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Frage von Andreas Z. •

Frage an Arnold Vaatz von Andreas Z. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Vaatz,

seit längerem stellt sich für mich die Frage, wie eine Partei sich Christlich nennen kann.
Christliche Grundwerte wie unbedingte Nächstenliebe, Feindesliebe ("wenn dein Feind dich schlägt, halte die andere Wange hin"), Bewahrung der Schöpfung, Geben an die Armen (und zwar nicht nur Almosen) finde ich nirgendwo im Parteiprogramm.

Wahrscheinlich sind diese Werte nicht politisch realistisch umzusetzen - nur dass man sich christlich nennt, dann aber ganz normale Machtpolitik, Militärpolitik usw. betreibt, steht für mich sehr in Frage.

Wie sehen Sie christliche Grundwerte für sich als Politiker und für Ihre Partei?

Mit freundlichen Grüßen
A. Ziegler

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Ziegler,

vielen Dank für Ihre e-mail über www.abgeordnetenwatch.de.

Eine Partei darf sich Christlich nennen, wenn diese sich bei politischen und weltanschaulichen Dingen vom christlichen Menschenbild leiten lässt. Wenn Sie sich das Parteiprogramm der CDU angeschaut haben, müsste Ihnen dieser Bezug eigentlich deutlich aufgefallen sein. Vor allem im Vergleich zu den anderen im Bundestag vertretenen Parteien, bei denen Sie ähnliches nicht einmal ansatzweise finden.

Dabei gebe ich zu Bedenken, dass sich das christliche Bild vom Menschen in Europa ausgehend von seinen Anfangsgründen im Anschluss an das Wirken von Jesus Christus in einem widerspruchsvollen, streitbefangenen Prozess in zwei Jahrtausenden entwickelt hat. Es hat sich in dieser langen Zeit an vielen Positionen wandeln müssen. Es wurde durch neues Wissen ständig herausgefordert und modifiziert. Früh traf es auf die Konflikte in der Gesellschaft, die mit Gewalt gegen einzelne oder Krieg zwischen Völkern ausgetragen wurden. Das kopernikanische Weltbild, die Kontakte mit anderen Kulturen, die Aussagen der europäischen Aufklärung, Darwins Gegenentwurf zur tradierten christlichen Abstammungslehre, die ständig genauer werdende Einsicht in die Stringenz naturwissenschaftlicher Zusammenhänge, in denen kein Platz für die direkte Einwirkung göttlichen Handelns gesehen wurde, schufen - alles zu seiner Zeit - eine ständig neue Korrespondenz dieses Musterbildes mit dem menschlichen Alltag.

Diese Beobachtung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die bisherige Gestalt Europas, der europäische Alltag, seine Regeln, seine Institutionen, seine Architektur und jeder Europäer selbst, gleich welchen Glaubens, in besonderem Maße ein Resultat der Konstanz und der Veränderungen des christlichen Bildes von Menschen sind.

Die Christlich Demokratische Union sagt ja zu dieser vorgefundenen Gestalt Europas. Sie ist trotz allen schmerzlichen Erfahrungen mit der europäischen Geschichte der Auffassung, dass Europa mit diesen Grundlagen zu einem herausragend positiven Beispiel für menschliches Zusammenleben geworden ist, gewaltige Leistungen auf den verschiedenen Gebieten entfalten konnte und zu einer für alle guten Zukunft fähig ist.

Weil sich die CDU zu diesen christlichen Wurzeln Europas und zum christlichen Menschenbild bekennt, ist es auch ihre Pflicht, die aktuellen Herausforderungen auf Basis dieser Grundwerte ehrlich einzuschätzen. Die Schieflage unserer Solidarsysteme, die demographische Entwicklung, der Pisa-Vergleich, die Veränderungen durch die Globalisierung, die Zunahme des islamistischen Terrors – es gibt so viele Herausforderungen, die bewältig werden müssen. Auch das christliche Bild vom Menschen muss sich diesen veränderten Situationen stellen und bisherige Bestandteile kritisch prüfen, um bestehen zu können. Die CDU schaut diesen Tatsachen verantwortungsvoll ins Auge.

Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität. Christlich demokratische Politik ohne diese Verankerung in der Realität des Lebens wäre keine. Wir können die Aufgaben, vor denen wir stehen, nur dann lösen, wenn wir den Mut haben, Fehlentwicklungen und kollektive Irrtümer als solche auch zu erkennen und aus ihnen ausbrechen. Solche Einsichten setzen aber Werte und Maxime voraus, die in unserer Gesellschaft erst noch wiederbelebt werden müssen. Diese sind durch die Generation der 68er stark erodiert. Die CDU steht gerade deshalb zu ihren christlichen Wurzeln und wird daher auch in Zukunft Entscheidungen treffen, die schmerzlich sind, aber dem Grundsatz der Gerechtigkeit entsprechen.

Mit freundlichem Gruß

Arnold Vaatz