Frage an Axel Voss von Helga E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Voss,
gerne möchte ich Sie heute fragen, welche Position Sie einnehmen zur Frage, Supermärkte zu verpflichten, Lebensmittel nicht zu vernichten sondern zu spenden.
Mit freundlichen Grüßen
H. E.
Sehr geehrte Frau E.,
elf Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland jedes Jahr von Industrie, Handel, Großverbrauchern und Privathaushalten weggeworfen. In den Lebensmitteln stecken viele wertvolle Ressourcen wie Getreide, Wasser oder Energie und viele Stunden harter Arbeit unserer Landwirte und Beschäftigten der Lebensmittelwirtschaft.
Die Verschwendung von Lebensmittel ist ein großes Problem unserer Gesellschaft, besonders vor dem Hintergrund, dass weltweit fast 800 Millionen Menschen schlicht nicht genug zu essen haben. Auch in Deutschland sind viele Menschen auf Spenden über Tafeln oder ähnliche Einrichtungen angewiesen. Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist daher aus ökonomischen, ökologischen und vor allem aus ethischen Gründen geboten! Darüber hinaus können sowohl Unternehmen als auch soziale Einrichtungen wirtschaftliche Vorteile durch Einsparung von Entsorgungskosten auf der einen Seite und Einkaufskosten für Lebensmittel auf der anderen Seite erzielen.
Für die Weitergabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen gelten alle Bestimmungen des Lebensmittelrechts, insbesondere jene über die Lebensmittel-sicherheit und Lebensmittelhygiene.
Beispielsweise dürfen Lebensmittel, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits abgelaufen ist oder kurz vor dem Ablauf steht, nur nach fachlicher Prüfung des Einzelhandels und einem entsprechenden expliziten Hinweis kostenfrei abgegeben werden. Es ist also leider für Supermärkte einfacher und preiswerter Lebensmittel, die durchaus noch zum Verzehr geeignet wären, wegzuwerfen. Zudem müssen Lebensmittel originalverpackt sein, dürfen also nicht angebrochen sein.
Grund dafür ist eine mögliche Haftung der Supermärkte, die laut Gesetz auch bei verschenkten Lebensmitteln für deren Qualität haften. Im Fall von Personen- oder Sachschäden durch einen Produktfehler, wie beispielsweise einer Magenverstimmung, besteht somit die Möglichkeit, den Händler, der die Lebensmittel kostenfrei abgegeben hat, zur Verantwortung zu ziehen.
Dennoch: Lebensmittel, die noch genießbar sind, gehören nicht auf den Müll!
Ich bin grundsätzlich gegen das Vernichten von Lebensmitteln und halte den Ansatz in Frankreich, Supermärkte zur Spende von Lebensmitteln zu verpflichten, als wegweisend.
In Deutschland kooperieren bereits viele Supermärkte mit lokalen Tafeln und spenden ihre nicht mehr für den Verkauf geeigneten Lebensmittel. Möglicherweise führt die verbleibende Rechtsunsicherheit dazu, dass Waren nicht in vollem möglichen Umfang an die Tafeln weitergegeben werden. Die Lebensmittelbranche gehört in Deutschland zu den größten Unterstützern der über 900 lokalen Tafeln. Alle großen Lebensmittelketten kooperieren mit dem Bundesverband Deutsche Tafeln e.V.
Die Politik ist gefordert, weitere Anreize zu schaffen, damit auch die Supermärkte, die bisher noch nicht freiwillig spenden, Lebensmittel kostenfrei abgeben, die sie nicht mehr verkaufen würden.
Zudem müssen wir auch verstärkt die Situation in den Privathaushalten angehen, denn dort wird laut Statistik der größte Teil der Lebensmittel verschwendet. Dieses Problem muss durch Aufklärungskampagnen viel intensiver angegangen werden. Auch hier muss noch mehr auf die Bürgerinnen und Bürger zugegangen werden, um ein stärkeres Bewusstsein für die alltägliche Verschwendung von Lebensmitteln zu erzeugen.
Ein großes Problem ist zu dem das Missverständnis um das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), welches vielfach als Verfallsdatum verstanden wird. Entgegen dieser weit verbreiteten Annahme ist jedoch nach Ablauf des MHD ein Großteil der Lebensmittel noch einwandfrei genießbar und müsste nicht sofort entsorgt werden. Die Bundesregierung setzt sich bereits dafür ein das MHD abzuschaffen, denn viele Hersteller bauen einen zu großen Sicherheitspuffer ein.
Abschließend möchte ich noch betonen, dass der Einsatz gegen Lebensmittelverschwendung nur dann wirklich zielführend ist, wenn er auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette stattfindet – von der Produktion über den Handel bis zum Endverbraucher.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Axel Voss