Dr. Axel Troost
Axel Troost
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Frage von Bernd F. •

Frage an Axel Troost von Bernd F. bezüglich Bundestag

Viele Städte und Gemeinden sind aufgrund leerer Kassen nicht mehr in der Lage die notwendigsten Aufgaben zu erfüllen. Die Folgen sind täglich spürbar: Öffentliche Gebäude und Straßen sind baufällig. Dringende Reparaturen werden verschoben. Büchereien, Schwimmbäder, Museen und Theater stehen in der Diskussion oder werden geschlossen.

Den Städten und Gemeinden werden immer mehr gesetzliche Pflichten ohne finanziellen Ausgleich auferlegt.

Welche Reformen müssen Ihrer Auffassung nach durchgeführt werden, um die Städte und Gemeinden wieder auf eine solide finanzielle Basis zu stellen?

Dr. Axel Troost
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Freemann,  
anbei unsere steuerpolitischen Alternativen.  Mit freundlichen Grüßen  Axel Troost  Direktkandidat die LINKE.PDS  
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Memorandum 2005  
Sozialstaat statt Konzern-Gesellschaft Alternativen der Wirtschaftspolitik  

Kapitel 3.1.4  Alternative Agenda zur Steuerpolitik  

1. Solange nicht ein überzeugendes Modell einer einheitlichen Unternehmensbesteuerung vorliegt, werden die Einzelunternehmen und Personengesellschaften nach den Regeln der Einkommensteuer und die Kapitalgesellschaften nach denen der Körperschaftsteuer belastet. Um jedoch die Spreizung bei der Belastung zu minimieren, soll der Körperschaftsteuersatz von derzeit 25 vH auf 33 vH erhöht werden. Zusammen mit der Gewerbesteuer beläuft sich der gesamte Steuersatz damit auf ca. 48 vH. Der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer wird von derzeit 42 vH auf 48 vH angehoben. Die der Einkommensteuer unterliegenden Unternehmen können, wie bisher, die Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer verrechnen.  

2. Die trotz des Versuchs durch die Bundesregierung bisher nicht grundlegend reformierte Gewerbesteuer wird zu einer eigenständigen Einnahmequelle der Kommunen ausgebaut: Sie wird auf alle Unternehmen, also auch FreiberuflerInnen, erhoben. Besteuert wird der gesamte Ertrag, d.h. dem Gewinn nach dem Einkommensteuerrecht werden Ertragsbestandteile hinzugerechnet, die als Entgelte für betrieblich genutztes Kapital abgeflossen sind (Fremdkapitalzinsen, anteilig Mieten, Pachten, Leasingraten). Wie bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer sind objektive Gewinnermittlungsvorschriften strikter anzuwenden. Der Steuersatz beträgt 3 vH des Betriebsertrags multipliziert mit dem von der Kommune festgelegten Hebesatz. Dieser Hebesatz beträgt zur Vermeidung unfairer Steuerkonkurrenz wie bisher 200 vH. Der Abzug der Gemeindewirtschaftsteuer als Betriebsausgabe wird beibehalten. Darüber hinaus bleibt es für Personenunternehmen bei dem pauschalierten Abzug der Gemeindewirtschaftsteuer von der Einkommensteuerschuld.  

3. Zur zeitnahen Besteuerung der Gewinne wird die derzeit geltende Mindestgewinnbe  s t e u e r u n g  a b  1  M i o .  ¬  G e w i n n  e r h ö h t .  N i c h t  w i e  d e r z e i t  6 0  v H ,  s o n d e r n  n u r  n o c h  4 0  v H  d e r  G e w i n n e  s i n d  m i t  f r ü h e r e n  V e r l u s t e n  v e r r e c h e n b a r  ( M i n d e s t b e s t e u e r u n g  6 0  v H  d e r  l a u f e n d e n  G e w i n n e ) .  D i e  M ö g l i c h k e i t  d e r  V e r r e c h n u n g  v o n  f r ü h e r e n  V e r l u s t e n  m i t  h e u t i g e n  Gewinnen wird auf maximal drei Jahre beschränkt.  

