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Axel Berg
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Frage von Michael N. •

Frage an Axel Berg von Michael N. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Berg,
in ihrer jüngsten Ausgabe der ADACmotorwelt fordert der ADAC die Politik eindringlich auf, die Steuern auf Krafstoff zu senken. Ich denke, diese Forderung geht in die falsche Richtung. Darum habe ich einen Leserbrief an die ADACmotorwelt geschreiben, den ich Ihnen hier in Auszügen widergebe:
„Ihr Titel springt ins Auge – der Bürger verlangt von den Politikern, dass sie „endlich die Steuern auf Benzin und Diesel senken. Unterstützt wird diese Aussage durch zahlreiche Fallbeispiele von Bürgern. Aber scheinbar denken diese Menschen nur an die Anzeige der Zapfsäulen, denn sonst würden sie nicht von der Politik fordern, die Steuern auf Benzin zu senken. Wenn beispielsweise Unternehmensberaterin H. L. statt ihrem Audi A4 1.9 TDI einen Toyota Prius fahren würde, würde sie statt 900 Euro nur 550 Euro im Monat für Sprit ausgeben. Das sind 350 Euro Unterschied im Monat. Ich frage mich ernsthaft, was diese Frau ihren Kunden als Unternehmensberaterin rät, wenn sie diese einfache Rechnung nicht aufmachen kann. .
Wenn der ADAC von der Politik verlangt, dass die Steuern auf Benzin gesenkt werden, müssen die Steuern woanders angehoben werden, damit der Staat genug Geld bekommt. Das wiederum bedeutet, dass wir alle – insbesondere diejenigen, die kein Auto haben – die Bequemlichkeit der Autofahrer subventionieren. Und da hört mein Verständnis auf. Ganz abgesehen von der Umweltbelastung und dem Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxyd. „Tut endlich was!“ muss bedeuten: „Baut sparsame Autos!“ Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass in den Entwicklungsabteilungen der Automobilkonzerne nur Dummköpfe sitzen, die sowas nicht zustande bringen. Ziel muss das 1- Liter-Auto sein. Technisch ist es möglich. Dann braucht man auch nicht über hohe Spritpreise jammern. Wie sehen Sie das?
Mit freundlichen Grüßen Michael Naumann

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Sehr geehrter Herr Naumann,

Sie sprechen mir aus der Seele. Die Besteuerung von Kraftstoffen zu senken wäre in jeder Hinsicht falsch. Dafür gibt es eine ganze Hand voll Argumente, die ich zu Ihren Argumenten noch ergänzen möchte. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinn.

Es gibt in Deutschland sicherlich viele Menschen, die von einem Auto abhängig sind und nicht in der Lage, sich ein neues Auto zu kaufen, welches nur 3 oder 4 Liter verbraucht. Diese Menschen leiden unter den hohen Energiepreisen. An diese Menschen denken wir Sozialdemokraten im Besonderen, wenn wir über die Entlastung im Bereich von Energie nachdenken. Eine Steuersenkung im Bereich der Kraftstoffe ist aber völlig unsinnig. Die höchsten Verkehrsaufkommen betreffen Strecken unter 5 Kilometern. Ich halte es nicht für zu viel verlangt, auch mal die ein oder andere Strecke mit dem Radl zu bewältigen oder einmal die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Ich will keinem Vorschreiben, was er zu tun hat und welches Verkehrsmittel jemand nutzt. Sie können dies als Vorschlag gegen steigende Energiekosten ansehen. Eine Vergünstigung von Benzin und Diesel wäre ein fatales und falsches Signal in der Umweltpolitik. Wir denken daher über andere Möglichkeiten zur Entlastung der kleinen Leute nach. Gerade im Bereich des Verkehrs besteht noch enormes Potential zur Reduktion von Kohlendioxid. Wir müssen hier ansetzen. Die Steuern zu senken wäre ein Signal, mehr Kraftstoff zu verbrauchen, nicht weniger.

Zudem können sich die Verbraucher sicher sein, dass sie von den gesenkten Steuern keinen Cent sehen würden, weil die Tankstellenpreise steigen dürften. Die Preise wären innerhalb kürzester Zeit wieder auf dem Niveau wie vor der Steuersenkung. Dies nennt man Windfall-Profits. Das gibt es nicht nur im Bereich der Kraftstoffe, sondern in allen Bereichen, die mit Energie zu tun haben. Das Geld würde in der Produktionskette der Mineralölindustrie versanden.

Diese Industrie und Spekulanten sind zur Zeit diejenigen, die an den explodierenden Kosten verdienen und nicht der Staat. Die Spritpreise sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Der Vorwurf, der Staat verdiene daran kräftig mit, ist aber falsch. Mit rund 40 Milliarden Euro jährlich ist die Energiesteuer, die unter anderem auf Benzin und Diesel anfällt, für den Bund zwar die wichtigste Verbrauchsteuer. Ein hoher Preis regt aber dazu an, weniger Kraftstoff zu verbrauchen. Wenn weniger verbraucht wird, sinken auch die Einnahmen des Staates aus der Energiesteuer.

Zudem ist die Energiesteuer ein fester Betrag. Von dem Jahr 1999 bis zum Jahr 2003 erhöhte der Staat diese Abgabe moderat in fünf Stufen - für einen Liter Benzin etwa von 50,1 auf 65,45 Cent. Die ökologische Steuerreform war damit abgeschlossen. Seit 2003 hat sich die Energiesteuer auf Kraftstoffe nicht mehr erhöht.

Unabhängig von der Energiesteuer fällt auf den Spritpreis noch Umsatzsteuer an. Weil Umsatzsteuer prozentual berechnet wird, liegt sie tatsächlich höher, je teurer der Sprit ist. Aber es ist falsch, daraus zu schließen, dass der Staat deshalb insgesamt mehr Umsatzsteuer einnehmen würde.

