Frage an Axel Berg von klaus l. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Dr.Berg,
der Bundeswahlkampf wurde seitens der SPD ja mit der Ablehnung der Mwst-Erhöhung geführt. Die CDU hatte 2% gefordert , herausgekommen sind 3% .
Wie kommt es , dass der Wähler durch Steinbrück und Co so hinters Licht geführt wird. Sind Wahlkampfaussagen nicht mehr verlässlich ?
Warum fällt uns Steinbrück mit der Kürzung der Pendleraussage so in den Rücken. Schliesslich muss der kleine Mann täglich seine Ausgaben im Auge behalten. Die Aufwendungen für die ersten 20 km sollte er, obgleich essentielle Werbungskosten , aber selber tragen .
mit besten Grüßen !
K.Luger aus München-Moosach
Hallo Herr Luger,
Sie gehen in Ihrem Brief auf zwei verschiedene Aspekte zum Thema Finanzen ein und erheben implizit Anklage gegen Steinbrück und Co. im Bezug auf Wahlkampfaussagen. Ich beantworte Ihnen zuerst die allgemeine Frage zu Wahlkampfaussagen und werde Ihnen in zwei weiteren Schritten eine Erklärung für die Pendlerpauschale und die Mehrwertsteuererhöhung geben.
Wahlkampfaussagen:
Die SPD hatte sich im Vorfeld der letzten Bundestagswahlen gegen eine Mehwertsteuererhöhung ausgesprochen. Das Wahlergebnis vom 18. September hat aber nun eine vollständige Umsetzung des Wahlprogramms der SPD unmöglich gemacht. Eine Regierungsbildung war faktisch nur in Form der großen Koalition mit den Unionsparteien möglich.
Damit war auch klar: Wer in einem solchen Bündnis 50 Prozent darstellt, kann seine Positionen nicht zu 100 Prozent durchsetzen. Wir halten eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte über die Stärkung des Wachstums und den Abbau von Steuersubventionen weiterhin für richtig und realistisch. Die Mehrwertsteuererhöhung war jedoch eins der zentralen Projekte der Union und deshalb nicht verhandelbar. Die Mehrwertsteuererhöhung ist also eine schwarze Kröte, die die SPD schlucken musste. Mit diesem Zugeständnis an die Union waren jedoch wichtige Verhandlungserfolge im Bereich der Steuerpolitik, der Arbeitnehmerrechte und in vielen anderen Politikbereichen verbunden.
Deswegen möchte ich nicht umgesetzte Aussagen aus dem Wahlkampf nicht als Lüge verstanden wissen. Es gehört zum Prinzip der Demokratie, dass nicht einer allein seine Position durchsetzt. Mir wäre die Umsetzung eines schlüssigen SPD Ansatzes auch lieber gewesen, als die ständige Kompromissfindung mit den Unionsparteien.
Mehrwertsteuererhöhung:
Die Mehrwertsteuer ist meines Erachtens gegenüber einer direkten Besteuerung ungerechter. Ich war (und bin) persönlich für den weiteren Ausbau der Ökosteuer und nicht für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Denn bei der flächendeckenden Mehrwertsteuer bestand die Gefahr, dass durch die Besteuerung der alltäglichen Güter die Binnennachfrage sinkt und so die Konjunktur in Deutschland abgewürgt wird. Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer konnten wir immerhin Folgendes erreichen:
1.Die Erhöhung kam erst 2007 und nicht 2006, um die Möglichkeit zu schaffen, die Konjunktur bis zur Erhöhung soweit anzukurbeln, dass die schädlichen Auswirkungen einer Mehrwertsteuererhöhung weniger zum Tragen kommen.
2.Mit dem Impulsprogramm (25 Milliarden Euro in vier Jahren) und einigen Sofortmaßnahmen wurden Rahmenbedingungen für eine Erholung der Konjunktur geschaffen. Wie Sie an den aktuellen Berichten der Agentur für Arbeit sehen können, waren diese Programme erfolgreich.
3.Der ermäßigte Steuersatz auf Lebensmittel, Personennahverkehr, Bücher und Zeitungen bleibt bei 7 % und wird nicht angehoben.
4.Die befürchteten Auswirkungen auf das Handwerk wurden durch die Möglichkeit kompensiert, Handwerkerrechnungen anteilig auf die Steuerschuld anzurechnen.
Die Arbeitsgruppe Finanzen hat es sich in den Beratungen des Steueränderungsgesetzes 2007 nicht leicht gemacht. Die Einzelmaßnahmen wurden eingehend im Hinblick auf ihre Zielgenauigkeit und Zumutbarkeit betrachtet. Manches hätten wir uns anders gewünscht. Trotzdem halten wir die Regelungen des Steueränderungsgesetzes 2007 im Ergebnis für vertretbar.
Ich unterstütze allerdings weiterhin die Idee der ökologischen Steuerreform. Das soll in diesem Fall nicht eine Verteuerung von Benzin sein. Ich bin für eine komplette Überarbeitung des Steuersystems in ökologischer Hinsicht. Dies System würde sich an ökologisch vernünftigen Ansätzen orientieren. Umweltgerechtes Verhalten wird belohnt, umweltbelastendes Verhalten wird besteuert, z.B. der erhöhte Energieverbrauch und der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen. Dies hätte den Vorteil, dass jeder die eigene Belastung durch den Erwerb von Produkten bestimmen kann und dadurch auch noch umweltbewusstes Verhalten weiter gefördert und auch belohnt wird. Sie können Ideen bei dem Förderverein Ökologische Steuerreform, unter www.foes.de, einsehen. Leider sehe ich in Berlin derzeit keine Mehrheiten für eine Fortentwicklung der Ökosteuer. Wir müssen stattdessen wohl mit der MWSt- Erhöhung leben.
