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Axel Berg
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Frage von Erik S. •

Frage an Axel Berg von Erik S. bezüglich Innere Sicherheit

Herr Dr. Berg wie stehen Sie zu den von Herrn Schäuble vorgeschlagenen Maßnahmen zur Terrorismusabwehr? Insbesondere die Maßnahmen zur:
- verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung aller Verbindungsdaten (der zu über 99,999% unverdächtigen und unschuldigen 80Millionen Bundesbürger)
- dem Einsatz eines "Bundestrojaner" (welcher auch ein potenzielles Einfallstor für kriminelle Schadprogramme darstellt)

weitere Fragen hierzu:
- sind diese Maßnahmen verhältnismäßig im Hinblick auf die statistischen Terrorismusopferzahlen der letzten 20Jahre? (auch der europäischen)?
- Wieso soll nun plötzlich unser rechtstaatliches Prinzip der Unschuldsvermutung verworfen werden?
- Sind die Maßnahmen in der Rückschau und der Erfahrungen aus DDR, sowie der Nazizeit klug?

Mir freundlichen Grüßen,

Erik Schaber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schaber,

vielen Dank für Ihre Frage vom 18. April. Bitte entschuldigen Sie meine verspätete Antwort - als einziger Münchner SPD-Abgeordneter erreichen mich sehr viele Anfragen, und dann kam letztes Jahr auch noch ein größerer Personalwechsel in meinen Büros hinzu.

Meine Position zur Vorratsdatenspeicherung habe ich in dem Schreiben an Herrn Trapp (Frage vom 12.11.) bereits hinreichend erläutert und möchte sie hier aus Platzgründen nicht wiederholen (Sie können sie hier nachlesen: http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_axel_berg-650-6030-0.html#fragen ).

Was die Online-Durchsuchung angeht (auch Bundestrojaner genannt), wissen Sie ja sicherlich, dass diese Gegenstand einer hitzigen Debatte ist. Der Bundesgerichtshof hat Anfang 2007 festgestellt, dass es den Ermittlungsbehörden nicht erlaubt ist, so genannte Online-Durchsuchungen durchzuführen. Dabei wird ein Privatcomputer mittels einer Software quasi ausgespäht, wogegen sich die SPD-Fraktion schon seit geraumer Zeit stemmt.

Mit dem, was wir in Deutschland unter Durchsuchung verstehen, hat eine Online-Durchsuchung nämlich nichts zu tun. Durchsuchungen sind seit In-Kraft-Treten der StPO vor 130 Jahren offen und nicht heimlich. Offen heißt, dass der Beschuldigte dabei anwesend ist. Nun meinen manche, wir sollten diese Form des "staatlichen Hackings" legalisieren. Ich bin da sehr skeptisch. Das wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, und es wäre eine völlig neue Qualität staatlicher Überwachung. Die Mehrzahl der Menschen hat ihren Computer zu Hause auf dem Schreibtisch stehen. Der Staat würde also virtuell in eine Wohnung eindringen. Das Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Großen Lauschangriff aber klargestellt: "Die Privatwohnung ist als ,letztes Refugium´ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde." Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist deshalb vom Grundgesetz ganz besonders geschützt. Das Bundesverfassungsgericht verhandelt derzeit die Verfassungsmäßigkeit von Online-Durchsuchungen. Bis zu dieser Entscheidung wird in dieser Hinsicht nichts passieren.

Dennoch ist auch klar, dass wir uns sicherheitstechnisch einer neuen Herausforderung gegenüber sehen, nämlich dem islamistischem Terrorismus. Terroristen nutzen Schlupflöcher, um im Namen einer Ideologie unschuldige Menschen zu töten, und ich empfinde es als logisch, dass wir ihnen die Arbeit nicht erleichtern. Dass dabei die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss, ist klar. Seit den Attentaten vom 11. September hat der Bund rund 20 Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung erlassen. Dazu gehört die erschwerte Einreise von terroristischen Straftätern, die Verbesserung der Grenzkontrollen, die Beschränkung extremistischer Ausländervereine, Regelungen zur Sicherstellung der Energieversorgung, die Einführung der Rasterfahndung und die Beschränkung des Schusswaffengebrauchs in zivilen Flugzeugen auf Polizeibeamte. Die meisten dieser Maßnahmen betreffen den normalen Bürger so gut wie nicht und werden begrüßt. Andere, wie die Online-Durchsuchung, schränken die Freiheit im Namen der Sicherheit ein. Dass wir hier abwägen müssen, versteht sich von selbst.

Andererseits würden die Bürger sich wundern, wenn der Staat überhaupt nichts täte gegen Terrorismus in Deutschland. Die mißlungenen Attentate auf die Kölner Vorortzüge haben uns gezeigt, dass auch wir eine Zielscheibe der Bedrohung sind. Seit 1994 sind weltweit 3745 Menschen für islamistischen Terrorismus gestorben - Terrorattentate in Israel, Irak und Afghanistan nicht eingerechnet. Natürlich sind das weniger Opfer als jährlich im Straßenverkehr ums Leben kommen (2006 waren es in Deutschland 5091) oder an Drogenmißbrauch sterben (2006 waren es 1296). Jedes Jahr sterben in Deutschland rund 25.000 Menschen an Diabetes. Wenn man solche Zahlen betrachtet, bekommt man schnell das Gefühl, Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung seien übertrieben.

Das Problem ist aber auch, dass wir nicht wissen, was sich Terroristen als nächstes ausdenken. Vor 2001 konnte sich niemand vorstellen, dass zwei Flugzeuge in ein Hochhaus gejagt würden. Vor 1995 rechnete niemand mit einem Giftgasanschlag in der U-Bahn von Tokio. Mit aus diesem Grund versuchen manche, den Terroristen einen Schritt voraus zu sein. Dass die Grundwerte unseres Staates dafür nicht aufgegeben werden dürfen, sehe ich genauso wie Sie. Andererseits darf man auch nicht vergessen, dass wir, eben wegen unserer Erfahrungen mit der Nazi-Zeit, eine wehrhafte Demokratie haben. Das heisst, dass unsere Offenheit nicht ausgenutzt werden darf von denen, die sie nicht unterstützen. Und das Grundgesetz legt nicht nur das Recht auf Unversehrtheit fest (Art.2), sondern auch die Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte, wenn sie die der anderen einschränkt. Um auf Ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen: Nicht alle Maßnahmen zur Terrorismusabwehr finde ich gut, aber manche sind notwendig. Die Vorratsdatenspeicherung finde ich verhältnismäßig, aber nicht die Online-Durchsuchung.

Ich hoffe, Sie verstehen meinen Standpunkt nun besser.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Axel Berg MdB