Frage an Arnold Vaatz von Siegfried P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Vaatz,
die Verwendung des Arguments vom unterschiedlichen Lohnniveau Ost / West als Grundlage für unterschiedliche Rentenwerte ist unehrlich und ungerecht. Nach dem Artikel 3 des Grundgesetzes sind alle Menschen gleich vor dem Gesetz unabhängig von Heimat und Herkunft. In den alten Bundesländern hat das unterschiedliche Lohnniveau, das doch beim Vergleich von Nord zu Süd vorhanden war und ist, noch nie eine Rolle gespielt bei der Rentenberechnung. Politische Entscheidungen sind die Grundlage für die Unterschiede bei der Rente Ost / West. Als besonders unmoralisch betrachte ich es, dass die Menschen, die die Gesetze für die Ungleichbehandlung der "Ostrentner " machen, diese Unterschiede für sich selbst nicht zulassen. Deren Einkünfte hängen auch von der Lohnentwicklung und daraus resultierenden Steuern ab. Nach diesen Bemerkungen habe ich folgende Frage: Sehr gehrter Herr Vaatz, betrachten Sie die Behandlung der "Ostrentner" als gerecht?
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Pagel
Sehr geehrter Herr Pagel,
vielen Dank für Ihre e-mail zur Rentenpolitik. Ihre Forderung nach einer Angleichung der Renten in Ostdeutschland an die Renten in Westdeutschland ist nachvollziehbar. Leider lässt sie sich derzeit nicht erfüllen.
Die Erhöhung der unterschiedlichen Rentenwerte in Ost und West ist an die Lohnentwicklung der Beschäftigten gekoppelt. Die Angleichung der Renten hängt also von der Einkommenssituation der Beschäftigten ab. Nur in dem Maße, wie sich die Einkommen angleichen, gleichen sich auch die aktuellen Rentenwerte an. Wir haben nicht vor, diesen Regelmechanismus zu verändern.
Die Regelung ist weder unehrlich noch ungerecht, wie Sie es schreiben. Ungerecht wäre eine vorzeitige Anhebung der Renten in Ostdeutschland. Im Gegenzug müsste die Hochwertung der im Osten erzielten Arbeitsverdienste auf das Westniveau aufgegeben werden. (In Ostdeutschland wird die niedrigere Höhe der Individualentgelte bei der Ermittlung der Rentenanwartschaften hochgewertet, also für geringere Verdienste wird ebenfalls ein voller Entgeltpunkt in der Rentenversicherung gutgeschrieben.)
Damit würde den gegenwärtigen Beitragszahlern und künftigen Rentnern im Osten die Chance genommen, bei vergleichbarer Erwerbsbiographie jemals gleich hohe Renten wie im Westen zu erhalten. Der gegenwärtige Lohnabstand würde in den zukünftigen Renten im Osten verfestigt. Die gegenwärtige Rentnergeneration würde also auf Kosten der künftigen Rentnergeneration besser gestellt und damit die Gerechtigkeit zwischen den Generationen beeinträchtigt.
Außerdem ließe sich eine Angleichung der Ost- an die Westrenten ohne Berücksichtigung der Lohnentwicklung nur durch eine Steigerung der Beitragssätze, also der Lohnnebenkosten finanzieren. Aber gerade die Entlastung des Faktors Arbeit ist Voraussetzung für mehr Wachstum und Beschäftigung, vor allem in Ostdeutschland. Dennoch ist die Angleichung bei den Renten bis auf etwa 12 Prozent erfolgt. Damit ist sie stärker fortgeschritten als bei den Löhnen und Gehältern, die eine durchschnittliche Differenz von etwa 20 Prozent haben.
Hinzu kommt, dass die Beitragseinnahmen in den neuen Bundesländern schon derzeit nicht ausreichen, um die Rentenausgaben im Osten zu finanzieren. Der Finanztransfer von West nach Ost liegt in diesem Bereich bei etwa 13 Milliarden Euro.
Deshalb kann von einer politisch gewollte Ungleichbehandlung der Ostrentner, wie Sie es schreiben, nicht die Rede sein. Gleiche Renten in Ost und West sind wünschenswert, derzeit aber nicht machbar.
Mit freundlichem Gruß
Arnold Vaatz