wer mehr zu versteuern hat, wird belastet. Dazu wird der Spitzensteuersatz auf 53 Prozent angehoben.
Die beste Schuldenbremse ist die Millionärssteuer. Nach unserer Ansicht kann nur die Einführung der Millionärssteuer, die eine Ländersteuer ist, die finanziellen Pro-bleme des Saarlandes lösen. Damit wären die notwendigen Investitionen in die Bil-dung z. B. finanziert. Ebenso treten wir dafür ein, die öffentlichen Haushalte durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu entlasten.
Daher fordern wir, dass die Vermögenssteuer als Millionärssteuer wieder eingeführt wird – mit einem Steuersatz von 5 Prozent. Das allein würde mindestens 80 Milliar-den Euro in die öffentlichen Kassen spülen. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass Einkommensmillionäre bis zu 75 Prozent Einkommenssteuer zahlen.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Spaniol