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Frage von Uwe K. •

Frage an Arnold Vaatz von Uwe K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Vaatz,

am 29. September 2011 soll über den Europäischem Stabilitätsmechanismus (ESM) abgestimmt werden. Mich würde interessieren ob sie für oder gegen das entsprechende Bundesgesetz zu stimmen.

Auch wenn immer wieder betont wird, dass die dort bereit gestellten Gelder lediglich Kredite und zum grössten Teil nur Bürgschaften sind, so stellt sich doch die Frage, wie diese Kredite und Bürgschaften durch die Nehmerländer abgesichert sind. Finnland hat vor gemacht wie eine solche Absicherung aussehen könnte. Deutschland scheint auf Sicherheiten seitens der Nehmerländer zu verzichten. Anbetracht fehlender Sicherheiten muss man aber davon ausgehen, das Teile des durch die Bundesrepublik in den ESM eingzahlten Vermögens in bestimmten Fällen für Deutschland verloren gehen kann. Wie erklären und Begründen sie ein solches Verhalten, welches in der Privatwirtschaft als Veruntreuung strafrechtlich verfolgt würde, in Anbetracht der Tatsache, dass Mittel für soziale Aufgaben in Deutschland gekürzt oder teilweise ganz gestrichen werden und gleichzeitig Milliardenbeträge an Länder in Europa - de facto - verschenkt werden die weit über die für soziale
Aufgaben notwendigen Mittel hinaus gehen.

Mit freundlichen Grüssen
Uwe Kunzak

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kunzak,

der Begründung meines Abstimmungsverhaltens zum erweiterten Eurorettungsschirm (EFSF) stelle ich folgende Fakten voran:

Es war die christlich-liberale Regierung von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und seinem Finanzminister Dr. Theo Waigel, die im Maastrichter Vertrag von 1992 die Konvergenzkriterien ausgehandelt hat und auf dem Dubliner EG-Gipfeltreffen 1996 dafür sorgte, dass die Mitgliedsstaaten auch nach der Euroeinführung die Höhe ihres jährlichen Haushaltsdefizits auf 3% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) und den Stand ihrer öffentlichen Verschuldung auf 60% ihres BIPs begrenzen müssen. Aus heutiger Sicht ist dazu kritisch anzumerken, dass keine Regelungen für die mögliche Insolvenz eines Eurostaates geschaffen wurde. Vielmehr gingen die Beteiligten davon aus, dass schon jeder Staat selbst vernünftig für seine Finanzen sorgen würde und begnügten sich daher mit der sogenannten Nichtbeistandsklausel (No-Bail-out). Nicht bedacht wurden die Auswirkungen, die von einem Schuldensünder für die Staaten des gesamten Eurowährungsraums ausgehen. Außerdem wurde kein Sanktionsautomatismus bei Verstoß gegen die Konvergenzkriterien festgelegt. Bewusstes Fehlverhalten zum Schaden Deutschlands kam dann unter Bundeskanzler Schröder. Rot-Grün stimmte 2001 der Aufnahme Griechenlands in die Währungsunion zu, obwohl die Griechen bekanntermaßen geschönte Statistiken vorlegten und nicht die Konvergenzkriterien erfüllten. 2002 und 2003 verstieß die rot-grüne Regierung selbst gegen die Defizitgrenzen. Gemeinsam mit Frankreich, dass auch die Defizitlatte gerissen hatte, wurde der von der Regierung Kohl/Waigel ausgehandelte Sanktionsmechanismus komplett außer Kraft gesetzt. Andere Eurostaaten folgten diesem schlechten Beispiel.

Und was will Rot-Grün heute? Sie wollen möglichst schnell und aus falsch verstandener Solidarität Eurobonds einführen. Auch wenn das mit gewissen Bedingungen verknüpft sein soll, wäre es der direkte und sofortige Weg in die Transferunion. Die Waigelsche No-Bail-out-Klausel würde damit dauerhaft beerdigt. Solch einer Lösung verweigere ich meine Zustimmung. Sie wäre aber in Europa mit einer rot-grünen Bundesregierung eine politisch ernstzunehmende Alternative. Deshalb habe ich mich für das geringere Übel entschieden und am 29.09.2011 dem erweiterten Eurorettungsschirm EFSF zugestimmt, nicht zuletzt um unsere christlich-liberale Koalition nicht zu gefährden und Schlimmeres zu verhindern.

