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Frage von Stewart H. •

Frage an Azize Tank von Stewart H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Tank,

wissen Sie, ob das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim
Bundesministerium für Finanz vom 03/2014 im Bundestag diskutiert worden
ist? http://goo.gl/8ODmia (um Zeichen zu sparen, sind alle Links von Google Link Shortener verkürzt)

Ich prognostiziere, Sie werden sagen, dass Rundfunk Ländersache ist und
daher hat der Bund nichts zu sagen, aber die folgende Statistik (Quellen sind unten) zeigen,
dass es sicherlich ein bundesweiter Thema ist:

2013
800.000 bis 2 Mio Nichtzahler
15 Mio Mahnungen, 60.000 Zwangsvollstreckungen monatlich
2 Mio Vorgänge im Rückstau sowie Korruptionsvorwürfe
5000 bis 7000 Klagen bundesweit (mind.)

2014
mehr als 4 Mio Nichtzahler
über 20 Mio Mahnungen verschickt und 900.000 Vollstreckungen erwirkt

Quellen:
http://goo.gl/qs4aBX
http://goo.gl/B3HQNQ
http://goo.gl/KZRTRM

Auch Internet Portalen werden von der Bevölkerung beliebt:

gez-boykott.de
1 Mio Seitenaufrufe pro Monat
http://goo.gl/b9q2SP
38.000 "Likes" auf Facebook
https://goo.gl/ZpTETd

Gemeinsam gegen GEZ
93.000 "Likes" auf Facebook
https://goo.gl/O2Qngd

274.000 "Likes" auf dieser Einladung (GEZ) Stoppen Jetzt
https://goo.gl/DB5nLL

Nicht zu vergessen, die zahlreiche Unterschriften auf verschiedenen Petitionen:

545.000
https://goo.gl/I5Jc8x

90.000
http://goo.gl/Wwm0Yb

Plus andere Petitionen auf ländliche Ebene.

Was ist Ihre Meinung zu dieser Thema? Offensichtlich sind viele Menschen dieses Land nicht zufrieden mit den Änderungen den Rundfunkstaatsvertrag vom 2013...Tendenz steigt. Wie weit muss es gehen, bevor der Bund sich mit dem Thema befasst/befassen kann? Schon gibt es mehrere Diskussionen und mögliche Gründe, Klagen beim EuGH einzureichen aber ich finde es schade, dass es nicht erst im Inland in eine reife und neutrale Weise im Bundestag diskutiert werden kann.

Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen

Stewart Hill

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hill,

ich teile ihre Kritik an den seit dem 1. Januar 2013 geltenden neuen Vorschriften betreffend der Einführung eines Rundfunkbeitrages.

Das Soziale Menschenrecht auf Teilhabe am kulturellen Leben welches im UN-Sozialpakt verbrieft ist, beinhaltet zugleich das Recht Kultur kollektiv und individuell aufnehmen zu können und zu verstehen, womit auch die Verbreitung verschiedener kultureller Ausdrucksformen der Kommunikation vermittelt durch technische Medien umfasst wird. Die Aufnahme und der Zugang zu Informationen und Kommunikation ist eine Grundvoraussetzung für die Funktionstüchtigkeit des demokratischen Systems.

In der bisherigen Debatte um den Rundfunkbeitrag kommt dem Aspekt der Teilhabe am kulturellen Leben kaum eine Rolle. Dabei reguliert auch der Rundfunkbeitrag den Zugang zu kulturellen Informationen, unabhängig davon, ob der betreffenden Person dadurch tatsächlich die Teilhabe ermöglicht wird oder nicht. Auch wenn in der Bundesrepublik ein entsprechendes Individualbeschwerdeverfahren nach dem Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt noch nicht eingerichtet wurde, erscheint eine Auseinandersetzung mit dem normativen Gehalt kultureller Menschenrechte in diesem Zusammenhang geboten, auch deswegen, weil das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben untrennbar mit dem Recht auf Bildung verknüpft ist.

Die Bundesregierung ist als Vertragsstaat des Internationalen Paktes für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (kurz: UN-Sozialpakt) gemäß Artikel 15 verpflichtet das Recht eines jeden auf Teilnahme am kulturellen Leben und das Recht an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts und seiner Anwendung teilzuhaben, anzuerkennen.

