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Frage von Eric M. •

Frage an Axel Berg von Eric M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Berg,

ich beziehe mich auf Ihre Antwort vom 08.04.09 auf die Frage von Frau Hickmann.

Ich sehe, dass Sie bereits einige Überlegungen zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) angestellt haben und dass Sie bereit sind Dogmen in Frage zu stellen, auf die wir möglicherweise – oder sogar wahrscheinlich – in der Zukunft keine funktionierende Gesellschaft und auch kein florierendes Wirtschaftsleben mehr aufbauen können.

Anfang März wurde eine weitere Petition zum BGE gestellt, diese befasst sich u.a. mit möglichen Übergangsmodellen, ich sende diese per Email an Ihr Berliner Büro.

Darin geht es auch um die Anpassung unserer Volkswirtschaft an die Herausforderungen der Zukunft was knappe Rohstoffe und klimaneutrale Energiegestehung angeht. Was halten Sie von der vorgeschlagenen Verbindung mit einer “ Ökosteuer” bzw. -abgabe?

Auf welche wiss. Gutachten beziehen Sie sich mit Ihrer Aussage über die Gefahren eines “zu hohen” BGE? Welchen Betrag sehen Sie (bzw. diese Gutachten) als nicht “zu hoch”, also als denkbar an? Ein BGE ist an keine Bedingungen geknüpft, wie der Name schon sagt. Welche “Fehlanreize” könnten von einem solchen BGE ausgehen? Bzw. meinten Sie möglicherweise “Mangel an (z.B. Arbeits)Anreizen”?

Sie schreiben, dass Sie keine abgemilderte Form des Sozialismus einführen wollen. Nun ist ja für den Sozialismus (”Arbeiterparadies”) wie auch für den Kommunismus die Verklärung der (möglichst unselbstständigen) Arbeit – unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Nutzen – charakteristisch. Daher und in Abschaffung der (Angst vor der) Armut sehe ich persönlich in der Einführung eines BGE auch ganz dezidiert eine anti-kommunistische wie auch anti-faschistische Maßnahme oder anders gesagt: Eine Stärkung der Zivilgesellschaft und der Individuen gegen die Gefahren bzw. Verlockungen der totalitären Feinde der Demokratie von Rechts und Links. Können Sie mit diesem Gedankengang etwas anfangen?

Mit freundlichen Grüßen
Eric Manneschmidt

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Manneschmidt,

vielen Dank für Ihr engagiertes Schreiben zum bedingungslosen Grundeinkommen und die Zusendung der weiteren Petition zu möglichen Übergangsmodellen. Aus der Lektüre Ihrer eigenen Petition zum bedingungslosen Grundeinkommen von 2007 sowie Ihrer zahlreichen Leserbriefe und Kommentare kann ich ersehen, dass Sie ein überaus aktiver Unterstützer dieses interessanten Konzepts sind.

Die zugesandte Petition für ein mit Hilfe einer Ökoabgabe finanziertes Übergangsmodell zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens finde ich dabei besonders reizvoll. Das liegt auch daran, dass ich mich als Wirtschaftspolitiker vor allem für den Einsatz erneuerbarer Energien stark mache. Die Notwendigkeit, dem Problem der Ressourcenknappheit und des Klimawandels zu begegnen, wird dabei elegant mit einer möglichen Lösung der Finanzierung eines Grundeinkommens verbunden. Ein detailliertes, realistisches Finanzierungsmodell scheint bei dem Konzept jedoch noch auszustehen.

Doch lassen Sie mich auch auf Ihre weiteren Fragen eingehen: In folgenden wissenschaftlichen Gutachten finden Sie Hintergrundinformationen sowie detaillierte Modellrechnungen zur Finanzierbarkeit der verschiedenen Formen eines bedingungslosen Grundeinkommens:

Pelzer, Helmut (2007): Das bedingungslose Grundeinkommen. Finanzierung und Realisierung nach dem Ulmer Transfergrenzen-Modell: http://www.archiv-grundeinkommen.de/pelzer/Transfergrenzen-Modell-Abstract-V-1.pdf

Bäcker, Gerhard, Leiber, Simone, Meinhardt, Volker und Neubauer, Jennifer (2009): Die Grundsicherungsmodelle der Linken: http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Einkommen-Armut/Dokumente/Gutachten_Grundsicherung_Linke.pdf

Wagner, Björn (2009): Das Grundeinkommen in der deutschen Debatte. Leitbilder, Motive und Interessen: http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06194.pdf

Lessenich, Stephan (2009): Das Grundeinkommen in der gesellschaftspoltischen Debatte: http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06193.pdf

Insbesondere die beiden ersten Publikationen weisen auch zahlenmäßig nach, dass das Grundeinkommen nicht in jeder Höhe und Form finanziell realisierbar ist. Welcher Betrag konkret anzusetzen wäre, ist dabei letztlich vom Steueraufkommen und den weiteren Verpflichtungen im Bundeshaushalt abhängig. Angesichts des bereits heute überlasteten Haushalts erscheint mir ein am Eckregelsatz orientiertes Grundeinkommen in Verbindung mit einer negativen Einkommensteuer im Niedriglohnbereich zu Beginn am aussichtsreichsten.

Mit dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens verbinde ich durchaus auch den Wunsch nach einem neuen bürgerlichen Staats- und Selbstverständnis: Anders als in totalitären Systemen gehen wir in unserer Gesellschaft grundsätzlich davon aus, dass jeder Mensch selbstbestimmt denken, handeln und auch wirtschaften kann. Gerade im Niedriglohn- und Arbeitslosigkeitsbereich kapitulieren wir jedoch bisher vor unserem eigenen Anspruch und setzen stattdessen auf Kontrolle und Zwangsmittel, mit der Folge immenser gesamtgesellschaftlicher Kosten. Richtig verstanden befreit ein Grundeinkommen nicht von der Notwendigkeit der Arbeit – es ermöglicht nur eine langfristig effizientere und selbstbestimmtere Art der Arbeit.

Damit alle Menschen zu einer solch selbstbestimmten Art der Arbeit befähigt werden, wird freilich neben dem Grundeinkommen auch noch eine andere Form der Unterstützung notwendig sein: Bildung, Persönlichkeitsentwicklung und Erwerb. Diese bereits in Lorenz von Steins Theorie vom sozialen Königtum formulierten Grundlagen eines Sozialstaats werden sich jedoch nur dann realisieren lassen, wenn das dafür erforderliche Mindestmaß an gesellschaftlicher Solidarität vorhanden ist.

Genau wie Sie, sehe auch ich hier daher eine große Chance zur Stärkung unserer Zivilgesellschaft gegen die totalitären Gefahren der Demokratie. Um diese Chance wahrnehmen zu können, müssen wir alle jedoch erst das Vertrauen entwickeln, dass auch dort selbstbestimmtes Verhalten möglich ist, wo dies heute mangels Marktes noch nicht existiert. Damit ist auch die Verantwortung für uns alle verbunden, Ängsten und Vertrauensmangel durch gelebte Solidarität entgegenzutreten.

In diesem Sinne hoffe ich auf eine weitere fruchtbare gesamtgesellschaftliche Diskussion dieses Themas und eine baldige Vereinfachung unserer Sozialsysteme durch ein praktikables und gerechtes Grundeinkommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Berg MdB