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Frage von Uwe M. •

Frage an Axel Berg von Uwe M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

In Ihrer Gewissensfreiheit haben Sie sich gegen den Afghanistan-Einsatz entschieden.

Wie sieht die Alternative dazu aus?
Geht es nur um einen Ausstieg - womöglich auch aus den mit den US-Amerikanern schier unerfüllbaren Verpflichtungen oder wie sehen alternative Handlungen aus?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mannke,

vielen Dank für Ihre Frage bezüglich meines Abstimmungsverhaltens bzw. meiner Position zum Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Um Ihre Fragen befriedigend zu beantworten, muss ich mit der ersten Abstimmung über den Einsatz von RECCE-Tornados im März 2007 beginnen. Den Antrag der Bundesregierung habe ich damals abgelehnt und folgende Erklärung abgegeben, warum ich den Einsatz ablehne:

" Erklärung des Abgeordneten Dr. Axel Berg (SPD) nach § 31 GO Deutscher Bundestag zum Abstimmungsverhalten über den Antrag der Bundesregierung "Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001), 1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und 1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen" (Tagesordnungspunkt 21 zur 86. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 09.03.2007; Bundestagsdrucksache 16/ 4298)

Die Internationale Sicherheitsbeistandtruppe (ISAF) unterstützt die Regierung Afghanistans bei ihrer Aufgabe, für Sicherheit, Recht und Ordnung im ganzen Land zu sorgen. ISAF soll eine friedliche, politische Entwicklung Afghanistans gewährleisten.

ISAF hat beim Wiederaufbau Afghanistans Erfolge vorzuweisen. Insbesondere die deutsche Bundeswehr hat in ihrem Verantwortungsbereich zu einer Stabilisierung des Nordens Afghanistans beigetragen.

Das ISAF-Mandat beinhaltet das Recht der ISAF-Soldaten auf Selbstverteidigung. Militärische Gewalt ist auch dann zulässig, wenn es darum geht, die Regierung und die Menschen in Afghanistan zu schützen.

ISAF ist dabei klar abzugrenzen von der "Operation Enduring Freedom" (OEF), die die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zum Ziel hat.
Die Sicherheit deutscher Soldaten bisher beruht nicht zuletzt auf der relativ klaren Trennung beider Operationen.

Unter dieser Prämisse habe ich bisher allen Einsätzen deutscher Soldaten in Afghanistan zugestimmt.

Der jetzt geplante Einsatz von Tornados der Bundeswehr über ganz Afghanistan führt zu erheblichen Unschärfen bei der Aufgabenteilung von ISAF und OEF.

Die Luftaufklärung der Bundeswehr-Tornados dient nach Aussage des Bundesverteidigungsministers Dr. Franz Josef Jung dem Schutz der ISAF-Truppen und der "Zielaufklärung vermuteter Stellungen militanter Widerstandgruppen" (OEF).

Ich bezweifle, dass es gelingen wird, die Einsatzbedingungen - insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen ISAF und OEF - detailliert zu regeln. Es steht also zu befürchten, dass Widerstandsgruppen in Afghanistan eine solche Differenzierung nicht nachvollziehen werden und die deutschen Tornados als Flugzeuge im Kampfeinsatz bewerten.

Die "RECCE-Tornados" könnten sowohl die ISAF- als auch die OEF-Operationen in ihrer ganzen Breite unterstützen und haben insofern einen doppelten Verwendungszweck (dual use): Die Stabilisierungsoperationen vor allem in Nord-, West- und Zentral-Afghanistan und z. T. hochintensiven Kampfoperationen bei der Aufstandsbekämpfung im Süden und Osten. Es geht also weder nur um Schutz, noch nur um Kampf, sondern sowohl um Stabilisierungs- als auch um Kampfunterstützung.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Maschinen zur Überwachung der bergigen afghanisch-pakistanischen Grenze sowie zur Erkundung von Schlafmohnfeldern eingesetzt werden. Die bisherige Drogenbekämpfung war, trotz positiver Einzelfälle, insgesamt erfolglos. Feldzerstörungen trafen in einem Umfeld fehlender Alternativen oder nicht eingehaltener Zusagen vor allem die ärmsten Bauern. Auch dies fördert Entfremdung - und den Zulauf zu den Taliban. Für dieses Jahr ist eine massive Ausweitung der Eradication angekündigt. Die afghanische Regierung konnte bisher noch dem massiven US-Druck für einen Herbizid-Einsatz widerstehen.