Der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (kurz: Sozialausschuss), der durch den Wirtschafts- und Sozialausschuss der UN im Jahre 1985 als Überwachungsorgan für den Internationalen Pakt für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte eingesetzt wurde, veröffentlicht sog. Allgemeine Bemerkungen (General Comments), in denen dieser einzelne Artikel oder Teilbestimmungen des UN-Sozialpaktes auf der Grundlage seiner Spruchpraxis kommentiert. Die General Comments beschreiben in autorisierter Form die Standards in der Praxis des Sozialausschusses und dienen damit als Interpretationshilfe für die Auslegung des Paktes. Die Comments sind zwar völkerrechtlich nicht verbindlich. Jedoch können den General Comments Hinweise auf die allgemeine Staatenpraxis entnommen werden.

In seiner Allgemeinen Bemerkungen (E/C.12/GC/21) Nr. 21 (2009): Das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben (Artikel 15 Abs. 1a) erklärte der Sozialausschuss, dass die kulturellen Rechte einen integralen Bestandteil der Menschrechte darstellen. Sie sind universell, unteilbar und interdependent. Normativ bedeutet dies für den Staat einerseits die Verpflichtung zur Zurückhaltung und Nicht-Einmischung bei der Ausübung kultureller Praktiken. Darüber hinaus fordert die Vorschrift aber auch die Einleitung positiver Maßnahmen zur Schaffung von Vorbedingungen welche die Teilnahme am kulturellen Leben überhaupt ermöglichen und den Zugang zu kulturellen Gütern fördern.

Kulturelles Leben wird dabei breit und inklusiv als ein interaktiver und dynamischer Prozess definiert. Der Sozialausschuss erläutert dabei im Kontext von Teilnahme die Zugänglichkeit als das Recht eines jeden Informationen bezüglich jeglicher kultureller Ausdrucksformen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

Eingedenk der Tatsache, dass Bürger der Europäischen Union in einer Informationsgesellschaft leben und zugleich der alltägliche Zugang zu Information von Rundfunk- und Fernsehen in der Bundesrepublik nicht qualitativ, sondern pauschal über einen Rundfunkbeitrag hergestellt werden soll, erscheint die Verwirklichung eines ungehinderten und zugleich frei gestaltbaren Zugangs zu kulturellen Informationen -im Sinne der Sozialen Menschenrechte des UN-Sozialpaktes- in der Praxis fraglich.

Davon ist natürlich die grundsätzliche Frage nach der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Gewährleistung hochwertiger Standards bei der Entlohnung und guter Arbeitsverhältnisse von Journalisten und Kunstschaffenden und schließlich der grundsätzlichen Pflicht des Staates ein qualitativ hochwertiges Hörfunk- und Fernsehprogramm für alle Bürger sicherzustellen, zu trennen.

Das soziale Menschenrecht auf Teilhabe am kulturellen Leben kann in einer Informationsgesellschaft jedoch nicht auf dem Wege einer Zwangsabgabe gewährleistet werden, welche an eine generelle Beitragspflicht für Inhaber von Wohnungen anknüpft. Die Frage nach Zugang zu kulturellen Gütern auch über das Rundfunk- und Fernsehen kann nicht losgelöst von der bestehenden Verpflichtung der Bundesrepublik im Hinblick auf die Gewährleistung Soziale Menschenrechte stattfinden.

Diese Sichtweise im Kontext von Artikel 15 UN-Sozialpakt scheint dabei durch Bestimmungen aus Artikel 10 Europäischer Menschenrechtskonvetion (EMRK), Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 19 des UN-Zivilpaktes gestärkt zu werden.

Betreffend Ihrer Frage nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Finanzen verwiese ich auf die Antworten der Bundesregierung auf die schriftlichen Fragen meiner Fraktions-Kollegin Gesine Lötzsch, die nach Einzelheiten betreffend des Auftraggebers, der Nutzung und der Kosten des von ihnen genannten Gutachtens gefragt hat: Die Antworten finden Sie auf den Seiten 55 bis 57 auf Drucksache 18/4642 (Schriftliche Fragen mit den in der Zeit vom 7. bis 17. April 2015 eingegangenen Antworten der Bundesregierung), abrufbar online unter:
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/046/1804642.pdf

Darin erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Michael Meister, dass der Wissenschaftliche Beirat beim BMF den Gegenstand seiner Beratungen selbst bestimmt und eine Beauftragung zur Erstellung des genannten Gutachtens nicht stattgefunden haben soll (Antwort der BReg auf Frage Nr. 58). Bezüglich des Gegenstandes und der Nutzung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“ verweist der Staatsekretär auf die Zuständigkeit der Länder (Antwort der BReg auf Frage Nr. 58).

Hier wäre es ggf. hilfreich im Nachgang weitere Anfragen in den einzelnen Bundesländern einzureichen.

Ich hoffe diese Hinwiese sind hilfreich für Sie.

Mit freundlichen Grüßen
Azize Tank