Frage an Bärbel Höhn von Peter S. bezüglich Umwelt
sehr geehrte Frau Höhn
Der derzeitige Agrospritboom führt weltweit zu katastrophalen irreversiblen ökologischen und sozialen Folgen.
Gegenwärtig importiert Deutschland die Hälfte des verbrauchten Agrarsprits mit steigender Tendenz. Die lokal produzierte Menge kann aufgrund der Flächenbegrenzung nicht mehr wesentlich gesteigert werden. Es wird erzwungen gewaltige Mengen an Agrartreibstoff zu importieren.
In den Exportländern werden daher für Palmölplantagen die letzten tropischen Regenwaldfragmente mit gewaltiger Geschwindigkeit gerodet. Unbezahlbare Biodiversität geht hier deswegen unwiederbringlich verloren. Ackerland wird zu gigantischen Monokulturen umgewandelt und Millionen von Kleinbauern und Nomaden werden von dem Land das sie ernärte in die Armmut vertrieben.
Die durch Subventionen, Steuererleichterungen und Beimischquoten mit Öffentlichen Geldern forcierte Naturzerstörung kommt nur wenigen Großkonzernen zugute, der größte Teil der Landbevölkerung verliert seine Existenzgrundlage.
Kosmetische Korrekturen wie Zertifizierungsversuche werden diesem Mechanismus nicht schnell genug Einhalt gebieten könnten. Die Möglichgeiten zur Umgehung durch Landnutzungsrochaden, Rodung und spätere Landnutzungssukzession, Zertifikationsschwindel, Bestechung etc. sind bei diesen Anreizen nicht in den Griff zu kriegen.
Die Böden dieser Welt sind begrenzt, Agrartreibstoffe werden daher immer in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau und zur Erhaltung von Naturräumen stehen.
Hier von Biosprit zu sprechen ist zynisch. Findet der Anbau auch noch auf Torfböden statt, wo durch Austrocknung des Bodens ein vielfaches des rechnerisch eingesparten CO2s emittiert wird, wird das Wort Nachhaltigkeit komplett ad Absurdum geführt. Indonesien emittiert nur aufgrund von Rodungen mehr CO2 als Deutschland insgesamt.
Sicher kennen Sie die meisten der Argumente. Können Sie es verantworten an einer Agrarspritquote festzuhalten?
MfG Peter Stilz
Sehr geehrter Herr Stilz,
Mit Ihrer Frage weisen Sie auf ein sehr schwieriges Politikfeld hin. In der Tat hat uns die Einführung der Beimischungsquoten von Bio-Kraftstoffen massive Probleme beschert. Die Beimischungsquote hat ein Schlaglicht auf die negativen Seiten des Booms dieser Branche gelegt. Auch deshalb haben wir Grüne uns gegen die Beimischungsquote und für die alte Regelung der Steuerbefreiung ausgesprochen. Diese stärkt vor allem die regionalen Wirtschaftskreisläufe. Die Bundesregierung hat mit der Beimischungsquote den großen Mineralölkonzernen die Handlungsmacht überlassen - nun wird global angekauft. Von sinnvollen Biokraftstoffprojekten, die regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt haben, ging man zu Agrotreibstoffen über, die Regenwälder zerstören und das Hungerproblem verschlimmern.
Gerade in den Entwicklungs- und Schwellenländern wurde durch die erhöhte Nachfrage nach Palm- und Sojaöl eine Entwicklung beschleunigt, die zur Rodung von Regenwald und der Verdrängung von traditionellen, kleinbäuerlichen Strukturen führt. Dieses Problem beschreiben Sie richtig. Es ist gravierend. Die Biokraftstoffe können nur dann Teil der Antwort auf den Klimawandel sein, wenn ihre Herstellung und Produktion nachhaltig ist. Dazu gehört eben so das Verhindern von weiterer Abholzung des Regenwaldes, wie soziale Standards für die Beschäftigten.
Für uns Grüne liegt der Schlüssel hier in der Schaffung eines Zertifizierungssystem. Wir wissen zwar, dass auch Zertifizierungssysteme nur so gut sind, wie die Kontrollsysteme funktionieren. Aber wir müssen dem jeden Tag stattfindenden, rücksichtslosem Vorgehen einen Riegel vorschieben. Nur solche Produkte, die nachhaltig und sozial hergestellt werden, dürfen auf den europäischen Markt gelangen. Auf europäischer Ebene wird momentan an einem solchen System gearbeitet. Wir wollen hier mithelfen, damit die von Ihnen genannten Probleme insbesondere der Korruption und der Verdrängung von kleinbäuerlichen Strukturen berücksichtigt werden. Richtig ist allerdings, dass ein solches Zertifizierungssystem nicht kurzfristig verfügbar ist.
Die Bundesregierung ist mit der Beimischungsquote von Anfang an auf einen Holzweg geraten. Besser wäre es gewesen, die Steuerbefreiung auf den reinen Bio-Treibstoff beizubehalten. Hier müssen wir umsteuern. Das nützt sowohl der einheimischen Biokraftstoff-Branche als auch dem Regenwald!
mit freundlichen Grüßen,
Bärbel Höhn