Frage an Bärbel Höhn von Wolfgang H. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Höhn,
(1) es überrascht mich immer wieder, dass im Wahlkampf immer wieder behauptet wird, dass die Stromkosten bei Abschaltung der Atomkraftwerke steigen. Warum wird hier nicht diskutiert, welche Steuermittel eingespart werden, wenn keine weiteren radioaktiven Abfälle anfallen? Zudem: wie hoch sind die tatsächlichen Kosten der Atomenergie, wenn die Abfallbeseitigung eingerechnet werden?
(2) Es wird immer wieder die Windenergie als bevorzugt diskutiert. Ich verstehe nicht, warum wir unsere Landschaften immer weiter durch Windräder zerstören wollen. Die Behauptung, dass Solarenergie unyureichend ist, ist nicht einsichtig. Unsere Dach-Solaranlage produyiert fast 3x die Menge Energie, die wir im Haushalt verbrauchen. Warum macht man nicht Solaranlagen für Neubauten Pflicht, sofern die Position des Neubaus eine Nutzung von Sonnenenergie nicht sinnvoll zuläßt (z.B. durch Orientierung des Daches). Die Kosten für Solarzellen würden sinken und die Montagekosten wären bei Neubauten relativ geringfügig. Die Behauptung der Umweltschädlichkeit von Solarzellen ist wohl gegenstandslos, da auch Windräder erheblichen Abfall beinhalten, zumal gegebenenfalls geeignete Recycling-Verfahren entwickelt werden können.
(3) Es ist mir unverständlich, warum von den Grünen (z.B. von Herrn Trittin) das "Eco"-Benzin nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Es ist ausreichend bekannt, dass man hiermit keine signifikanten Umweltvorteile errreicht. Zudem unterwandert man mit der Produktion von Bioalkohol in dramatischer Weise die Produktion von Nahrungsmitteln.
Ich sehe Ihrer Antwort mit Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Hennig
Sehr geehrter Herr Henning,
Danke, dass Sie hier nach den wahren Kosten der Atomenergie fragen. Sie haben natürlich Recht damit, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten des Atomstrom ungleich höher sind, als die Atomlobby uns weiß machen will. Das betone ich auch immer wieder. Wenn man die Umwelt- und Klimabelastungen hinzurechnet, kostet Windstrom uns 7,6 Cent und Wasserstrom 6,5 Cent. Strom aus Braun- und Steinkohlekraftwerken kosten 12,1 Cent und Atomstrom sogar 12,8 Ct/kWh. Wenn man sich die Förderpolitik anschaut, sieht es ähnlich aus: So wurde zwischen 1970 und 2010 erneuerbarer Strom mit durchschnittlich 2,2 Ct/kWh gefördert, Braunkohle mit 1,2 Ct/kWh, Steinkohle mit 3,2 Ct/kWh und Atomenergie mit 4,1 Ct/kWh. Die Atomkonzerne trägen bis heute nicht die vollen Kosten für die Atommülllagerung und sie weigern sich bis heute, ihre Atomkraftwerke zu versichern. Das heißt die Risiken eines Super-GAUs und der Atommüll-Lagerung trägt die Allgemeinheit. Wie wir jetzt auch wieder in Japan sehen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Die Erneuerbaren Energien sind ein Erfolgsmodell. Heute stehen in Deutschland 40.000 MW installierter Leistung aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse bereit. 