Auch die präzisere Aufklärung durch Tornados kann das hohe Risiko ziviler Opfer nicht entscheidend reduzieren, da Kombattanten und Zivilbevölkerung angesichts landesüblicher Kleidung und Bewaffnung kaum zu unterscheiden sind. Zur Praxis und Operationsführung im Süden liegen kaum verlässliche Angaben vor. Da dort vorrangig die Strategie verfolgt wird, die Aufständischen zu bekämpfen, werden nicht nur eigene Soldaten einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sondern auch die Zivilbevölkerung massiv in Mitleidenschaft gezogen und Nothilfe und Aufbau vernachlässigt.

Deutsche Soldaten könnten damit für Kriegsoperationen verantwortlich gemacht werden, auf deren Planung und Durchführung sie keinerlei Einfluss haben. Jeden Tag sind als Folge von Einsätzen der Amerikaner Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung zu beklagen, zuletzt z.B. am Sonntag, 4.3.07. Mit dem Einsatz der deutschen Tornados wären wir zumindest in der Wahrnehmung der Afghaninnen und Afghanen in diese verhängnisvolle Kette von Gewalt hineingezogen.

Dies hätte letztlich Auswirkungen auf das gesamte deutsche ISAF-Kontingent. Deutsche Stellungen der ISAF-Truppe könnten zunehmend Ziel von Angriffen und Anschlägen werden.

Der Einsatz deutscher Tornados wäre damit kein Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan. Das Gegenteil wäre der Fall.

In dieser Einschätzung fühle ich mich bestärkt durch Warnungen von in Afghanistan tätigen NGOs wie Medica Mondiale. Diese zivile deutsche Organisation, die in Kabul, Herat, Mazar-i-Sharif und Kandahar hervorragende Arbeit zum Thema "Gewalt gegen Frauen" leistet, befürchtet, dass sich die Gefahr für MitarbeiterInnen vor Ort durch einen Einsatz von Bundeswehr-Tornados stark erhöhen würde.
Bei einer weiteren Militarisierung der Lage würden sich immer weniger zivile Fachkräfte imstande sehen, sich dem erhöhten Sicherheitsrisiko auszusetzen.

Ich teile die Meinung von Medica Mondiale, dass nur eine weitere Stärkung der Zivilgesellschaft und eine Fortsetzung der sinnvollen Wiederaufbauhilfe, die Deutschland in der Vergangenheit geleistet hat, ein Gegengewicht zu einer weiteren Eskalierung militärischer Gewalt bilden kann.

Der Einsatz von sechs Tornados wird für die nächsten sechs Monate auf 35 Millionen Euro taxiert. Das deutsche Jahresbudget für bilaterale Aufbauhilfe in Afghanistan betrug bisher lediglich 80 Millionen Euro.

Wenn der Aufbau im bisherigen Tempo fortgesetzt wird, wären in fünf Jahren vielleicht 10% der Zerstörungen von 26 Jahren Krieg wieder aufgebaut. Afghanische Polizisten und Soldaten erhalten 50 bis 60 US-Dollar im Monat, Taliban-Söldner 200 bis 600 Dollar. Die Forderungen nach einer Forcierung des zivilen Aufbaus fanden bisher nur ein unzureichendes Echo. Es ist zu hoffen, dass die beschlossene Polizei-Mission der Europäischen Union mit einer deutlichen Verstärkung der Kapazitäten einhergeht.

Der Einsatz von "RECCE-Tornados" kann neben dem positiven Teilnutzen für die Stabilisierungsoperationen auf die Unterstützung einer falschen Strategie heraus laufen, in jedem Fall würde sie die militärisch-zivile Unausgewogenheit des deutschen Engagements verstärken.

Ich sehe daher in der Entsendung von "RECCE-Tornados" nach Afghanistan ein nicht vertretbares Risiko für unsere deutschen Soldaten, für das Gelingen des ISAF-Einsatzes insgesamt und für die Arbeit von NGOs in Afghanistan und lehne den Einsatz ab."

Als die Bundesregierung dann im Oktober 2007 beschlossen hat, den ISAF-Einsatz insgesamt mit dem Einsatz der Tornados zusammenzulegen, habe ich lange hin und her überlegt und mich letztlich enthalten, weil ich nicht der Meinung bin, dass man ISAF einfach abziehen sollte, sondern, dass ISAF zum damaligen -aber auch zum jetzigen Zeitpunkt - noch dringend in Afghanistan benötigt wird. Allerdings unter anderen Voraussetzungen. Die genauen Gründe, warum ich mich enthalten habe, können Sie der folgenden Erklärung entnehmen:

"Erklärung des Abgeordneten Dr. Axel Berg (SPD) nach § 31 GO Deutscher Bundestag zum Abstimmungsverhalten über den Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002, 1444 (2002) vom 27. November 2002, 1510 (2003) vom 13. Oktober 2003, 1563 (2004) vom 17. September 2004, 1623 (2005) vom 13. September 2005, 1707 (2006) vom 12. September 2006 und 1776 (2007) vom 19. September 2007 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 27 zur 119. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 12.10.2007; Bundestagsdrucksache 16/ 6460 und 16/ ....)