Als detaillierte Begründung meines Abstimmungsverhaltens folgt nun meine entsprechende Erklärung nach § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages:

„Der Haushaltsausschuss hat in seiner Beschlussempfehlung vom 22.09.2011 (Drucksache 17/7067) den Mitgliedern des Deutschen Bundestages empfohlen, den Antrag der Fraktion CDU/CSU und FDP „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ (Drucksache 17/6916) in geänderter Fassung anzunehmen. Ich folge dieser Empfehlung.

Meine Zustimmung zur vorgenannten Beschlussempfehlung verknüpfe ich mit folgender persönlicher Erklärung:

Die Ertüchtigung und Flexibilisierung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ist zwar notwendig, um die konkrete Gefahr einer ungeordneten Insolvenz Griechenlands und die möglichen Zuspitzungen von Zahlungsschwierigkeiten auch anderer Krisenländer ohne weitere Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) zu gewährleisten. Diese Befugniserweiterung reicht aber nicht aus, um die Krise dauerhaft einzudämmen.

Die Unabhängigkeit der EZB ist gegeben. Dennoch kam es – und kommt es noch immer – zu Anleihekäufen durch die EZB, die dadurch bereits beträchtliche Risiken in ihre Bücher genommen hat. Es ist sehr zweifelhaft, ob die EZB dafür die notwendige Legitimation besitzt, da letztlich die einzelnen Nationalstaaten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dafür haften. Die Gefahr besteht, dass die EZB auch nach Ertüchtigung der EFSF an ihrer Politik festhält und dass sich dieser ordnungspolitische Sündenfall insbesondere auf Kosten Deutschlands perpetuiert. Daher ist es zwingend notwendig, der EZB die Grundlage für weitere Anleihekäufe zu entziehen, ohne ihre Unabhängigkeit anzutasten. Dies sollte durch zweierlei Maßnahmen geschehen:

- Die Zielformulierung der Zentralbankpolitik muss sich ausschließlich auf die Gewährleistung der Preisstabilität reduzieren. Die Erfolgsgeschichte der Deutschen Bundesbank lässt sich insbesondere darauf zurückführen.

- Die Stimmrechte im EZB-Zentralbankrat sind nach Kapitalanteilen zu gewichten. Andernfalls besteht weiterhin die Gefahr, dass die Länder, die insbesondere für risikoreiche Anleihen haften, von kleineren Ländern überstimmt werden und weiterhin Risiken auf Deutschland und andere kapitalstarke Staaten abgewälzt werden.

Beides macht eine Änderung der Satzung der EZB dringend erforderlich.

Zudem sind mögliche Regeln einer geordneten Insolvenz eines Staates auszuloten. Diese müssen einen automatischen Schuldenschnitt unter Beteiligung privater Gläubiger beinhalten, sobald ein Staat über eine bestimmte Zeit hinaus nicht in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen.

Den derzeitigen Gefahren für die Realwirtschaft, die mit möglichen Insolvenzen von Banken einhergehen, müssen wir entschieden entgegentreten. Kurzfristig sollte das durch höhere Eigenkapitalquoten geschehen. Mittelfristig ist es notwendig, so genannte „systemrelevante“ Banken in kleinere Institute zu zerschlagen, so dass diese einzeln insolvent gehen können, ohne die gesamte Realwirtschaft mitzureißen.

Diese Forderungen stellen nichts anderes als eine Rückkehr zu grundlegenden Prinzipien der Begründer der Sozialen Marktwirtschaft dar. Insbesondere das Primat der Währungspolitik wurde missachtet und das Prinzip der Haftung grob verletzt. Unter der Voraussetzung, dass die Wiederherstellung dieser Prinzipien eisern verfolgt wird, stimme ich für den Gesetzentwurf. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Weg von der Koalition weiter verfolgt wird.“

Mit freundlichem Gruß
Arnold Vaatz