17 Prozent des 2010 verbrauchten Stroms stammten aus erneuerbaren Quellen. Heute arbeiten 340.000 Menschen in der Erneuerbaren-Branche. Aufgrund der geografischen Lage ist die Windkraft in Deutschland heute ungleich bedeutender als die Photovoltaik. Wind ist mit einem Anteil von etwa 6,2 Prozent am Bruttostromverbrauch die bedeutendste erneuerbare Energiequelle. Die Photovoltaik liegt bei etwa zwei Prozent. Sie hat in den letzten Jahren deutlich aufgeholt. Alle Erneuerbaren Energieformen sind wichtig und müssen einen Anteil an der Stromversorgung haben. Der Vorteil der Windenergie ist sein im Moment noch enormer Kostenvorteil gegenüber der Photovoltaik. Solarstrom kostet etwa drei Mal so viel wie Windstrom. Die Photovoltaik wird deshalb länger auf eine Förderung angewiesen sein als die Windkraft, die zeitweise schon heute wettbewerbsfähig ist und schon jetzt an vielen Tagen zur Preissenkung von Strom in Deutschland beiträgt. Aber schon in wenigen Jahren könnte auch die Photovoltaik wettbewerbsfähig sein, wenn die Förderung entsprechende ausgestaltet wird. Ebenso wie Sie wollen wir, dass künftig Neubauten grundsätzlich photovoltaikfähig gebaut werden. Wir Grünen wollen die Windkraft gegenüber dem heutigen Stand deutlich ausbauen insbesondere in den Bundesländern, wie zum Beispiel Baden-Württemberg, wo die Windkraft derzeit nur eine geringe Rolle spielt und im Offshore-Bereich. Um die besten und von der Bevölkerung akzeptiertesten Standorte zu finden, wollen wir die Bürgerbeteiligung bei der Standortsuche verbessern.
Nun zu Ihrer letzen Frage. Zum Thema Biokraftstoffe habe ich mich hier bei Abgeordnetenwatch schon mehrfach geäußert. Prinzipiell sehen wir die Beimischung von Biokraftstoffen im Rahmen von E10 kritisch. Es war die große Koalition, die 2007 und 2008 in Brüssel auf Druck der Automobillobby dafür gesorgt hat, dass der Einsatz von Biokraftstoffen auf die CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge angerechnet wird. Sie wollte damit verhindern, dass die Automobilindustrie verpflichtet wird, spritsparendere Autos zu bauen. Anstatt ehrgeizige Effizienzziele für Neuwagen festzulegen, verpflichtet nun eine EU-Richtlinie alle Mitgliedstaaten, eine jährlich steigende Biokraftstoffquote zu erfüllen. Im Jahr 2020 soll so ein Anteil von 10 Prozent erneuerbaren Energien im Verkehr erreicht werden.
Die Beimischungsquote dient vor allem dem Zweck, so weiter machen zu können wie bisher. Was wir brauchen, sind aber verbindliche CO2-Grenzwerte für alle neuen Fahrzeugtypen: Wir fordern deshalb zum Beispiel verbindliche Grenzwerte für Pkw ab 2020 von mindestens 80g/km und 50 g/km ab 2030. Denn Spriteinsparung ist der umweltfreundlichste Kraftstoff. Gleichzeitig müssen wir die Elektromobilität fördern, um ihren Markteinstieg zu erleichtern und um die Forschung voranzutreiben, damit wir mittelfristig die fossilen Antriebe durch Elektroantriebe auf grüner Strombasis ersetzen können.
In den Bereichen, wo wir in naher Zukunft die Antriebe schlecht durch Elektroantriebe ersetzen könne, etwa im Güter-, Schiff- und Flugverkehr, werden wir Biokraftstoffe brauchen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Diese Biokraftstoffe müssen aber einen wirklichen Beitrag zum Klimaschutz leisten und dürfen nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen. Deshalb treten wir Grünen für strenge Nachhaltigkeitskriterien ein, die wir letztendlich auf alle Agrarproduktion ausdehnen wollen. Denn es macht wenig Sinn, dass wir nachhaltigen Biokraftstoff verfahren und gleichzeitig Palmöl aus gerodeten Regenwaldgebieten für die Kosmetikindustrie importieren. Und wir brauchen nicht nur eine nachhaltige Bioenergienutzung, sondern auch eine Diskussion über unseren Fleischkonsum und seine Folgen. Denn während heute weltweit etwa zwei Prozent der Ackerflächen für Energiepflanzen verwendet werden, werden für Tierfutter etwa ein Drittel der Ackerflächen genutzt.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Höhn