Die Entscheidung, die Mandatsverlängerungen der Internationalen Sicherheitsbeistandtruppe (ISAF) und die Entsendung von RECCE-Tornados gemeinsam abstimmen zu lassen, bringt mich in ein Dilemma, da ich bisher allen ISAF-Einsätzen guten Gewissens zugestimmt habe, die Entsendung von RECCE-Tornados aber für falsch und gefährlich halte und dementsprechend meine Stimme verweigert habe.

Ich halte den Einsatz von ISAF nach wie vor für wichtig und richtig. Die ISAF soll eine friedliche, politische Entwicklung Afghanistans gewährleisten und die Regierung Afghanistans bei ihrer Aufgabe, für Sicherheit, Recht und Ordnung im ganzen Land zu sorgen, unterstützen. Auch beim Wiederaufbau Afghanistans hat ISAF Erfolge vorzuweisen. Insbesondere die deutsche Bundeswehr hat in ihrem Verantwortungsbereich zu einer Stabilisierung des Nordens Afghanistans beigetragen.

Dabei muss ISAF klar abgegrenzt werden von der "Operation Enduring Freedom" (OEF), die die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zum Ziel hat. So hat der Einsatz von Tornados der Bundeswehr über ganz Afghanistan meine Befürchtungen vom Frühjahr leider bestätigt. Er hat zu erheblichen Unschärfen bei der Aufgabenteilung von ISAF und OEF geführt.

Ich sehe meine Zweifel von damals, dass es gelingen wird, die Einsatzbedingungen - insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen ISAF und OEF - detailliert zu trennen und dies auch der Bevölkerung zu vermitteln, bestätigt. Es scheint, dass Widerstandsgruppen in Afghanistan eine solche Differenzierung nicht nachvollziehen und die deutschen Tornados als Flugzeuge im Kampfeinsatz bzw. zur Vorbereitung von Kampfeinsätzen bewerten.

Durch den doppelten Verwendungszweck (dual use) der "RECCE-Tornados", können sowohl die ISAF- als auch die OEF-Operationen in ihrer ganzen Breite unterstützt werden. Es geht also weder nur um Schutz noch nur um Kampf, sondern sowohl um Stabilisierungs- als auch um Kampfunterstützung.

Zusätzlich sehe ich auch meine Zweifel an der Problematik des Nutzens der Tornados im Sinne ihrer Aufgabenbestimmung bei weitem nicht ausgeräumt, denn auch die präzisere Aufklärung durch Tornados kann das hohe Risiko ziviler Opfer nicht entscheidend reduzieren, da Kombattanten und Zivilbevölkerung angesichts landesüblicher Kleidung und Bewaffnung kaum zu unterscheiden sind. Da im Süden Afghanistans vorrangig die Strategie verfolgt wird, die Aufständischen zu bekämpfen, werden nicht nur eigene Soldaten einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sondern auch die Zivilbevölkerung massiv in Mitleidenschaft gezogen und Nothilfe und Aufbau vernachlässigt.

Der Einsatz deutscher Tornados ist für mich damit kein Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan. Die Tornado-Entsendung hat Afghanistan insgesamt deshalb nicht sicherer gemacht: Das durch Widerstandsaktivitäten verunsicherte Gebiet Afghanistans hat sich nach übereinstimmenden Erkenntnissen der UNO und anderer namhafter Organisationen (Senlis Council, Großbritannien) von der Hälfte auf etwa zwei Drittel des afghanischen Staatsgebiets vergrößert. Der jüngste Anschlag auf BKA-Mitarbeiter in Kabul kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Tornado-Entsendung den Hass des Widerstandes nun auch auf das deutsche Personal in Afghanistan gelenkt hat.

In dieser Einschätzung fühle ich mich bestärkt durch das Positionspapier des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (VENRO), in dem auch eine zunehmende Vermischung der Aktivitäten von OEF und ISAF beklagt wird, die zunehmend zum Vertrauensverlust in der afghanischen Bevölkerung führt.

Ich teile die Meinung von VENRO, in dem u.a. die in Afghanistan hervorragende Hilfe leistenden Organisationen Caritas International, Deutsche Welthungerhilfe, Malteser International, medico international, medico mondale, Misereor und Afghanistan-Schulen Mitglied sind, dass die internationale Hilfe und Unterstützung bei der Friedenssicherung nur gelingen kann, wenn parallel zum Staatsaufbau ("state building") auch der zivilgesellschaftliche Aufbau vorangetrieben wird.

