Frage an Axel Berg von Adalbert H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Berg,
Ein Fortsetzung der grossen Koalition scheint die einzige Möglichkeit eine neoliberale Regierung aus CDU/FDP zu verhindern, da die SPD ja nicht mit den Linken koalieren will.Mit erschrecken musste ich feststellen, dass uns Herr Steinbrück zusammen mit Herrn Guttenberg für diesen Fall auf eine MWSTerhöhung/Sozialleistungskürzung vorbereitet:
Wie man an den Steuergesetzen vergleichbarer europäischer Länder erkennen kann ist die Steuerlast bereits jetzt sehr ungleich verteilt in Deutschland. Arbeitnehmer mit einem Gehalt unter 64k Euro mussten unter der Rot Grünen Regierung auch in wirtschaftlich guten Zeiten reelle Lohneinbussen hinnehmen während Personen mit höherem Gehalt deutliche zuwächse hatten.
Auch wurden durch deregulierung der Finanzmärkte (vor Rot-Grün waren Hedgefonds in Deutschland verboten) Rahmenbedingungen geschaffen, welche die Finanzmarktkriese begünstigt haben. Ich verstehe durchaus, dass die Kosten der Kriese volkswirtschaftlich aufgefangen werden müssen. Nun zur Frage: Wollen Sie, und wenn ja wie, verhindern, dass diese Kosten unverhältnismässig stark den leidtragenden (untere Einkommen über mwst und sozialabbau) aufgebürded werden, während die Verursacher/Profitöre kaum beteiligt werden? Es gibt relativ einfache Methoden um ein Minimum an Steuergerechtigkeit zu erreichen(z.b. Vorschläge von Harald Schumann):
Warum werden diese nicht genutzt (siehe Buch "Schön reich - Steuern zahlen die anderen" von s. Adamek)?
Ist das die Politik der SPD nach der Wahl?Ab und an wird auch von der SPD ein Mindestlohn oder eine Börsenumsatzsteuer gefordert.Das geht in die richtige Richtung,ist aber in einer Koalition mit der CDU niemals durch zu setzen.Wenn die SPD ernsthaft wieder eine sozialere politik anstrebt kann Sie dies nur zusammen mit Grünen und Linken erreichen. Die öffentliche Weigerung mit den Linken zu koalieren heisst also,dass es ihrer Partei mit diesen Zielen nicht ernst ist?
Sehr geehrter Herr Hummer,
vielen Dank für Ihr Schreiben auf Abgeordnetenwatch bezüglich Steuererhöhungen nach der Wahl. Ich werde Ihnen keine Steuersenkungen versprechen können, aber das verlangen Sie ja zum Glück auch nicht. Steuern sind nämlich kein Selbstzweck oder dienen Politikern dazu, sich die Taschen zu füllen, sondern mit Steuern werden staatliche Aufgaben finanziert. Das werden wir auch nach der nächsten Wahl tun müssen, denn wir haben die größte Wirtschaftskrise der Bundesrepublik noch nicht überwunden. Sie schreiben ja selbst, dass Sie verstehen, dass diese Kosten volkswirtschaftlich aufgefangen werden müssen. Die wichtige Frage ist aber, wer sich an der Bewältigung der Kosten wie beteiligen muss.
Der politische Spielraum lässt zu, bestimmte Einkommen stärker zu belasten und andere dafür zu entlasten. Die Meinung der SPD dazu ist klar. Wer durch hohe Einkommen und Vermögen Vorteile genießt, muss einen stärkeren Solidarbeitrag vor allem zur Finanzierung von Kinderbetreuung und Bildung leisten. Dass Vermögende einen ihrer Leistungsfähigkeit entsprechenden steuerlichen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten, ist sozial gerecht und wirtschaftlich vernünftig. Deshalb will die SPD den Spitzensteuersatz auf 47% erhöhen, ab einem zu versteuernden Einkommen von 125.000 Euro.
Mit der Absenkung des Eingangssteuersatzes von bislang 14 Prozent auf 10 Prozent entlasten wir gezielt untere und mittlere Einkommen. Wir wollen den Tarifverlauf so gestalten, dass es Entlastungen bis zu einem versteuernden Jahreseinkommen von 52.882 Euro (Verheiratete 105.764 Euro) gibt. Hiervon werden im Vergleich zum Tarifverlauf 2010 über 24,6 Millionen Menschen profitieren.
Wie Sie sehen, soll es Umstellungen in der Besteuerung geben, weder einseitige Steuererhöhungen noch -senkungen. Wichtig sind ergänzende Instrumente. Wir wollen, dass jeder seinen Teil zu den Steuern beiträgt und deshalb gezielt gegen Steueroasen vorgehen. Steuerhinterziehung muss besser verfolgt werden. Vermutlich sind es weniger die Geringverdiener, die ihre Geldbestände in das Ausland verschieben, um einer gerechten Besteuerung zu entgehen. Dies ist ebenfalls keine Steuererhöhung, sondern eine Erhöhung der Gerechtigkeit bei der Steuerentrichtung.
