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Frage von Paul H. •

Frage an Astrid Mannes von Paul H. bezüglich Petitionen

Ausbildungstechnisch habe ich einige Zeit in der Schweiz verbracht, während dieser Zeit habe ich zu verschiedenen Themen Initiativen, Referenden, etc. mitbekommen, woüber auch abgestimmt wurde. Es ist eine sehr interessante Variante den BürgerInnen mehr Partizipation einzuräumen. Alle vier, fünf Jahre nur ein Kreuz machen zu können, ist für mein Demokratieverständnis mittlerweile einfach zu wenig Beteiligung. Bei Stadtverordnetenversammlungen darf man als politisch-interessierte/-r BürgerIn sich zu politischen Entscheidung nicht äussern. Die Hürden auf Landes- und Kommunalebene für ein Referendum sind sehr hoch und machen es den Parteien zu einfach. Selbst im EU Vergleich besteht für die BürgerInnen in D auf Bundesebene keine Möglichkeit ein Referendum abzuhalten. Daher würde es mich sehr interessieren, weshalb insbesondere die CDU im Bundestag sich dagegen sträubt. Wo liegt das Problem? Weimarer Erfahrungen können historisch betrachtet nicht als Argument dienen. Wie will die CDU bei diesem Thema überzeugen?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hanel,

vielen Dank für Ihre heutige Anfrage an mich über abgeordnetenwatch.

Sie haben generell recht: Volksbefragungen und Volksentscheide können die Demokratie beleben. In der Bevölkerung gibt es für die direkte Demokratie auch viele Befürworter.
Im Bundestagswahlkampf 2017 forderte zum Beispiel die Alternative für Deutschland die Einführung von Volksentscheiden nach dem Schweizer Vorbild.

Doch schaut man genau hin, sieht man, dass meist über die Hälfte der Schweizer gar nicht an den Abstimmungen teilnimmt. Und die meisten Volksinitiativen stammen nicht von einfachen Bürgern. 
Bei den direktdemokratischen Verfahren in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren die Beteiligung an den Abstimmungen bei nur rund 45 Prozent eingependelt.

Es ist also auch hier nur ein Teil des Volkes (eine Minderheit), der letztlich dann die direkte Demokratie ausübt. Das Argument, man könne mit Elementen der direkten Demokratie der Politikverdrossenheit entgegenwirken und es würden sich mehr Menschen an den Abstimmungsprozessen beteiligen, trifft nicht zu.

Mit dem Grundgesetz hat man sich in Deutschland klar für die parlamentarisch-repräsentative Demokratie entschieden. Der Bürger wählt immerhin alle vier Jahre einen neuen Bundestag, also in recht kurzen Abständen. Auch das Grundgesetz sieht für wenige bestimmte Fälle übrigens Volksabstimmungen vor.

Das Parlament ist der Ort politischer Meinungsbildung und Entscheidungen. Vor dem Hintergrund der immer komplexeren Vorgänge ist die Rolle des Parlaments immer wichtiger.
Volksentscheide können die Parlamente schwächen, wenn insbesondere die wichtigen Entscheidungen Gegenstand von Volksabstimmungen werden und sich die Parlamente nur noch mit unwichtigeren Fragestellungen befassen. Wer trifft die Auswahl, was wichtig ist und was weniger wichtig ist?

Es geht bei politischen Entscheidungen auch kaum noch um Fragestellungen, die mit einem Ja oder Nein beantwortet werden können.
Wir verhandeln im Parlament über sehr komplexe Sachverhalte, mit denen wir uns viele Stunden (oft Tage und Wochen) befassen, bevor wir darüber abstimmen. Dabei werden wir oft von Fachleuten beraten. In viele politische Themen spielen juristische bzw. europarechtliche Sachverhalte mit hinein.
Die Vorlagen, die wir aus den Bundesministerien erhalten, wurden dort von Fachabteilungen erarbeitet, die sich auf kleine Fachgebiete spezialisiert haben.
Wie soll ein normaler Bürger, der tagsüber einer Berufstätigkeit nachgeht, dies leisten können? Alleine den Zeitaufwand kann er kaum betreiben. Zudem haben wohl die wenigsten Menschen Lust, vor einem Volksentscheid noch tagelang in ihrer Freizeit Fachtexte und Hintergrundpapiere durchzuarbeiten.
Meine persönliche Sorge ist auch, dass in einer Zeit von Fake News und großer Emotionalität und Hetze die Sachargumente untergehen. Im Falle von Volksabstimmungen wird dann ordentlich polarisiert. Im Kleinen erleben wir es jetzt bereits tagtäglich.
Ich erinnere an den Brexit. Viele Briten haben emotional abgestimmt, ohne die Folgen für die Wirtschaft usw. wirklich zu überblicken. Für diesen Austritt aus der EU haben letztlich nur 37,4 Prozent aller Wahlberechtigten gestimmt (34,6 Prozent waren für den Verbleib in der EU, 28,8 Prozent haben nicht abgestimmt).

Sie haben als Bürger immer die Möglichkeit, ihre Abgeordneten direkt anzusprechen und Anregungen mit auf den Weg zu geben. Sie können als Bürger Leserbriefe schreiben, in die Sprechstunden der Politiker gehen usw. Die Möglichkeiten, seine Meinung den Entscheidungsträgern zukommen zu lassen, sind vielfältig.

Dass für ein Referendum die Messlatte hoch liegt, ist so gewollt. Gibt es eine breite Unterstützung für dieses Thema, wird die Mindestzahl an Unterschriften erreicht; bei einem Thema, das nicht viele interessiert, eben nicht.

Mit freundlichem Gruß
Astrid Mannes

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