Deshalb unterstütze ich ausdrücklich die Forderung, dass eine Abkehr vom Primat des Militärischen hin zu einer weiteren Stärkung der Zivilgesellschaft und einer konsequenten Fortsetzung der sinnvollen Wiederaufbauhilfe sich auch in der Bereitstellung von Finanzmitteln widerspiegeln muss: Gegenwärtig werden aus dem Bundeshaushalt pro Jahr mehr als 530 Millionen Euro für den Militäreinsatz (inkl. des
Tornado-Einsatzes) ausgegeben. Für den zivilen Aufbau stehen dagegen im Jahr 2007 lediglich 100 Millionen Euro zur Verfügung, ab 2008 sind 125 Millionen Euro vorgesehen. Dieses Missverhältnis von Ausgaben für militärische und zivile Zwecke muss zumindest in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht, das heißt deutlich mehr Finanzmittel für den zivilen Aufbau zur Verfügung gestellt werden.

Ich fordere meine Kollegen im Haushaltsausschuss bzw. die Kollegen im Verteidigungsausschuss, im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit dazu auf, die Bedenken und Wünsche der in Afghanistan tätigen Nichtregierungsorganisationen ernst zu nehmen und die Mittel für den zivilen Aufbau signifikant zu erhöhen.

Aus diesen Gründen kann ich weder den weiterhin dringend notwendigen Einsatz der ISAF ablehnen, noch dem Einsatz von RECCE-Tornados zustimmen und muss mich leider der Stimme enthalten."

Im November letzten Jahres wurde dann über OEF abgestimmt und aufgrund der veränderten internationalen Lage und vor allem auch, weil die von mir immer wieder geforderte klare Abgrenzung zwischen ISAF und OEF immer schwammiger wurde, habe ich diesen Antrag der Bundesregierung abgelehnt und folgende persönliche Erklärung als Begründung abgegeben:

"Erklärung des Abgeordneten Dr. Axel Berg (SPD) nach § 31 GO Deutscher Bundestag zum Abstimmungsverhalten über den Antrag der Bundesregierung "Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen" (Tagesordnungspunkt 7 zur. 126. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 15.11.2007; Bundestagsdrucksache 16/6939)

Ich lehne den Antrag der Bundesregierung heute ab, weil sich meines Erachtens die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan und auf der Welt signifikant verändert haben, so dass ich eine Zustimmung zu einer Verlängerung des Mandates aufgrund der aktuellen Lage nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren kann.

Insbesondere folgende Entwicklungen bestätigen mich in dieser Ansicht:

Sechs Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und eines nach der Gewaltexplosion 2006 gerade in den alten OEF-Operationsgebieten des Südens und Ostens und der ISAF-Ausweitung auf ganz Afghanistan müssen wir die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zur Eindämmung von Terrorismus, Gewalt und Militanz und die Rechtsgrundlagen für den Einsatz kritisch hinterfragen. Das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen - und davon abgeleitet der Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrags ist in seiner Begründung - als Antwort auf den 11. September 2001 - nach Ablauf von sechs Jahren fragwürdig geworden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur TORNADO-Entsendung vom 03.07.2007 die Bewertung der völkerrechtlichen Zulässigkeit der Operation Enduring Freedom in Afghanistan dadurch umgangen, dass es die klare Trennung zwischen OEF und ISAF als gegeben vorausgesetzt hat. Es stellte fest, dass ein Organstreitverfahren "keine allgemeine Prüfung der Völkerrechtskonformität von militärischen Einsätzen der NATO" erfordere: "Weder hat das Bundesverfassungsgericht zu prüfen, ob die Anschläge des 11. September 2001 völkerrechtlich dem damaligen afghanischen Taliban-Regime zugerechnet werden können, noch ist zu entscheiden, ob sich die Operation Enduring Freedom auf das Recht auf kollektive Selbstverteidigung stützen konnte und fortdauernd kann und welche Rolle diesbezüglich den Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zukommt, in denen dieser das Selbstverteidigungsrecht anerkennt bzw. bekräftigt."

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat wiederholt und meines Erachtens auch zu Recht festgestellt, dass islamistischer internationaler Terrorismus und andere Arten des Terrorismus eine Bedrohung der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens darstellen. Der Sicherheitsrat betont zugleich die Verpflichtung der Staaten, Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus nur im Einklang mit dem Völkerrecht zu ergreifen. Im Kampf gegen internationale Terroristen kann der Einsatz von bewaffneten Kräften ein notwendiges Mittel sein, um die Gefahr einzudämmen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

OEF war notwendig und erfolgreich, um Al Qaida/Taliban zu vertreiben, ihre Ausbildungsstruktur zu zerstören und ihre Rückkehr nach Afghanistan in Schranken zu halten. Doch nun sollte die konkrete Überprüfung, ob eine weitere OEF-Teilnahme noch völkerrechtlich legitimierbar ist und ob sie im Hinblick auf das Ziel der Terrorismusbekämpfung überhaupt noch sinnvoll, wirksam und verantwortbar ist, im Vordergrund stehen.

