Barbara Sommer
CDU
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Frage von Tobias M. •

Frage an Barbara Sommer von Tobias M. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Sommer,

ich studiere in Bielefeld auf Lehramt.
Was mich während verschiedener Praktika und Hospitationen an Grundschulen beeindruckt hat, war die Tatsache, dass so viele unterschiedliche Kinder, die es in einer Klasse gibt, mit ihren eigenen Stärken und Schwächen miteinander gearbeitet, gespielt und sich vor allen Dingen gegenseitig respektiert haben.
Leider werden viele SchülerInnen mit dem Übergang in die weiterführenden Schulen aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen. Ebenfalls zerbrechen viele Freundschaften unter den Kindern daran, dass sie auf Grund von Selektion ausschließlich nach Leistung in verschiedene Schulen gehen.
Natürlich weiß ich, dass es sich bei der Klassifikation, in welche die SchülerInnen am Ende der 4. Klasse eingeteilt werden, nur um Empfehlungen seitens der Lehrkräfte handelt und die Eltern nicht daran gebunden sind, aber meist ist es doch der Regelfall dass sich die Erziehungsberechtigten auf das Urteil der LehrerInnen zu verlassen, da sie ihr Kind natürlich auf die scheinbar entsprechend zugeschnittene Schule schicken wollen.
Die SchülerInnen, die entgegen dieser Empfehlung auf eine Schule mit höherer Leistungsanforderung gehen, haben, wie ich aus eigenen Erfahrungen aus meinem persönlichen Umfeld weiß, häufig einen schwierigen Stand sowohl unter ihren MitschülerInnen, als auch bei den LehrerInnen.
Abgesehen davon, dass ich es als schwierig erachte, SchülerInnen alleine nach den Anforderungen, welche der Lernplan an diese stellt, zu klassifizieren und somit eine Anpassung an das Schulsystem stattfindet, in welchem nicht nur meiner Meinung nach die Individualität, welche einen Menschen ausmacht, verloren geht, sehe ich die oben beschriebene soziale Komponente als nicht vorhanden an, obwohl sie mir als sehr wichtig erscheint.
Daher würden mich ihre Argumente als Schulministerin NRWs interessieren, warum von Seiten der CDU immer noch am mehrgliedrigen Schulsystem festgehalten wird.

Mit freundlichen Grüßen
T. Maßmann

Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Maßmann,

Die Schulformenempfehlung beim Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule ist ja gerade im Landtag unter dem Stichwort „staatlich geprüfte Hellseherei“ diskutiert worden. Die Argumente für die Schulformempfehlung sind die folgenden:

- Die Schulformempfehlung steht am Ende eines langen Beratungsprozesses zwischen Schule und Eltern, der sich ausschließlich am Wohle des Kindes orientiert.

  - Die Eltern wissen diese Empfehlung zu schätzen und stimmen ihr zu großer Mehrheit zu.

  - Eine vorgegebene Quantifizierung der jeweiligen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten gibt es nicht. Es liegt im der Verantwortung der Lehrkräfte, die rechtlichen Vorgaben zur Leistungsfeststellung und –bewertung in pädagogisches Handeln umzusetzen und im Rahmen der Grundschulempfehlung zu bewerten.

  - Am Prognoseunterricht haben in den vergangenen beiden Jahren nur 1,3% aller Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs teilgenommen.

  - Die Expertenmeinungen (Anhörung im ASW am 21.1.10) sind uneinheitlich, der Philologenverband, die Elternvereinigung Nordrhein-Westfalen, der Realschullehrerverband NRW, die Rheinische Direktorenvereinigung / Westfälisch-Lippische Direktorenvereinigung sind für die Beibehaltung der Empfehlung und halten sie für ein bewährtes Instrument. Der Grundschulverband, die Schulleitervereinigung der Gesamten, Dr. Block, Universität Essen und Prof.Dr. Holtappels, Institut für Schulentwicklungsforschung Dortmund (IfS) haben sich dagegen ausgesprochen, u.a. weil sie prognostische Qualität der Empfehlung in
Frage stellen.

  - Die Durchlässigkeit des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes ist hoch, spätere Schulformwechsel sind immer noch möglich, die deutlich höhere Zahl der Schülerinnen und Schüler, die nach der 10. Klasse in die gymnasiale Oberstufe wechseln, belegt dies eindrücklich: 2000/2001 11.316 Schülerinnen und Schüler (=12,9%), 2010 20.140 (21,4%).

  Wir wollen am mehrgliedrigen Schulsystem festhalten, denn Dreh- und Angelpunkt eines erfolgreichen Bildungssystems, da sind sich die meisten Bildungsforscher einig, ist eine gelungene individuelle Förderung. Die Schulstruktur ist nicht entscheidend. In PISA 2006 heißt es: „Insgesamt zeigt sich, dass Jugendliche in gegliederten Schulsystemen im Schnitt weder besser noch schlechter abschneiden als Jugendliche in Systemen mit nur einem Schultyp.“

  Die Strukturdebatte lenkt von den wichtigen Fragen der inneren Schulreform ab: Fragen der Unterrichtsqualität, der Ausbildung der Lehrer, der individuellen Förderung, der Lehrerversorgung. Kontinuität ist wichtig; unsere Schulen brauchen Ruhe.

  Durch die Abschaffung eines gegliederten Schulsystems durch Schaffung einer Einheitsschule würde in NRW beispielsweise zu einem Schulsterben im ländlichen Raum und zur Gründung von „Mammutschulen“ mit über 1.000 Schülerinnen und Schülern führen. Auf die ohnehin angeschlagenen Kommunen kämen zusätzliche Investitionskosten in Milliardenhöhe zu.

  Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Argumenten klar machen, warum es sinnvoll ist am dreigliedrigen Schulsystem festzuhalten.

  Ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg in Ihrem Studium und später in der Ausübung des Lehrerberufs.

  Mit freundlichen Grüßen

  Barbara Sommer