Frage an Astrid Dahaba von Martina N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Liebe Frau Dahaba,
wie ist Ihre Meinung zu den letzten öffentlich bekannt gewordenen Tierfuttermittel-Skandalen? Wird sich Ihre Partei auch aktiv für den Tierschutz (nein, das reicht nicht aus; besser: für die Rechte der Tiere) einsetzen und wenn ja, in welcher Form? Welche Wege wollen Sie gehen, um von der nicht artgerechten Massentierhaltung wegzukommen? Meiner Meinung nach reicht es bei weitem nicht aus, alles auf den Verbraucher abzuwälzen und zu sagen, dass allein er die Macht hat, über diese Thematik mit seinem Kaufverhalten zu entscheiden. Wie sehen Sie das?
Herzliche Grüße
M. Nemes
Liebe Frau Nemes,
die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner will die Standards für Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen nach dem jüngsten Dioxinskandal verschärfen. Sie sind aus unserer Sicht jedoch nicht weitreichend genug. Bisher haben die Kontrollen mehrfach versagt (siehe auch Gammelfleischskandel). Jedesmal wurde Besserung zugesagt und nichts hat sich wirklich positiv für die Verbraucher geändert: sie können sich weiterhin auf einen Lebensmittelschutz nicht verlassen.
DIE LINKE setzt sich seit Jahren auch auf Bundesebene für die Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage ein. Sie lehnt die Feststellungsklage als Alternative ab. Da es auf Grund der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht möglich ist,die Verbandsklage auf Bundesebene durchzusetzen, setzt sich DIE LINKE in den Bundesländern, in denen sie Mitspracherecht in der Regierung hat oder in der Opposition ist, für eine Landesregelung ein. Auch die neue Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft wird diese Forderung erneut auf die Tagesordnung setzen.
Die Vorschriften zur so genannten Nutztierhaltung sind absolut unzureichend und haben mit Tierschutz nichts gemein. In Anbetracht der Tatsache, dass der Tierschutz inzwischen Verfassungsrang hat und eines der Staatsziele ist, ist es nicht hinnehmbar, dass es bis heute nicht für alle landwirtschaftliche gehalten Tiere eigenen Haltungsvorschriften gibt. Zu den Tieren, bei denen besonders häufig Defizite festgestellt werden, gehören die Zucht- und Mastkaninchen und die Puten. Deshalb fordert DIE LINKE eine entsprechende Änderung des Tierschutzgesetzes und Haltungsvorschriften für alle landwirtschaftlichen Tiere. Darüber hinaus fordert DIE LINKE auch die Überarbeitung der bestehenden Haltungsvorschriften nach den Kriterien eines wirklichen Tierschutzes weg von der Nutztierhaltung in industriellen Strukturen.
Uns ist die Fortentwicklung des Tierschutzes in der nächsten Legislaturperiode besonders wichtig.
DIE LINKE fordert:
·Die Haltung von Legehennen in Kleingruppen muss verboten werden, nach dem die Käfighaltung heute illegal ist.
·Neue hohe Standards für die Massentierhaltung müssen eingeführt werden.
·Wir unterstützen Prüf- und Zulassungsverfahren für Stalleinrichtungen aller in der Landwirtschaft gehaltenen Nutztierrassen. Zusätzlich sollten diese auch für Stalleinrichtungen von Heimtieren gelten.
·Die betäubungslose Kastration männlicher Ferkel muss untersagt werden. Alternativen sind bereits heute ausreichend vorhanden. Parallel muss die Forschung zum völligen Verzicht auf die chirurgische Kastration intensiviert werden.
·Lebendtiertransporte von mehr als vier Stunden dürfen nicht mehr durchgeführt werden. Stattdessen sollen Schlachtkörper transportiert werden.
·Es muss ein dichteres Netz kleiner regionaler Schlachthöfe geschaffen werden.
·Im Bereich Tierversuche fordert DIE LINKE einen Paradigmenwechsel. Tierversuche müssen im Grundsatz verboten und nur in Ausnahmefällen genehmigt werden. Alternative Testmethoden sind nachdrücklicher zu erforschen.
·DIE LINKE setzt sich für ein Tierschutzsiegel auf Lebensmitteln ein.
·DIE LINKE setzt sich seit Jahren für das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine ein. Nur so kann das Interesse der Tiere auf die Freiheit von Leiden und Schmerzen geschützt werden.
·Die Haltung von Wildtieren in Zirkussen ist zu verbieten, ebenso in Delfinarien.
Tierschutz ist nicht nur ein rein rechtliches Problem, das durch Vorschriften und Gesetze zu lösen ist. Voraussetzung für einen Tierschutz, der in der ganzen Gesellschaft Anklang findet, ist seine Einbettung in sozial- und umweltpolitische Themen. Deshalb bedeuten Änderungen im Rechtssystem noch keine Änderung im Wertesystem. Dafür bedarf es grundlegender Änderungen in der Auffassung vom Umgang mit Tieren in der Gesellschaft. Die Diskussion darüber wird nicht ausreichend geführt. Dies führt dazu, dass Tierschutz nach wie vor von der Mehrheit der Menschen als isoliertes Problem betrachtet wird.
Doch der gesellschaftspolitische Stellenwert des Tierschutzes wächst beständig. Die feste Einrichtung der tierschutzpolitischen Sprecherfunktion in der Fraktion ist deshalb unverzichtbar. Ganz sicher wird es in der neuen Fraktion DIE LINKE auch eine tierschutzpolitische Sprecherin/ einen Sprecher geben.
Ich hoffe, dass in der nächsten Legislaturperiode alle Parteien mitziehen, um diese Forderungen im Sinne der Tiere durchzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Astrid Dahaba