Nach dem 11. September konnten USA und NATO - gestützt auf die VN-Sicherheitsrats-Resolution 1368 vom 12.9.2001 - für sich das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung in Anspruch nehmen. Sechs Jahre später ist diese Rechtsgrundlage immer dünner und fragwürdiger geworden. Jetzt weiter auf das Selbstverteidigungsrecht zu pochen, bedeutet, es zeitlich und räumlich völlig zu entgrenzen - und damit das internationale Gewaltverbot zu unterlaufen und zu zersetzen. Hinzu kommt, dass der US-geführte "Global War against Terrorism" und seine militärische Kernoperation OEF in erheblichem Widerspruch zur Auflage des VN-Sicherheitsrates agierte, wonach die Staaten sicherstellen müssen, "dass alle Maßnahmen, die sie zur Bekämpfung des Terrorismus ergreifen, mit allen ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht in Einlang stehen müssen (...)" (VN-SR-Res. 1624 vom 14.9.2005)

Die bisherige Bilanz des vorwiegend militärischen und nachgeordnet politischen Vorgehens gegen den internationalen Terrorismus ist insgesamt eher ernüchternd. In den Jahren 2001 bis 2005 gelang es, die Taliban von der Macht in Afghanistan zu vertreiben und fernzuhalten sowie die dortige Ausbildungsinfrastruktur von Al Qaida zu zerstören. Der wesentlich von Deutschland forcierte Petersberg Prozess führte zur Schaffung der Verfassung für eine islamische Republik in Afghanistan. Der US-geführte "Krieg gegen den Terror" folgte aber dem Irrglauben, den islamistischen internationalen Terrorismus vor allem militärisch besiegen zu können. Er wurde oft mit unverhältnismäßigen Mitteln und unter Inkaufnahme von großen Opfern unter der Zivilbevölkerung durchgeführt. Zusammen mit der Entführung von Verdächtigen und der unwürdigen und völkerrechtswidrigen Behandlung von Gefangenen förderten diese Vorgehensweisen islamistische Militanz, statt sie einzudämmen, und trugen zu einer gesellschaftlichen Entfremdung gegenüber einer militärischen Terrorismusbekämpfung bei. Der US-Angriff auf den Irak hat dann den Stabilisierungsprozess in Afghanistan zurück geworfen und der Akzeptanz der internationalen Präsenz dort erheblich geschadet. Das internationale Vorgehen gegen den islamistischen Terrorismus muss auf den Prüfstand.

Bis zum heutigen Tage sind wichtige Verantwortliche der Terroranschläge des 11. September 2001 noch nicht gefasst, ist ihre veränderte Infrastruktur nicht zerschlagen. Insbesondere die unwegsamen paschtunischen Stammesgebiete im Westen Pakistans bilden die neuen Rückzugsräume, aus denen Al Kaida und andere terroristische sowie radikalislamische Gruppen relativ geschützt operieren. Auch wenn es in der Vergangenheit immer wieder zu Einzelaktionen von amerikanischen Kommandotruppen kam, gehört Pakistan nicht zum Einsatzgebiet der Operation Enduring Freedom. Es ist die Aufgabe der jeweiligen Regierung - in diesem Fall Pakistans -, entschieden gegen die bewaffneten terroristischen Gruppen im eigenen Land vorzugehen und den Gruppen den Nährboden zu entziehen.

Weil das Taliban-Regime dieser Aufgabe über Jahre hinweg nicht nachkam und den Attentätern nach dem 11. September 2001 weiter Schutz und Unterstützung bot, haben sich die USA - unterstützt und getragen von einer breiten Allianz von Staaten und gestützt auf die UN-Sicherheitsrats-Resolution 1368 vom 12.09.2001 - zur militärischen Selbstverteidigung entschieden. Mit dem Abschluss des Petersberg-Prozesses hat Afghanistan seine Souveränität wiedererlangt. Die afghanische Regierung trägt damit auch im Bereich der Sicherheit, inklusive der Terrorismusbekämpfung, die Hauptverantwortung. Sie wird hierbei von der internationalen Staatengemeinschaft, insbesondere VN-mandatierten International Security Assistance Force (ISAF) unterstützt.