Worauf wir neue Steuern erheben wollen, sind Finanztransaktionen, die Sie ja ebenfalls hervorgehoben haben. Falls es Peer Steinbrück gelingt eine internationale Vereinbarung zu treffen, würden wir dies begrüßen. Ansonsten werden wir versuchen, in Deutschland eine Börsenumsatzsteuer einzuführen. Dadurch können wir kurzfristige Spekulationen eindämmen.
Eine einfache Mehrwertsteuererhöhung hat die SPD ausgeschlossen. Dies wäre auch für ein leichtes Wachstum, wie wir es gerade wieder erleben, der Todesstoß. Wir müssen dafür sorgen, dass wir ein qualitatives Wachstum generieren, um wieder aus der Krise zu finden. Dafür brauchen die Menschen Geld, welches ihnen mit einer weiteren Mehrwertsteuererhöhung genommen werden würde. Selbstverständlich liegt die Umsetzung dieser SPD-Forderungen auch daran, ob wir an der Regierung beteiligt sind und mit wem eine Koalition möglich wäre. Sie spielen bei einigen unserer Forderungen darauf an, dass sie sich mit Forderungen der Linken überschneiden. Das stimmt natürlich. Ich kann aber daraus im Moment noch keine Basis für eine enge Zusammenarbeit ausmachen. Für diese Legislaturperiode kann man ein Zusammengehen noch ausschließen. Mit einzelnen Abgeordneten der Linken habe ich ganz vernünftig zusammengearbeitet. Der Streit zwischen der SPD-Spitze und Lafontaine im Westen und der Streit zwischen Politikern aus der ehemaligen DDR, die sich heute in der Linken und der SPD gegenüberstehen, machen eine vernünftige Zusammenarbeit (noch) nicht möglich. Die Linke selbst will auch gar nicht in Regierungsverantwortung. Auch bei europapolitischen Themen ist dies derzeit nicht möglich. Also müssen wir andere Koalitionsmöglichkeiten auftun, die es uns ermöglichen, möglichst viele unserer Ziele durchzusetzen. Welche Koalition nach Sonntag regieren wird, entscheiden aber die Wähler. Die Ziele der SPD habe ich Ihnen deutlich gemacht.
Ich persönlich bin der Meinung, dass wir unser Steuersystem grundlegend verändern und vereinfachen sollten. Ich bin ein großer Verfechter der Ökologischen Steuerreform. Diese stellt sowohl eine Vereinfachung, als auch eine ökologische Ausrichtung der Steuererhebung dar, die wir für die Bekämpfung des Klimawandels dringend benötigen. Wir könnten Arbeit entlasten und den Umweltverbrauch belasten. Ökosteuer ist deshalb auch der falsche Ausdruck. Sie sollte eigentlich Umweltverbrauchssteuer heißen. Auf der Seite www.foes.de können Sie die wesentlichen Forderungen lesen. Unter anderem sind diese:
• Aufkommensneutrale Ökologisierung der KFZ-Steuer
• Jährliche Erhöhung der Ökosteuer für mindestens 5 Jahre
• Ab 2020 Besteuerung alternativer Energien zur Deckung der Infrastrukturkosten
• Abschaffung aller Steuervergünstigungen im Flugverkehr
• Einführung einer Kerosinbesteuerung im Inland, Mehrwertsteuererhebung auch für Auslandsflüge
• Mehrwertsteuerermäßigung im Schienenpersonenverkehr
• Erhöhung der Ökosteuern für fossile Heizstoffe und Strom
• gezieltere Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
• Überarbeitung der Ökosteuerermäßigungen für die Industrie
• Weiterentwicklung des Emissionshandels
Dies sind selbstverständlich nur einzelne Forderungen, aber sie wären für die Zukunft der Menschheit wichtig. Wir müssen eine ganz neue Sichtweise auf die Besteuerung bekommen: ganzheitlich und ökologisch. Wir müssen die größte Herausforderung der Menschheit, den Klimawandel, endlich gebührend berücksichtigen. Damit bekommt man eine zusätzliche Lenkungswirkung hin zu mehr Umweltschutz.
Ich werde mich im neuen Bundestag, falls ich gewählt werde, dafür einsetzen, dass wir die Konsolidierung des Haushaltes fortsetzen und einen vernünftigen Sparkurs einschlagen. Wir hatten schon sehr gute Ansätze, dann wurde der Sparkurs allerdings durch die Finanzkrise torpediert. Wir müssen dort wieder ansetzen, wo wir vor der Krise waren. Wenn Sie also wollen, dass die SPD Ihre Ziele durchsetzt, dann wäre ich Ihnen natürlich dankbar, wenn Sie Ihre Kreuze am Sonntag auch bei der SPD machen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Berg