Frage an Axel Berg von Markus V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Berg,
im Vorschlag für das Regierungsprogramm der SPD von Frank-Walter Steinmeier für 2009-2013 wird auf Seite 43 unter "Datenschutz in Staat und Wirtschaft" erwähnt:
"Einen Präventionsstaat, der auf der Suche nach Gefahrenquellen auch die Daten Unbeteiligter
vorbeugend sammelt und überwacht, lehnen wir ab."
Bedeutet dies einen Kurswechsel in der SPD? Wird z.b. die Vorratsdatenspeicherung nun abgelehnt und soll diese bei dem Fall der alleinigen Regierungsübernahme wieder abgeschafft werden? Wie stehen Sie zur Vorrats-Daten-Sammlungen wie der Vorratsdatenspeicherung, aber auch zur sog. Fluggast-, Schiffsgastdatenspeicherung oder dem KFZ-Kennzeichenscanning?
Danke und viele Grüße aus München,
Markus Veltre
Sehr geehrter Herr Veltre,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Vorschlag von Frank-Walter Steinmeier für ein Regierungsprogramm. Der Vorschlag für das Regierungsprogramm ist auch so in das Regierungsprogramm eingegangen. Dieses geht an zwei Stellen deutlich auf Datenspeicherung und Sicherheitsaspekte ein:
"Zum Schutz der Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Burger haben wir die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden klar begrenzt und an enge Voraussetzungen geknüpft. Unsere Gesetze, die mit Grundrechtseingriffen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus verbunden sind, werden wir regelmäßig auf Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit überprüfen."
"Wir wollen keinen gläsernen Burger, deshalb müssen die Voraussetzungen für staatliche Datenerhebungen und die Nutzung der Daten gesetzlich klar geregelt und strikt begrenzt werden. Einen Präventionsstaat, der auf der Suche nach Gefahrenquellen auch die Daten Unbeteiligter vorbeugend sammelt und überwacht, lehnen wir ab."
Die Diskussion über die Innere Sicherheit befindet sich immer auf einem schmalen Grat zwischen Freiheit und Sicherheit. Es ist kein Geheimnis, dass die CDU ihre Akzentuierung stärker auf der Seite der Sicherheit und die SPD eher auf der Seite der Bürgerrechte setzt. In einer großen Koalition mussten viele Kompromisse geschlossen werden, die nicht der Parteimeinung und schon gar nicht der eigenen Meinung entsprechen. Daher können Sie sich auch vorstellen, dass die Gesetze in anderen Koalitionen auch anders ausgefallen wären und auch wieder anders ausfallen werden, falls die SPD in Regierungsverantwortung kommt und die Koalition nicht gerade eine große ist.
Ich persönlich halte die Eingriffe ins Privatleben schon für zu weitgehend und glaube nicht, dass man dadurch bei der Verbrechensbekämpfung deutlich weiterkommt. Allerdings bin ich kein Sicherheitsexperte, mein Schwerpunkt liegt im Umwelt- und Energiebereich. Ich kann nur das beurteilen, was die Fachkollegen berichten oder in den verschiedenen Untersuchungen dargelegt wird. Im Vergleich zu den USA, aber auch zu anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Großbritannien und Dänemark, sind die Eingriffsrechte in die Privatsphäre des einzelnen Bürger begrenzt. Allerdings muss man deutlich machen, dass es keine Salamitaktik geben darf, mit der die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit Schritt für Schritt zu Ungunsten der Freiheit gefährdet wird. Dies wird im Regierungsprogramm mehr als deutlich.
Leider ließ sich in den letzten Jahren tatsächlich eine Tendenz beobachten, individuelle Freiheitsrechte relativ leichtfertig und weitgehend beschneiden zu wollen. Exemplarisch lässt sich hier die BKA-Gesetzesnovelle vom Herbst 2008 (Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (Drucksachen 16/9588, 16/10121, 16/10822, 16/11227, 16/11391)) anführen.
Mit dieser Novelle bekam das Bundeskriminalamt Zuständigkeiten, um Gefahren des internationalen Terrorismus in den Fällen abzuwehren, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht. Im Zuge der Novellierung des BKA-Gesetzes erhielt das BKA ein umfassendes Spektrum geheimer Ermittlungsinstrumente. Insbesondere wurde es mit Befugnissen zur Durchsuchung, Rasterfahndung, Wohnraumüberwachung und Telekommunikationsüberwachung ausgestattet. Außerdem bekam das BKA eine Befugnis zum "verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme" (sogenannte "Online-Durchsuchung").
Wenngleich ich der Meinung bin, dass man dem BKA zur Terrorabwehr Kompetenzen übertragen muss und ein derartiges Gesetz grundsätzlich notwendig ist, sah ich mich nicht in der Lage, diesem Gesetz zuzustimmen. Denn es wurde meines Erachtens an zentralen Stellen versäumt, die staatlichen Eingriffe in die Freiheitsrechte hinreichend zu begrenzen.
Zur KFZ-Kennzeichenscannung habe ich am 17.01.2008 Herrn Prins geantwortet und möchte Sie auf diese Antwort verweisen. Auch die Antwort vom 11.01.2008 an Herrn Trapp zur Telekommunikationsüberwachung könnte Sie interessieren.
Die SPD steht auch weiterhin für einen freiheitlichen Staat, in dem eventuelle Eingriffe in Freiheitsrechte strikt begrenzt und verfassungsrechtlich legitimiert sein müssen. Die Eingriffe müssen ständig neu überprüft und angepasst werden, damit meine ich ausdrücklich nicht verschärft werden. Sie können sich zur weiteren Information auch meine Homepage http://www.axel-berg.de ansehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Berg