Die Vereinten Nationen haben im Dezember 2001 das Mandat der ISAF-Mission zunächst nur auf Kabul und Umgebung beschränkt und im Oktober 2003 auf ganz Afghanistan ausgeweitet. Die seit August 2003 von der NATO geführte ISAF-Truppe übernahm zunächst im Norden, dann im Westen und schließlich 2006 im Süden und Osten die Verantwortung. Im Operationsplan vom Dezember 2005 hat ISAF die Ausbildung der Afghanischen Nationalarmee und die Aufgabe der Bekämpfung von bewaffneten Aufständischen mit übernommen. Am 5. Oktober 2006 hat die auf 40.000 Kräfte aufgewachsene ISAF die territoriale Ausweitung abgeschlossen. Spätestens damit ist die Berufung auf das Recht auf Selbstverteidigung und somit die Rechtsgrundlage für die Operation Enduring Freedom in Afghanistan fragwürdig geworden. Für die Operation Enduring Freedom liegt, kein Status of Forces Agreement (SOFA) vor, das die Rechte der Streitkräfte in Afghanistan regelt. Die afghanische Regierung hat die USA wiederholt aufgefordert, eigenmächtige Militäraktionen zu unterlassen.

Mit der Operation Enduring Freedom (OEF) unterhalten die USA in Afghanistan eine extralegale Parallelstruktur, die für den Wiederaufbau, die Ausbildung von Armee und Polizei, die Bekämpfung von Aufständischen und den Terrorkampf zuständig ist. Abstimmungsprozesse mit den Partnern können damit umgangen, Einblicke und Einwirkungsmöglichkeiten begrenzt werden. Der "Military Commissions Act" erlaubt den US-Truppen uneingeschränkte auch willkürliche Verhaftung von Terrorverdächtigen sowie die Anwendung folterähnlicher Verhörmethoden.

Zurzeit sind noch ca. 12.000 OEF-Kräfte in Afghanistan präsent, davon 11.000 US-Soldaten. Die Operation Enduring Freedom ist vornehmlich nicht mit der unmittelbaren Terrorismusbekämpfung befasst. Etwa 6.000 US-Soldaten von OEF sind an der Ausbildung, Einsatzführung und -begleitung der afghanischen Armee, der afghanischen Polizei und der afghanischen Hilfspolizei beteiligt. Die von OEF ausgebildeten und geführten Truppen und Sicherheitskräfte werden zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt und von OEF-Truppen begleitet. In den gemeinsamen Operationsgebieten von ISAF und OEF im Osten und Süden kann zwischen ISAF- und OEF-Kräften, Terrorbekämpfung und Aufstandsbekämpfung, Einsätzen unter dem Mandat der VN oder Einsätzen unter Berufung auf das Recht auf Selbstverteidigung von außen nicht mehr unterschieden werden. Seit der Gewaltexplosion in 2006 gerade in den alten OEF-Operationsgebieten des Südens und Ostens und der ISAF-Ausweitung auf ganz Afghanistan stellt sich verschärft die Frage nach der Wirksamkeit von OEF bei der Eindämmung von Terrorismus, Gewalt und Militanz.

Die militärischen Kommandoaktionen und das teils rücksichtslose Vorgehen von OEF erweisen sich meines Erachtens als kontraproduktiv und unverantwortlich. Sie gefährden ISAF und die Aussichten auf den Gesamterfolg in Afghanistan. Es ist anerkennenswert, dass sich ISAF und OEF um einheitliche Einsatzregeln und um die Vermeidung von Opfern unter der Zivilbevölkerung bemühen. Das reicht aber nicht aus. Es darf außerhalb des ISAF-Verantwortungsbereichs keine weiteren ausländischen Militär- und Sicherheitskräfte geben.

Der deutsche militärische Beitrag zum Anti-Terror-Kampf beschränkte sich in den vergangenen Jahren auf die maritimen Beiträge am Horn von Afrika und im Mittelmeer. Laut Aussage von Verteidigungsminister Jung kam das Kommando Spezialkräfte im Rahmen von OEF seit Oktober 2005 in Afghanistan nicht mehr zum Einsatz. Bei früheren Einsätzen hatten die Spezialsoldaten ihren Auftrag, mutmaßliche Terroristen zu bekämpfen, zu verhaften und vor Gericht zu bringen, nur sehr eingeschränkt durchführen können, weil auf US-Seite eine rechtsstaatliche Vorgehensweise nicht gewährleistet war. Hätten sie gemäß ihren Parlamentsauftrag mutmaßliche Terroristen militärisch bekämpft bzw. gefangen genommen und an die USA ausgeliefert, hätten sie sich dem Risiko ausgesetzt, sich strafbar zu machen.