Die Rechnung ist einfach: Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Was die Verbraucher mehr an Umsatzsteuer an der Tankstelle bezahlen, geben sie an anderer Stelle weniger für den Konsum aus. Im Endeffekt bleibt das Steueraufkommen aus der Umsatzsteuer für den Staat gleich. Weder im Hinblick auf die Konjunktur, noch auf Steuereinnahmen hat der Staat ein Interesse an hohen Kraftstoffpreisen. Übrigens ist der Steueranteil am Spritpreis seit Einführung der Ökologischen Steuerreform sogar prozentual zurückgegangen. Bei Diesel sank er von 1999 bis 2006 von 72 auf 54 Prozent. Seitdem macht der steigende Rohölpreis einen immer größeren Anteil an den Tankstellenpreisen aus und die Mineralölwirtschaft verdient an den steigenden Preisen.

Sie haben aber ebenfalls ein wichtiges Problem angesprochen: die Autohersteller. Seit Jahren ist bekannt, dass die Spritpreise immer weiter steigen und die hohen Verbrauchswerte schlecht für Umwelt sind. Trotzdem wurde nichts wirklich daran geändert. Es gab immer wieder Entwicklungen, die zeigten, dass Fahrzeuge mit geringem Verbrauch technisch möglich sind, aber immer nur wie saure Milch angepriesen wurden. Anstatt in diesen Bereichen vernünftige Entwicklungen voran zu treiben, haben sich gerade deutsche Hersteller lieber darauf konzentriert, große Geländewagen für die Stadt zu produzieren. Ein für mich absolut unverständlicher Vorgang. Wenn ich diese SUV´s sehe, dann können die Steuern auf Benzin und für Autos gar nicht hoch genug sein. Wenn die Werbemillionen, die in die Vermarktung dieser Art von Autos geflossen sind, in eine Entwicklung und Werbung für umweltfreundliche Autos gegangen wären, hätte sich das für die Autobauer, für die Portemonnaies der Menschen und auch für die Umwelt bezahlt gemacht.

Meines Erachtens schießt sich die deutsche Automobilindustrie ins Abseits. Durch enorme Lobbyarbeit versucht sie, die Politik immer weiter in die Richtung zu drängen, dass Beschränkungen für den Verbrauch und Grenzwerte für den CO2 Ausstoß immer weicher ausfallen, wie man gerade auf europäischer Bühne schön beobachten kann. Von einer überraschenden Vorgabe durch den Umweltausschuss und das Parlament, die Ausstoßwerte von Neufahrzeugen zu reduzieren, kann keine Rede sein. Seit den 1990er Jahren ist angestrebt worden, den Verbrauch auf 120 g CO2/km zu reduzieren. Seitdem ist für die Automobilindustrie klar, in welche Richtung eine Entwicklung gehen soll. Die Industrie hat sich dagegen gesperrt und die Politik nicht für voll genommen. Wenn man die Politik allerdings nicht für voll nimmt, kann genau das geschehen, was auf europäischer Ebene gerade passiert.

Ein hervorragendes Beispiel, wie die Taktik der Automobilhersteller und auch des ADAC funktionieren, konnte man beim Biokraftstoffquotengesetz beobachten. Eine Umstellung der Fahrzeuge auf Biokraftstoffe war von der Industrie nicht gewollt, ähnlich wie die Beschränkung der Ausstoßwerte, wie sie die EU gerade beschließt. Also einigten sich Automobilindustrie und Politik darauf, ein Quotenmodell zur Beimischung von Biosprit zu normalen Benzin zu entwickeln. Dies dauerte verhältnismäßig lange und hat zudem große Nachteile für den heimischen Markt, weswegen ich dies Quotenmodell auch nicht wollte. Im letzten Jahr sollten dann das Quotengesetzes und die Beimischungspflicht umgesetzt werden. Direkt zur Veröffentlichung fiel den Verantwortlichen im Automobilbereich dann plötzlich auf, dass nicht alle Fahrzeuge die gemischten Kraftstoffe vertragen können. Monatelang war von bis zu 300.000 Autos die Rede. Plötzlich waren es über 3 Mio. Und diese Fahrzeuge waren vor allen Dingen wieder in der Hand der kleinen Leute. Das hieß, dass das Modell eine Totgeburt war. Damit war ein großes Ziel und Projekt der Politik zum Klimaschutz einfach vor die Wand gefahren, von der Automobilindustrie und den Verbänden.

Sie können sich daher vorstellen, dass ich wenig Verständnis für den ADAC habe, wenn er versucht die Politik dafür verantwortlich zu machen, dass die Spritpreise zu teuer wären und die Ziele für den Umweltschutz für die Automobilindustrie nicht zu schaffen wären. Der komplette Sektor sollte sich vielleicht mal an die eigene Nase fassen und überlegen, wie man vernünftige Produkte mit einer vernünftigen Vermarktung schafft, die sowohl den Verbrauchern und der Automobilwirtschaft, als auch der Umwelt hilft. Denn die Preise werden weiter steigen, die Beschränkungen werden (auf der ganzen Welt, nicht nur in Deutschland) immer schärfer werden und wenn sich die Automobilindustrie nicht langsam bewegt, dann wird sie sich komplett selbst ins Abseits begeben und nach Hilfen aus der Politik rufen. Das kann keine vernünftige sozialdemokratische Politik sein. Wir brauchen Wege, die verbraucherfreundlich und umweltfreundlich zugleich sind. Dazu gehört die Senkung der Steuern auf Kraftstoffe aber ganz bestimmt nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Berg