Frage an Axel Berg von Jürgen Axel K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Berg,
wieso läuft eine Petition 6 Wochen, wenn nur die Stimmen der ersten 3 Wochen relevant sind, um das Quorum (50.000 Stimmen) zu erreichen?
Können Sie nachvollziehen, dass ich mich als Bürger dieses Landes über diese Art von Winkeladvokatismus, vorsichtig ausgedrückt, sehr ärgere?
Würden Sie eine Änderung des entsprechenden Gesetzes begrüßen oder sogar für eine Änderung einsetzen, damit sich die Bürger dieses Landes wieder ernst genommen fühlen?
Beste Grüße
gez. J. A. K.
Sehr geehrter Herr Kistner,
vielen Dank für Ihr Schreiben zur Quorums-Frist bei öffentlichen Petitionen. Aufgrund der ergänzten Verfahrensgrundsätze und einer zusätzlichen Richtlinie ist das Petitionsrecht in dem von Ihnen angesprochenen Punkt mittlerweile tatsächlich nicht in jeder Beziehung nachvollziehbar. Vorab ist jedoch festzuhalten, dass das allgemeine Petitionsrecht von dieser Regelung nicht berührt wird.
Nach Artikel 17 des Grundgesetzes (GG) hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an den Deutschen Bundestag zu wenden (Petitionsrecht). Für diese Bitten und Beschwerden bestellt der Deutsche Bundestag nach Artikel 45c Abs. 1 GG einen Petitionsausschuss. Wie bisher können Petitionen von jedermann und abgesehen vom Schriftformerfordernis auch form- und fristfrei an den Petitionsausschuss gerichtet werden.
Über dieses allgemeine Petitionsrecht hinaus hat der Petitionsausschuss im September 2005 als zusätzliches Angebot die Möglichkeit geschaffen, über das Internet sog. „öffentliche Petitionen“ einzureichen. Für diese öffentlichen Petitionen wurde die Frist, in der die Öffentlichkeit sich an einer solchen Petition durch Diskussion oder Unterschrift beteiligen kann (Mitzeichnungsfrist) einheitlich auf sechs Wochen festgelegt. Diese Sechswochenfrist entspricht dabei der ständigen Übung des schottischen Parlaments, das für den Modellversuch der öffentlichen Petitionen in Deutschland Pate stand.
Davon unabhängig gilt die dreiwöchige Quorumsfrist nicht nur für öffentliche sondern für alle Petitionen: Erreicht eine Petition innerhalb dieser Frist 50.000 Mitzeichner, kann der Petent vom Petitionsausschuss persönlich angehört werden. Durch das Erreichen dieses Quorums gewinnt eine Petition nicht mehr Aussicht auf Erfolg. Das dadurch bekundete öffentliche Interesse an dem Thema rechtfertigt lediglich auf demokratische Weise den Umstand, dass der Petent in einer öffentlichen Ausschusssitzung angehört und seinem Anliegen parlamentarische Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird.
Damit eine Petition als öffentliche Petition auf der Seite https://epetitionen.bundestag.de veröffentlicht wird, muss sie grundsätzlich von allgemeinem Interesse sein. Die letztliche Entscheidung über die Veröffentlichung wird dabei vom Petitionsausschuss getroffen, der sich nach den geltenden Verfahrensgrundsätzen richtet. Diese Verfahrensgrundsätze sind nicht willkürlich, sondern mit dem Zweck ausgearbeitet worden, die Veröffentlichungen auf formal und inhaltlich geeignete Anliegen zu beschränken. Ungeeignet für eine Veröffentlichung sind beispielsweise offensichtlich falsche, entstellende, unsachliche oder beleidigende Meinungsäußerungen sowie strafbare Inhalte, aber auch solche Anliegen, über die der Ausschuss bereits in der gleichen Wahlperiode entschieden hat. Dadurch wird sichergestellt, dass das Petitionsforum ein Ort der demokratischen Willensbildung für die Allgemeinheit und nicht nur für Partikularinteressen ist und auch bleibt. Dabei ist anzumerken, dass nicht einmal zwei Prozent aller Petitionen auf diese Weise im Internet veröffentlicht werden.
Wie Sie richtig erkannt haben, ist die unterschiedliche zeitliche Behandlung der Quorums- und der Mitzeichnungsfrist (drei bzw. sechs Wochen) mehr historischen Umständen als wirklich inhaltlichen Gründen geschuldet. Hintergrund ist wie bereits erwähnt die zunächst probeweise Festlegung der Mitzeichnungsfrist bei öffentlichen Petitionen auf sechs Wochen, die vom Petitionsausschuss während des zweijährigen Testbetriebs der Seite vorgenommen wurde. Bislang hat sich die kurze Quorumsfrist bei öffentlichen Petitionen zumindest insoweit bewährt, als es hier nicht um einen Ausschluss ungeeigneter, sondern vielmehr umgekehrt um die frühzeitige Erkennung gesellschaftlich besonders relevanter Anliegen geht. Durch die Dreiwochenfrist kann der Petitionsausschuss bereits nach relativ kurzer Zeit erkennen, ob ein Thema auf gesteigertes gesellschaftliches Interesse stößt. Dies hat sich zum Beispiel im Falle der noch laufenden Petition von Franziska Heine gegen die Indizierung und Sperrung von Internetseiten gezeigt. Deren Petition hat innerhalb von nur vier Tagen die notwendigen 50.000 Unterschriften für eine persönliche Anhörungsmöglichkeit gefunden.
Dessen ungeachtet wird sich der derzeitige Petitionsausschuss noch während der geradew andauernden Sommerpause Gedanken über die aktuelle Fristenlösung machen. Ihrer nachvollziehbaren Kritik folgend werde ich meinen Kollegen im Ausschuss die Empfehlung geben, die beiden Fristen im Sinne einer einheitlichen sechswöchigen Frist anzugleichen. Dies erscheint mir angemessen, da insbesondere Themen mit allgemeiner Relevanz mehr als nur drei Wochen Zeit haben sollten, um von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden zu können. Entscheidend erscheint mir jedoch letztlich die Tatsache, dass viele Mitzeichner direkt und demokratisch Einfluss auf das Erreichen des Quorums nehmen möchten und diesen Einfluss in jedem Fall einheitlich und damit während der gesamten Mitzeichnungsphase haben sollten. Auch die Früherkennung allgemeinheitsrelevanter Themen wird durch die Fristverlängerung nicht beeinträchtigt werden, da sich auch weiterhin sehr schnell herauskristallisieren wird, wenn eine öffentliche Petition auf gesteigertes Interesse trifft.
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir gemeinsam die nicht immer voll nachvollziehbaren Regelungen unseres Petitionsrechts klarer gestalten können. Meiner Meinung nach weicht das allgemeine Quorumsfristerfordernis ohne wirklich sachliche Notwendigkeit von der Mitzeichnungsfrist für öffentliche Petitionen ab. Eine einheitliche, harmonisierte Quorums- bzw. Mitzeichnungsfrist sollte sich daher als wirksames Mittel erweisen, um das Verfahren bei Petitionen zu vereinfachen. Damit wird die Chance jedes Bürgers auf basisdemokratischen Einfluss in unserer Gesellschaft erhöht – ein Ziel, das ich in jedem Fall begrüße.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Axel Berg MdB