Die Obergrenze von 1.400 Soldatinnen und Soldaten liegt auch weit über den ca. 300 Soldatinnen und Soldaten, die in den vergangenen Jahren durchschnittlich im Einsatz waren. Für die zunehmend in den Vordergrund gerückte Begründung der Überwachung strategisch wichtiger Seewege am Horn von Afrika, gibt es keine Rechtsgrundlage. Gleichzeitig gehören Piraterie zur See und der Schutz der Schifffahrtswege zu jenen Bereichen, bei denen im Rahmen kollektiver Sicherheit international Handlungs- und Regelungsbedarf besteht.

Aus diesen Gründen kann ich heute einer Verlängerung des Einsatzes deutscher Soldatinnen und Soldaten im Rahmen von der Operation Enduring Freedom nicht zustimmen. Meines Erachtens sollte nun ein Kurswechsel in Afghanistan im Vordergrund stehen:

Wir, also die Bundesrepublik Deutschland, sollten gegenüber den USA, in der NATO und gegenüber den ISAF-Partnern darauf hinarbeiten, dass das Nebeneinander von ISAF und OEF beendet wird und die Gesamtverantwortung für die militärische Sicherheitsunterstützung der afghanischen Regierung allein bei ISAF liegt. Dies sollte auch eine Beendigung der nationalen Ausbildung der afghanischen Polizei- und Militärkräfte unter dem Dach der Operation Enduring Freedom durch die US-Administration beinhalten. Die militärischen Ausbildungsanteile sollten in die ISAF-Mission eingegliedert werden.

Durch eine Stärkung der ISAF-Mission können wir Afghanistan zu Frieden und Stabilität verhelfen und somit die Ursachen von Terrorismus effektiv bekämpfen. Deshalb macht es meines Erachtens weitaus mehr Sinn, ISAF auszubauen und dementsprechend dafür einzutreten, dass andere an OEF beteiligte Staaten weiterhin Ressourcen für die ISAF-Mission zur Verfügung stellen, um die Strukturen und Ressourcen von ISAF zu stärken.

So können wir die Verhütung von vermeidbaren Opfern, insbesondere unter der Zivilbevölkerung, die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Kriegsvölkerrechts zu einem entscheidenden Maßstab machen und sollten sowohl intern als auch gegenüber unseren Partnern darauf achten, dass dieser Maßstab in die Praxis umgesetzt und wirksam überwacht wird."

Wie Sie also auch anhand dieser Erklärung sehen können, ist meine Alternative, OEF sofort beenden, damit das ISAF-Mandat nicht ad absurdum geführt wird. Außerdem wurde bei der letzten Abstimmung über die Beteiligung an ISAF wieder im Paket auch über die Tornados abgestimmt. Da ich aber - im Gegensatz zu der Situation im Oktober letzten Jahres - eine massive Verschlechterung der Situation in Afghanistan sehe, habe ich dieses Mal gegen den ISAF-Tornado-Einsatz gestimmt. Dies vor allem aus der Wahrnehmung heraus, dass ich die Arbeit der ISAF durch den vorliegenden Antrag eher gefährdet sehe, da er durch den Einsatz der Tornados die unzureichende Abgrenzung von ISAF und OEF noch verstärkt und somit den zivilen Wiederaufbau ernsthaft gefährdet. Die Gründe für dieses Abstimmungsverhalten sowie die Bedingungen, wann ich einer Beteiligung an dem ISAF-Mandat wieder zustimmen könnte, habe ich auch am 16. Oktober diesen Jahres wieder in folgender Erklärung erläutert:

"Erklärung des Abgeordneten Dr. Axel Berg (SPD) nach § 31 GO Deutscher Bundestag zum Abstimmungsverhalten über den Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 6 zur 183. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 16.10.2008; Bundestagsdrucksache 16/10473)

Die Entscheidung, die Entsendung von RECCE-Tornados in die Mandatsverlängerung der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) zu integrieren, bringt mich nicht nur in ein Dilemma, wie ich es bereits in meiner Erklärung nach § 31 GO Deutscher Bundestag vom 12.10.2008 geschildert habe, sondern macht es mir leider auch unmöglich, dem vorliegenden Antrag der Bundesregierung heute zuzustimmen.

Den Einsatz von ISAF halte ich zum jetzigen Zeitpunkt zwar nach wie vor für wichtig und richtig. Die ISAF soll eine friedliche, politische Entwicklung Afghanistans gewährleisten und die Regierung Afghanistans bei ihrer Aufgabe, für Sicherheit, Recht und Ordnung im ganzen Land zu sorgen, unterstützen. Auch beim Wiederaufbau Afghanistans hat ISAF Erfolge vorzuweisen. Dies bestätigen selbst namhafte Entwicklungshilfeorganisationen, die vor Ort den zivilen Wiederaufbau vorantreiben.

