Frage an Bärbel Höhn von Arvid Z. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Höhn,
weshalb wollen Sie als Staat mir meine Selbstbestimmung im letzten Abschmitt meines Lebens nehmen?
Ich lebe mein gesamtes Leben in freier Selbstbestimmung. Ich kann entscheiden, wo ich wohne, wen ich liebe, was ich arbeite etc.
Warum wollen Sie mir verweigern, über das Ende meines Lebens selbst und frei zu bestimmen?
mfG
Arvid Zemkus
Sehr geehrter Herr Zemkus,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Beihilfe zum Sterbehilfe.
Unter dem Begriff „Sterbehilfe“ versammeln sich unterschiedliche Aspekte und Handlungsformen, die man differenziert betrachten muss. Seit Anfang letzten Jahres gab es eine Debatte über eine mögliche Neuregelung der Beihilfe zum Suizid („assistierter Suizid“), die in Deutschland bisher straffrei war. Schon in der vergangenen Wahlperiode wurde über ein gesetzliches Verbot der „gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ (BT-Drs. 17/11126) diskutiert. Die damaligen Koalitionspartner CDU/CSU und FDP konnten sich aber letztlich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Davon zu unterscheiden sind beispielsweise die sogenannte „passive Sterbehilfe“ oder natürlich auch die sogenannte „aktive Sterbehilfe“ („Tötung auf Verlangen“). Letztere ist in Deutschland verboten.
Der Deutsche Bundestag hat am 6. November 2015 mehrheitlich den Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (BT-Drucksache 18/ 5373) angenommen, der die geschäftsmäßige Hilfe beim Suizid unter Strafe stellt. Danach macht sich strafbar, wer „in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt“. Damit ist die Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen, die Suizidassistenz in regelmäßiger Form als Dienstleistung anbieten, in Deutschland zukünftig nicht mehr zulässig.
Es gab im Deutschen Bundestag quer durch alle Fraktionen unterschiedliche Positionen zu diesem Thema, wie bei bioethischen Fragestellungen häufig der Fall. Das ist verständlich, schließlich ist die Haltung zu Leben und Tod eine ganz persönliche. Während ein Teil ein Verbot der organisierten Beihilfe zum Suizid befürwortete, wollten andere die organisierte Hilfe beim Suizid an bestimmte Bedingungen knüpfen oder sprachen sich ganz gegen eine Regulierung aus oder hielten neue Straftatbestände im Hinblick auf die Beihilfe zur Selbsttötung für nicht erforderlich. Auch in der grünen Bundestagsfraktion gab es daher zu dieser Frage - wie schon bei anderen bioethischen Themen -unterschiedliche Positionen.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns als grüne Bundestagsfraktion von Beginn an dafür eingesetzt, dass es eine offene Debatte im Deutschen Bundestag geben muss. Jede/r Abgeordnete/r sollte die Möglichkeit haben, sich eine Meinung zu bilden und bei einer Abstimmung der individuellen Gewissensentscheidung zu folgen. Jede Meinung sollte in unterschiedlichen überfraktionellen Gesetzentwürfen (Gruppenanträgen) zum Ausdruck kommen können, die dann ohne Fraktionszwang zur Abstimmung gestellt werden. Einen Überblick über die unterschiedlichen Vorschläge sowie die Ergebnisse der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zu den Gesetzentwürfen erhalten Sie hier:
http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a06/anhoerungen/09_23_sterbebegleitung/383114
Ich persönlich habe für den Antrag der Abgeordneten Brand, Griese, Vogler und Dr. Terpe gestimmt. Mir haben die Argumente unserer gesundheitspolitischen Fachabgeordneten eingeleuchtet, diesen Weg zu gehen. Gerade Palliativmediziner, die besonders betroffen sind, hatten sich für den von mir unterstützten Gesetzentwurf eingesetzt. Im Übrigen sehe ich auch aus persönlichen Erfahrungen nicht die Notwendigkeit einer starken Liberalisierung dieses Themas, wie sie in anderen Gesetzentwürfen gefordert wurde. Gerade alte Menschen, insbesondere alte Frauen, wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen. Der Druck auf diese Menschen sollte durch gewerbsmäßige Angebote nicht noch verstärkt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Bärbel Höhn