Entfernungspauschale:
Die Einschränkung bei der Entfernungspauschale erbringt den größten Konsolidierungsbeitrag in Höhe von 2,5 Mrd. € (Bund: 1,2 Mrd. €). Es bleibt bei der bereits im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltenen Neuregelung. Die Entfernungspauschale in Höhe von 30 Cent erst ab dem 21. Kilometer gewährt. Außerdem wurde ein Systemwechsel zum "Werkstorprinzip" vollzogen. Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte werden damit der Privatsphäre zugeordnet. Die Fahrtkosten stellen keine Werbungskosten oder Betriebsausgaben mehr dar. Sie werden ab dem 21. Kilometer stattdessen "wie" Werbungskosten oder Betriebsausgaben berücksichtigt.
Nach Ansicht der Arbeitsgruppe Finanzen der SPD-Fraktion hätte es für die Neuregelung der Entfernungspauschale auch sachgerechtere Möglichkeiten gegeben. Eine Berücksichtigung der Fahrtkosten ab dem ersten Entfernungskilometer mit einem niedrigeren Cent-Betrag und eine gleichzeitige Absenkung der Arbeitnehmer-Pauschale hätten die Lasten gleichmäßiger und gerechter verteilt. Da eine Einigung mit der CDU/CSU aber nicht zu erreichen war, musste es bei der Regelung im gemeinsam eingebrachten Gesetzentwurf bleiben. Der Bundesfinanzhof hat sich mit der Entfernungspauschale beschäftigt. Dieser sieht die Zahlung ab dem 20. Kilometer nicht als verfassungsmäßig an. Deshalb fordert der Bundesfinanzhof das Bundesverfassungsgericht auf, für Klarheit über die Vereinbarkeit von Pendlerpauschale und Grundgesetz zu sorgen. Wie die Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht zur Entfernungspauschale ausgeht, bleibt also abzuwarten.
Das Urteil des Bundesfinanzhofes beurteilt die bayerische SPD in einer Pressemitteilung folgendermaßen: "Die BayernSPD teilt die verfassungsrechtlichen Zweifel des BFH und hat auch deshalb immer gegen eine Kürzung der Pendlerpauschale gekämpft. Die Unsicherheit für die Betroffenen muss jetzt endlich beendet werden. Nur eine Rücknahme der Kürzung schafft Rechtssicherheit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Schuld für die Hängepartie bei der Pendlerpauschale liegt allein bei der CSU. Die CSU hat die Kürzung in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, sie hat alle vorgeschlagenen Alternativen blockiert und verhindert jetzt eine schnelle Rücknahme der Kürzung. Die SPD-Bundestagsfraktion hat erst im November einen Vorstoß unternommen, die Regelung zu verändern. Es war Erwin Hubers kategorisches "Nein" im Koalitionsausschuss, das eine Lösung verhindert hat. Mit ihrer Haltung begeht die CSU Verrat an den bayerischen Berufspendlern."
Ich selbst stehe der Pendlerpauschale im Zusammenhang mit einer ökologischen Steuerreform kritisch gegenüber. Selbstverständlich sehe ich, dass durch die Kürzung der Pauschale auch der kleine Mann belastet wird. Das ist nicht gewollt und deswegen spreche ich mich, gemeinsam mit der bayerischen SPD, dagegen aus. Allerdings sehe ich auch ein Problem in der Pendlerpauschale. Sie ist nicht nur eine Hilfe für diejenigen, die es weit zum Arbeitsplatz haben, sondern gleichzeitig ein Anreiz, günstiger und im Grünen zu wohnen. Drastisch formuliert: ein Münchner wohnt teurer als auf dem Land. Um die Umwelt zu schonen, benutzt er den Öffentlichen Nahverkehr und sein Fahrrad. Doch dann radelt er am Stau vorbei, den viele Pendler mitproduzieren und muss die Pendler mit seinen Steuern, die für die Pendlerpauschale verwendet werden, auch noch subventionieren. Die Pendlerpauschale könnte also auch als ein Anreiz gesehen werden im Grünen zu wohnen und dann auch noch mit dem Auto in die Städte zu fahren. Dies kann rein umweltpolitisch so nicht gewollt sein. In einem größeren Zusammenhang ist die Pendlerpauschale also nicht nur positiv zu bewerten. Wenn es eine durchdachte Umstellung hin zu einer Ökosteuer geben würde, wäre die Pendlerpauschale überflüssig. So wie die Regelung derzeit läuft, ist die Kürzung der Pendlerpauschale aber nicht einzusehen, weil diese Kürzung, wie Sie auch angemerkt haben, oft den kleinen Mann trifft.
Ich danke Ihnen, dass Sie mir die Möglichkeit geben, meine Position zu erklären. Ich hoffe, Sie können die Position nachvollziehen, auch wenn sie Ihnen vielleicht inhaltlich nicht ganz gefällt.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Axel Berg