Dabei ist es aber entscheidend, dass ISAF klar abgegrenzt werden kann von der "Operation Enduring Freedom" (OEF), die die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zum Ziel hat und die ich auch weiterhin aus zahlreichen Gründen - wie in meiner Erklärung nach § 31 GO Deutscher Bundestag vom 15.11.2007 ausführlich dargelegt - ausdrücklich ablehne. Diese Abgrenzung ist aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr gegeben.

Die Entsendung von RECCE-Tornados habe ich bereits vor der ersten Abstimmung darüber im Deutschen Bundestag für falsch und gefährlich gehalten und dem Antrag der Bundesregierung dementsprechend bereits im März 2007 meine Stimme verweigert. Meine damals geäußerten Befürchtungen, die ich ausführlich in meiner Erklärung nach § 31 GO Deutscher Bundestag vom 09.03.2007 dargelegt habe, haben sich meines Erachtens leider alle bestätigt.

So hat der Einsatz der Tornados dazu geführt, dass die Einsatzbedingungen - insbesondere hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen ISAF und OEF - immer weniger zu trennen sind und die Trennung der beiden Einsätze auch der Bevölkerung immer weniger zu vermitteln ist.

Zusätzlich sehe ich auch meine Zweifel an der Problematik des Nutzens der Tornados im Sinne ihrer Aufgabenbestimmung bei weitem nicht ausgeräumt, denn auch die präzisere Aufklärung durch Tornados kann das hohe Risiko ziviler Opfer offensichtlich nicht entscheidend reduzieren. Der Einsatz deutscher Tornados ist für mich damit kein Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan. Die Tornado-Entsendung hat Afghanistan insgesamt nicht sicherer gemacht, sondern eher weiter destabilisiert.

Durch die unklare Trennung von ISAF und OEF ist nicht nur die Arbeit von ISAF gefährdet, sondern insbesondere auch der zivile Wiederaufbau, der der entscheidende Schlüssel für Frieden in Afghanistan ist.

Hier teile ich ausdrücklich die Meinung vom Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V. (VENRO), dass die internationale Hilfe und Unterstützung bei der Friedenssicherung nur gelingen kann, wenn parallel zum Staatsaufbau ("state building") auch der zivilgesellschaftliche Aufbau vorangetrieben wird.

Aus diesen Gründen unterstütze ich ausdrücklich die Forderung, dass eine Abkehr vom Primat des Militärischen hin zu einer weiteren Stärkung der Zivilgesellschaft und einer konsequenten Fortsetzung der sinnvollen Wiederaufbauhilfe sich auch in der Bereitstellung von Finanzmitteln widerspiegeln muss. Dies ist aber meines Erachtens nach bisher nicht ausreichend geschehen.

Deshalb sind für mich persönlich die Konsequenzen:

* Deutschland sollte unverzüglich aus OEF aussteigen und sich ernsthaft und massiv auf internationaler Ebene dafür einsetzen, OEF endlich zu beenden.

* Der Tornado-Einsatz sollte unverzüglich beendet werden.

* Die finanziellen Mittel für den zivilen Wiederaufbau müssen signifikant erhöht werden.

Nur, wenn diese Forderungen umgesetzt werden, kann ISAF ihr Mandat wirklich effektiv ausfüllen. Solange dies aber nicht geschieht, kann ich dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen, da er in dieser Form meines Erachtens nicht für mehr Sicherheit in Afghanistan sorgen kann.

Ich sehe die Arbeit der ISAF durch den vorliegenden Antrag eher gefährdet, da er durch den Einsatz der Tornados die unzureichende Abgrenzung von ISAF und OEF noch verstärkt und somit den zivilen Wiederaufbau - den ISAF nicht nur durch den Schutz der Bevölkerung, sondern auch der in Afghanistan tätigen Organisationen unterstützen soll - ernsthaft gefährdet."

Sehr geehrter Herr Mannke, ich weiß, meine Antwort ist nun nicht besonders kurz, obwohl Sie nur zwei kurze Fragen formuliert haben. Ich hoffe aber sehr, dass Sie Verständnis dafür haben, dass bei einem so wichtigen Thema wie Krieg und Frieden ich einfach etwas weiter ausholen musste, um Ihnen nicht nur mein Abstimmungsverhalten und meine Wunsch-Alternative zu erläutern, sondern damit auch deutlich wird, dass ich in einen Umdenk-Prozess in den letzten anderthalb Jahren bezüglich dieses Themas geraten bin, der meinem Gewissen bei der letzten Abstimmung keine andere Alternative als die Ablehnung - trotz meiner grundsätzlichen Befürwortung der ISAF - zuließ.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Berg MdB