4. Gegenwärtig kursieren Vorschläge zur Abschaffung der derzeitigen differenzierten Mehrwertsteuersätze. Jüngste empirische Untersuchungen zeigen, dass durch die Nichtbesteuerung etwa von Arztleistungen sowie die Besteuerung von Nahrungsmitteln mit nur 7 vH die relative Entlastung von der Mehrwertsteuer bei wachsendem verfügbarem Einkommen gedämpft wird (moderate Regressivität). Während derzeit das unterste Zehntel der privaten Haushalte durch die Mehrwertsteuer mit 10 vH ihres Nettoeinkommens belastet wird, sind es beim obersten Zehntel nur 6 vH. Die Differenzierung der Steuersätze verhindert im unteren Einkommensbereich die ansonsten mit steigendem Haushaltseinkommen relativ sinkende Belastung (Regression), denn im unteren Einkommensbereich ist zwar die durchschnittliche Konsumquote vergleichsweise hoch, jedoch auch der Anteil der Güter und Dienstleistungen, die nicht bzw. mit 7 vH besteuert werden. Die sozial-ökonomisch begründeten, unterschiedlichen Steuers ä t z e  s i n d  a l s o  b e i z u b e h a l t e n .  D i e  w i c h t i g s t e  A u f g a b e  i s t  d e r z e i t  d i e  R e f o r m  d e r  P r a x i s  d e r  E r h e b u n g  d e r  M e h r w e r t s t e u e r .  D e r z e i t  w e r d e n  d u r c h  o r g a n i s i e r t e n  S t e u e r b e t r u g  i m  R a h m e n  d e r  s o  g e n a n n t e n  K a r u s s e l l g e s c h ä f t e  j ä h r l i c h  ü b e r  1 6  M r d .  ¬  h i n t e r z o g e n .  E i n  Systemwechsel bei der Umsatzsteuererhebung ist dringend erforderlich. Getestet werden dazu derzeit Modelle zur Vermeidung des Mehrwertsteuerbetrugs.  

5. Zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Besteuerung aller Vermögensarten im Falle der Erbschaft und Schenkung muss endlich die Auflage des Bundesverfassungsgerichts, die Immobilien entsprechend ihrer Marktwerte zu bewerten, im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz verankert werden. Ebenso sind die Steuersätze innerhalb der Steuerklasse 1 bei hohem Vermögen anz u h e b e n .  

6 .  D i e  R e a k t i v i e r u n g  e i n e r  m i t  d e m  G r u n d g e s e t z  v e r e i n b a r e n  V e r m ö g e n s t e u e r  i s t  m a c h b a r  u n d  s i n n v o l l .  B e i  e i n e m  F r e i b e t r a g  v o n  5 0 0 . 0 0 0  ¬  ( F a m i l i e  m i t  z w e i  K i n d e r n )  u n d  e i n e m  S t e u e r s a t z  v o n  e i n e m  P r o z e n t  a u f  a l l e  d a r ü b e r  l i e g e n d e n ,  z u  M a r k t w e r t e n  e r f a s s t e n  V e r m ö g e n  w e r d e n  d i e  d a r a u s  e r z i e l b a r e n  E i n n a h m e n  a u f  1 4  M r d .  ¬  g e s c h ä t z t .  D a b e i  i s t  d i e  V e r m ö g e n s t e u e r  n i c h t  m i t  d e r  E i n k o m m e n s t e u e r  z u  v e r r e c h n e n ,  w i e  e s   B ü n d n i s  9 0 / D i e  G r ü n e n   i n  e i n e m  G u t a c h t e n  h a b e n  b e r e c h n e n  l a s s e n .  D i e s  f ü h r t  e i n e r s e i t s  z u  E i n n a h m e a u s f ä l l e n  b e i  d e r  E i n k o m m e n s t e u e r .  J e  n a c h  M o d e l l  w ü r d e  d i e  V e r m ö g e n s t e u e r  d a n n  n u r  n o c h  z w i s c h e n  3 , 7  u n d  7 , 3  M r d .  ¬  e r b r i n g e n .  A n d e r e r s e i t s  w ü r d e n  V e r m ö g e n d e  m i t  g l e i c h z e i t i g  s e h r  h o h e n  E i n k o m m e n  b e v o r t e i l t ,  P e r s o n e n  m i t  n i e d r i g e n  E i n k o m m e n  u n d  V e r m ögen jedoch benachteiligt. Es widerspricht dem Ziel der Vermögensbesteuerung, diese auf eine Mindestbesteuerung großer Vermögen in Abhängigkeit vom Einkommen zu reduzieren. Die durch Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik konzipierte Vermögensteuer steht auch nicht im Widerspruch zu dem – ohnehin höchst umstrittenen – Halbteilungsgrundsatz. Durch die Senkung des Einkommensteuertarifs hat sich der Spielraum für die Vermögensteuer ohnedies erhöht, ohne den Grundsatz der maximal hälftigen Besteuerung der Einkommen zu verletzten.  

7. Auf der Agenda einer alternativen Steuerpolitik steht zudem die Einführung einer Steuer auf Devisenumsätze (Tobinsteuer). Differenzierte Vorschläge zur Ausgestaltung und Wirkung sind im MEMORANDUM 2002 (S. 240 ff.) durch die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik vorgelegt worden. Die Einnahmen aus dieser Steuer sollen für die finanzielle Unterstützung der ärmsten Länder der Welt genutzt werden, stehen also den öffentlichen Haushalten in Deutschland nicht zur Verfügung.